Als ich kürzlich über die Suche nach den kleinsten der großen schwarzen Löcher berichtet habe, habe ich in meinen Notizen auch noch eine ältere Nachricht gefunden, die ich damals übersehen habe. Aber weil es eine so interessante Geschichte ist und weil es ja auch nur ein paar Wochen her ist, möchte ich trotzdem davon erzählen. Es geht um die Essgewohnheiten von V404 Cygni.
Das ist die Bezeichnung eines Doppelsternsystems; ungefähr 8000 Lichtjahre weit weg in Richtung des Sternbild des Schwans. Aber es ist kein gewöhnliches Doppelsternsystem! Einer der beiden Himmelskörper, die dort alle 6,5 Tage umeinander kreisen ist ein gewöhnlicher, sonnenähnlicher Stern. Der andere aber ist ein schwarzes Loch! Entdeckt hat man das 1989, als von dieser Gegend des Himmels plötzlich jede Menge Röntgen- und Gammastrahlung registriert wurde.
Damals war man sich zwar schon sicher, dass es schwarze Löcher geben muss, hatte aber noch keine wirklich guten Kandidaten entdeckt. Aber V404 Cygni sah sehr gut aus. Obwohl schwarze Löcher ja normalerweise gar nicht aussehen, da von ihnen kein Licht ausgestrahlt wird. Aber wenn sich anderes Material in ihrer Nähe befindet und von ihrer Gravitationskraft angezogen wird, wird es stark beschleunigt. Dabei gibt es jede Menge Strahlung ab, die beobachtet werden kann. Und da V404 gleich einen ganzen Stern in unmittelbarer Nähe hatte, der als Lieferant von Gas dienen kann, war es nicht unwahrscheinlich, dass es sich dabei um genau so ein schwarzes Loch handelt. Das wusste man damals aber noch nicht.
Man hat vorerst nur die großen Mengen an Röntgenstrahlen gemessen, die normalerweise nicht anders als in der Umgebung eines schwarzen Lochs erzeugt werden können. Nach ein paar Jahren wurde die Angelegenheit aber wieder ruhiger; die Strahlung sank und irgendwann war es dort so dunkel, dass die Astronomen auch den kleinen Begleitstern entdeckten. Aus seiner Bewegung konnten sie die Masse seines schwereren und unsichtbaren Partners ableiten: Er war ungefähr 12 Mal so schwer wie die Sonne; genau die Masse, die man von einem schwarzen Loch erwarten würde, das beim Kollaps eines schweren Sterns am Ende dessen Lebens entstehen würde.
Mittlerweile ist man sich so gut wie sicher, dass man hier wirklich ein schwarzes Loch gefunden hat. Aber mit dem Fressen war es offensichtlich vorerst fertig. Bis zum Juni diesen Jahres! Da schlug der Gammastrahlendetektor des Swift-Satelliten Alarm. Sofort richtete man die großen Weltraumteleskope auf V404 um nachzusehen, was da los war. Das hier:
Links sieht man ein Bild im Röntgenlicht, dass der Integral-Satellit der ESA gemacht hat und zwar am 19. Mai 2015. Die Position von V404 ist mit einem violetten Kreuz markiert und dort ist nichts zu sehen. Rechts dann die Aufnahme vom 18. Juni 2015: V404 ist auf einmal das hellste Objekt in der ganzen Region! Das schwarze Loch hat offenbar wieder angefangen zu fressen und es hat großen Hunger. Es wurde in den folgenden Wochen zur hellsten Quelle im Röntgenlicht.
Natürlich haben die Astronomen weiter hingesehen und weitere Aufnahmen gemacht. Dabei entstand auch dieses faszinierende Bild:
Man sieht eine Animation von Aufnahmen im Röntgenlicht, die zwischen 30. Juni und 4. Juli 2015 gemacht worden sind. In der Mitte ist V404 Cygni und das was außen herum wie eine Zielscheibe aussieht, ist ein “Lichtecho”. Zwischen uns und dem Stern befindet sich Staub, von dem das Röntgenlicht abgelenkt wird. Je nachdem, wann und wie das schwarze Loch Strahlung hervor ruft, kriegen wir auf der Erde unterschiedliche Echos zu sehen. Mit solchen Daten kann man genauer herausfinden, wie das Material verteilt sein muss, das ins schwarze Loch fällt bzw. wie und warum es vom Begleitstern zum schwarzen Loch wandert. Auch mit Radioteleskopen und optischen Teleskopen auf der Erdoberfläche wurde V404 schon beobachtet und die Astronomen erhoffen sich viele neue Erkenntnisse.
V404 Cygni wird irgendwann wieder aufhören zu leuchten – aber irgendwann auch wieder anfangen. Aus der Analyse alter Daten hat man herausgefunden, dass es schon 1938 und 1956 ähnliche Helligkeitsausbrüche gab. Es ist also damit zu rechnen, dass V404 auch in Zukunft wieder fressen und leuchten wird. Und je mehr Daten wir haben, desto besser können wir verstehen, wie dieser Prozess abläuft.
“This is definitely material for the astrophysics textbooks for the coming years.”, sagt Peter Kretschmar, der Mission Manager von Integral. Wenn das nicht vielversprechend klingt…
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