Svitlana Zhukovska vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und ihre Kollegen haben sich die roten Riesensterne noch einmal ganz genau angesehen (“Can star cluster environment affect dust input from massive AGB stars?”. Genauer gesagt: Die sogenannten AGB-Sterne. Das steht für asymptotic giant branch, also “asymptotischer Riesenast” und damit sind Sterne gemeint, die typischerweise eine größere Masse als die Sonne haben und vor allem schon weit entwickelt sind. Am Ende seines Lebens bläht sich so ein Stern ja weit auf. Und auch die Kernfusion in seinem Inneren läuft nicht mehr so ab wie früher. In ihm herrschen höhere Temperaturen, so dass nun auch außerhalb des Kerns schalenförmige Bereiche existieren, in denen verschiedene Elemente fusioniert werden können. Und diese Sterne zeigen auch meistens einen sehr starken Sternenwind. Sie erzeugen also nicht nur gleichzeitig in verschiedenen Bereichen ihres Inneren unterschiedliche neue chemische Elemente sondern pusten auch jede Menge Material aus ihrer Atmosphäre hinaus ins All. Und dann gibt es noch etwas, das sich Hot Bottom Burning nennt. Dabei geht es um die Bereich des Sterns, in denen keine Kernfusion stattfindet und in denen Konvektion für Durchmischung sorgt. Warmes Material von unten steigt auf, kühlt ab und sinkt wieder nach unten. Normalerweise sind die Konvektionszone und die Fusionszone voneinander getrennt. In einem AGB-Stern kann die Konvektionszone aber beim Hot Bottom Burning bis zur Fusionszone reichen und so direkt das ganze neue fusionierte Material hinauf an die Oberfläche und mit dem Sternwind hinaus ins All bringen.

Der Katzenaugennebel mit einem AGB-Stern in der Mitte (Bild: NASA, ESA, HEIC, and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA))

Der Katzenaugennebel mit einem AGB-Stern in der Mitte
(Bild: NASA, ESA, HEIC, and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA))

So kommen chemische Elemente in die Umgebung eines Sterns, die man dort normalerweise nicht sieht, weil sie immer im Inneren versteckt bleiben. Und sie können sich dort verbinden und verschiedenste Mineralien bilden, die dann Teil des interstellaren Staubs werden und vielleicht irgendwann mal als präsolare Körner in einem Meteorit auf der Erde landen. Aber dann sollte man eben die oben erwähnten sauerstoffreichen Verbindungen finden. Das tut man aber nicht und Zhukovska und ihre Kollegen haben untersucht, ob das vielleicht an der Umgebung der Sterne liegen könnte.

Sterne entstehen ja normalerweise nicht alleine, sondern in Gruppen. Diese Gruppen können sich dann später auflösen, aber davor gibt es jede Menge Möglichkeiten, sich gegenseitig zu beeinflussen. Wenn sich zum Beispiel ein AGB-Stern in der Nachbarschaft einiger heißer Sterne befindet, die jede Menge UV-Strahlung abgeben, dann kann diese Strahlung die Bildung sauerstoffreicher Staubkörner verhindern. Das klingt nach einer einfachen Lösung für das Problem des fehlenden Sternenstaubs. Aber die Realität ist natürlich ein wenig komplizierter. Welche Art von Staub und wie viel davon ein AGB-Stern produziert hängt zum Beispiel davon ab, welche Masse er hat. Die Masse bestimmt aber auch sein Verhalten im Geburstssternhaufen (zum Beispiel den Zeitraum, den er dort verbringt). Die Masse wiederum wird von der Masse der kosmischen Wolke beeinflusst, aus der alle Sterne des Haufens entstehen und die wirkt sich auf die Anzahl und die Art der Nachbarschaftssterne aus, die den Staub der AGB-Sterne beeinflussen können. Die UV-Strahlung der anderen Sterne kann sich mehr oder weniger stark auswirken, je nachdem ob ein AGB-Stern mehr oder weniger Staub produziert, denn wenn er sich in dicke Staubschichten hüllt, können die inneren Bereiche nicht von der Strahlung erreicht werden. Und so weiter – es ist ein kniffliges Problem mit vielen Parametern.

Zhukovska und ihre Kollegen haben nun verschiedene Modelle kombiniert, haben numerische Simulationen zur Bewegung von AGB-Sternen in Sternhaufen durchgeführt und berechnet, wie lange sie in Gesellschaft oder alleine bleiben. Sie haben untersucht welchen Mengen an UV-Strahlung die Sterne in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung ausgesetzt sind, wie viel Staub sie produzieren und wie sich das alles zusammen auf die Produktion der Teilchen auswirkt, die als präsolare Körner enden können. Die Details sind ein wenig zu komplex, um sie hier detailliert darstellen zu können – aber am Ende kommen sie zu folgendem Ergebnis: Berücksichtigt man den Einfluss der Nachbarschaft auf die Staubproduktion von AGB-Sternen, dann produzieren sie circa 20 Prozent weniger silicatreichen Staub als bisher angenommen. Und der Beitrag der massereichen AGB-Sternen zur gesamten Menge an Staub in der Nachbarschaft des Sonnensystems beträgt nicht 60 Prozent, wie man bisher gedacht hatte, sondern nur 40 Prozent.

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Kommentare (2)

  1. #1 Karl Schmid
    29. August 2015

    Diese “Urmaterie” findet man üblicherweise nach Auflösen von Meteoriten im unlöslichen Schlamm. Natürlich bleiben da Diamanten und einige Nitride übrig, die sich auch in keiner starken Säure lösen. Sauerstoffverbindungen, also die üblichen Oxide dagegen sind leichter löslich und deshalb schon nicht mehr zu finden. Es scheint demnach vor allem ein Präparationsproblem zu sein.

  2. #2 Der Gärtner
    6. September 2015

    “Aber was wäre die Wissenschaft ohne Rätsel”

    Fertig! oder Vollständig!