Johann Georg von Soldner: Ein Name, den vermutlich viele nicht kennen. Dabei hat dieser im 18. Jahrhundert geborene Wissenschaftler ein durchaus interessantes Leben geführt und ebenso interessante Dinge erforscht. Er steht mit seiner Arbeit zwischen großen Namen wie Isaac Newton und Albert Einstein und hätte dafür eigentlich ein bisschen mehr Anerkennung erfahren sollen. Immerhin hat er bei der großen physikalischen Revolution des letzten Jahrhunderts zumindest eine relevante Nebenrolle gespielt…
Johann Georg von Soldner wurde am 16. Juli 1776 in Feuchtwangen geboren. Diese kleine Stadt in Mittelfranken habe ich kürzlich besucht. Ich bin dort auf meiner Urlaubsreise vorbei gekommen, wollte aber auch den Ort sehen, an dem von Soldner aufgewachsen ist. Er war der Sohn eines Bauern und der Hof seines Vaters steht heute noch knapp 2 Kilometer außerhalb des Stadtgebietes:
Der Georgenhof ist allerdings kein Museum. Sondern immer noch ein Bauernhof – aber wenn man genau schaut, findet man eine kleine Gedenktafel an der Wand:
Die Karriere von Johann Georg von Soldner war ungewöhnlich. Er erhielt eine grundlegende Schulausbildung; das meiste brachte er sich aber selbst bei. Mit selbstgebauten Instrumenten hat er die Felder seines Vaters vermessen und Mathematik im Selbststudium gelernt. Schließlich ging er nach Berlin und erhielt dort eine Anstellung an der Sternwarte. Er arbeitete als Landvermesser, erhielt für seine Verdienste das “von” in seinem Namen verliehen, wurde Direkter der Sternwarte von Bogenhausen bei München. Er entwickelte ein Koordinatensystem das bei der Landvermessung bis in die Gegenwart hinein benutzt wird. Und er machte sich Gedanken über eine Frage, über die damals noch kaum jemand nachgedacht hatte und die erst wieder durch die Arbeit von Albert Einstein relevant wurde: Wie wird ein Lichtstrahl abgelenkt, wenn er sich in der Nähe einer großen Masse vorbei bewegt?
1804 wurde seine Arbeit “Ueber die Ablenkung eines Lichtstrals von seiner geradlinigen Bewegung, durch die Attraktion eines Weltkörpers, an welchem er nahe vorbei geht” publiziert. Ausgehend von der Newtonschen Vorstellung von Licht als Teilchen und unter Berücksichtigung der Newtonschen Mechanik, mit der sich der gravitative Einfluss von Himmelskörpern beschreiben lässt, hat Soldner berechnet, was mit Lichtstrahlen passiert, wenn sie aus dem All in Richtung Erde kommen.
Wir sind es gewohnt, Lichtteilchen als “masselos” zu betrachten. Aber das gilt nur für die sogenannte “Ruhemasse”. Würde sich ein Lichtteilchen nicht bewegen, hätte es eine Masse gleich null. Aber Licht bewegt sich. Jedes Lichtteilchen hat eine gewisse Energie, die einer gewissen Masse entspricht und Soldners Frage ist in diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll. Bei seinen Berechnungen kommt er zu dem Schluss, das der Einfluss der Masse der Erde auf einen Lichtstrahl so gering wäre, das keine Chance bestünde, diesen Effekt zu messen. Aber bei der größeren Masse der Sonne sieht das anders aus:
“Wenn man in der Formel für tang ω die Beschleunigung der Schwere auf der Oberfläche der Sonne substituirt, und den Halbmesser dieses Körpers für die Einheit annimmt, so findet man ω=0″,84.”
schreibt Soldner. Der Winkel von 84 Bogensekunden den er für die Ablenkung eines Lichtstrahls in der Nähe der Sonne berechnet hat, ist zwar gering, müsste aber messbar sein. Würde man also Sterne beobachten, die sich am Himmel in umittelbarer Nähe der Sonne befinden, dann würde ihre Position ein klein wenig von der wahren Positionen abweichen, wie Soldner richtig erkennt:
“Wenn man Fixsterne sehr nahe an der Sonne beobachten könnte, so würde man wohl darauf Rücksicht nehmen müssen.”
Die Möglichkeit solche Beobachtungen durchzuführen, verwirft Soldner dann aber.
Wer sich mit dem Thema beschäftigt hat, wird bemerken, dass genau solche Beobachtungen aber im Jahr 1919 durchgeführt worden sind. Ich habe darüber früher schon mal geschrieben: Damals hatte der britische Astronom Arthur Eddington eine Sonnenfinsternis genutzt, um Sterne in unmittelbarer Nähe der Sonne vermessen zu können. Es ging ihm allerdings nicht darum, von Soldners Vorhersage zu überprüfen. Eddington wollte eine ganz andere Hypothese testen: Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie! Darin hatte Einstein im Jahr 1915 ja die Newtonsche Gravitationstheorie erweitert und auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Massen wie die Sonne sollten den gesamten Raum krümmen und Lichtstrahlen würden dieser Raumkrümmung folgen. Auch Einstein kam also zu dem Schluss, das Lichtstrahlen in der Nähe der Sonne abgelenkt würden; der Effekt in seiner Theorie war allerdings doppelt so groß wie das Ergebnis von Soldner. Und tatsächlich zeigten die Messungen von Eddington, dass die Vorhersage von Einstein korrekt war und nicht die, die auf der Newtonschen Gravitationstheorie basierten. Mit dieser Bestätigung wurde Einstein weltberühmt und seine Karriere als internationales und vor allem öffentlich bekanntes “Genie” begann erst so richtig.
Kommentare (25)