Die Geschichte hat noch ein paar weitere unangenehme Details: Die ersten Berechnungen zur Lichtablenkung hatte Einstein noch mit einer unvollständigen Theorie berechnet. Damit kam er auf einen Wert, der dem von Soldner sehr ähnlich war. Erst später, nach Abschluss der Arbeit an der allgemeinen Relativitätstheorie wurde der doppelt so große Wert publiziert. Hinzu kamen Druckfehler in Soldners Arbeit aus dem 19. Jahrhundert (siehe hier für Details), bei denen ein Faktor 2 verloren ging so dass es in manchen Ausgaben so aussah, als hätte er damals schon Wert berechnet, den später Einstein publizierte. Das alles führte dazu, das der Physiker und Nobelpreisträger Philip Lenard Albert Einstein beschuldigte, die Arbeit von Soldner plagiiert zu haben. Also Nazi-Sympathisant und Antisemit war Lenard ein erbitterter Gegner von Einsteins Theorien (er gab später auch ein großes Lehrbuch zur “Deutschen Physik” heraus, in dem er angebliche Alternativen zu “jüdischen” Theorien wie Quantenmechanik oder Relativität präsentierte). Aber seine Anschuldigungen konnten sich nicht durchsetzen und mittlerweile ist die Geschichte historisch und wissenschaftlich weit genug aufgearbeitet um klar zu stellen, dass Einstein nicht von Soldner abgeschrieben hat und die beiden Werte sich tatsächlich um einen Faktor 2 unterscheiden.
Johann Georg von Soldners Vorhersage war also falsch. Aber das kann man ihm nicht unbedingt vorwerfen. Seine Rechnung war im Kontext der damals vorherrschenden Newtonschen Physik absolut korrekt und sie war vor allem einzigartig. Er war zwar nicht der erste, der sich Gedanken über dieses Thema gemacht hat (vor ihm hatte zum Beispiel auch schon Henry Cavendish darüber nachgedacht, seine Überlegungen aber nicht publiziert). Aber er war der erste, der die Sache von vorne bis hinten komplett durchgerechnet hatte. Als Landvermesser war er sich im Klaren darüber, dass man immer probieren sollte, alle möglichen Effekte zu kennen, die ein Phänomen bestimmen. Nur dann kann man die Fehler bei Messungen so klein wie möglich halten. Und selbst wenn die Auswirkungen so klein sind, dass sie kaum auffallen, lohnt es sich, über sie Bescheid zu wissen, wenn man ein Phänomen wirklich verstehen will, wie von Soldner schreibt:
“Uebrigens glaube ich nicht nöthig zu haben, mich zu entschuldigen, daß ich gegenwärtige Abhandlung bekannt mache; da doch das Resultat dahin geht, daß alle Perturbationen unmerklich sind. Denn es muß uns fast eben so viel daran gelegen seyn, zu wissen, was nach der Theorie vorhanden ist, aber auf die Praxis keinen merklichen Einfluß hat; als uns dasjenige interessirt, was in Rücksicht auf Praxis wirklichen Einfluß hat. Unsere Einsichten werden durch beyde gleichviel erweitert.”
Damit hat er völlig Recht!
Wenn ihr mal in der Region seit, macht doch mal einen kurzen Ausflug nach Feuchtwangen. Die Stadt ist klein, hat aber einen schönen alten Kern.
Abgesehen vom Georgenhof gibt es allerdings dort nicht mehr viel, was an von Soldner erinnert. Es gibt eine kleine Nebenstraße, die seinen Namen trägt:
Und eine Schule, die zur Zeit meines Besuchs allerdings eine große Baustelle war:
Aber dafür könnt ihr euch das einzige Chormuseum Deutschlands ansehen. Immerhin… Obwohl ich ja ein Geodäsie/Landvermessungs-Science-Center auch passend fände. Und das wäre in Deutschland sicherlich auch einzigartig…
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