Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
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Wir fliegen in aller Ruhe vom Mond kommend Richtung Erde, nähern uns ihr Stunde um Stunde, und als schon ein großer Teil unseres Gesichtsfeld von blauem Wasser und großen Wolkenformationen eingenommen wird, scheint es uns hinabzuziehen.
Wie auf dem Sprungturm im Schwimmbad, den wir über rutschige Leitern bestiegen und uns schrecklich schöne Schauer über den Rücken laufen ließ. Es zog uns beim Blick hinab in die Tiefe und wir hielten uns am Geländer fest, bis die Freundin hämisch grinste und wir tatsächlich dann in die Tiefe fielen, so lange und immer schneller und der harte Aufprall auf dem Wasser uns schwören lies, es höchstens nur noch einmal zu tun.
Seit Monaten lebten wir in der uneingeschränkten Schwerelosigkeit. Wir ließen Wasserkugeln schweben und saugten sie mit unseren Mündern auf. Unsere Bewegungsabläufe kannten keine Beschränkungen durch Gewichte oder beschwerliches Auf- und Absteigen über Leitern. Schalter und Module waren dort angebracht, wo sie am meisten Sinn in ihrem Nebeneinander machten.
Nach ein paar Tagen Arbeit in der Schwerelosigkeit blickten wir kurz über die Schulter auf die nächsten Apparaturen, die nun zu bedienen seien und freuten uns über die Leichtigkeit ihrer Erreichbarkeit.
So sinnig und einfallsreich und so frei von dem Zwang Oben oder Unten sein zu müssen. Von Tag zu Tag genossen wir mehr eine Freiheit, von deren Fehlen wir im täglichen Leben nie etwas ahnten.
Die Versuche mit den Weichtieren und Fischen hatten mit ihrer Nahrung und den Geräten zum Erhalt ihrer Biotope stattliche Ausmasse angenommen. Die eigentliche Bordinstallation wurde scheinbar ignoriert, wenn nachher Versuchsaufbauten darüber installiert wurden, die ihre Verbindungen von überall her im Raum zu beziehen schienen.
Aber in der Schwerelosigkeit war das unproblematisch, was das ständige Arbeiten mit den Versuchen betraf und die vielen Umbauten, die ständig nötig waren. Alles war leicht handzuhaben, selbst schwere Gegenstände schwebten leicht im Raum und warteten geduldig auf ihren Einsatz. Das Drehen und Wenden im Raum ließ uns auf die vielen sich ständig wiederholenden Arbeiten freuen und wir halfen uns gegenseitig wo es nur ging. Gegenstände uns aus mehreren Metern Entfernung zufliegen zu lassen, war eine Freude und der Spass an der wissenschaftlichen Versuchsdurchführung wurde durch die schwerelosen Umstände zu einem emotionalen Erlebnis. Wir lebten in den Versuchen und wurden deren Teil. Nie schrieben wir in die trockenen Daten der Versuchswerte unser Empfinden, wenn wir vor Aquarien schwebten, in Beeten den Chlorophyllgehalt oder unsere eigenen Körper vermaßen.
Lebte der Mensch über Generationen so, würde er sich sicher körperlich verändern. Die Gegenstände sind keiner Schwerkraft ausgesetzt, aber ihre Trägheit bleibt vorhanden. Zieht man an einer schweren Einrichtung, muss man sich irgendwo festhalten. Deshalb sind überall Griffe und Fussschlaufen vorhanden. Würde jetzt auf der Erde die Reibung auf dem Boden das Weitergleiten verhindern, so muss man es hier mit eigenen Kraft wieder abbremsen. Hier sind aber alle Gegenstände sehr auf Leichtigkeit ausgelegt, wodurch dieses Trägheitsproblem mit dem Arbeitsgerät nicht so ins Gewicht fällt.
Aber die Sache mit dem menschlichen Körper wird diffus fühlbar. Wir sind das Ergebnis einer Evolution in einer Gasmischung unter dem Druck von einem Bar, wobei über die gesamte Entstehung unsere irdische Gravitation wirkte.
Die Bewegungen der Fische sehen in den Tank normal aus, ihr Auftriebssystem funktioniert beim genauen Hinsehen allerdings auch nicht. Sie bauen mit der Zeit ab, genau wie unser Immunsystem, Knochen und Muskeln.
Wir sitzen in einem überschallschnellen U-Boot in leichter Campingtechnik mit kotzenden Barschen.
Nicht so wie im heimischen Labor, aber sehr menschlich funktional. Es stimmt aber trotzdem etwas nicht. Mit der Zeit kommt langsam das Gefühl auf, dass die menschliche Existenz in diesem Raum nicht überleben kann. Eine asiatische Interpretation würde sicher einen Fluss vermissen, der den Körper vom Kopf zu den Füßen durchströmte. Vielleicht entwickeln sich moderne Wohnzimmer in diese Richtung. Geschlossene Jalousien, elektronische Geräte, keine Pflanzen und Wasser, künstliche Materialien und einsame Menschen. Man möchte mit vielen Menschen singen und an Flüssen durch Wälder wandern.
Wie kann man nur glauben, dass man an so einem Ort leben möchte? So gut können die Barsche nicht schmecken und meine Augen suchen nach etwas Ästhetischem, etwas Schönem. Als ich an den Pflanzenblättern entlang schaute, erschrak ich fast bei dem Anblick eines frischen Sprosses. Ich wusste nicht warum. Ob etwas nicht stimmte damit. Ich schaute und sah es mir an und wunderte mich und konnte dieses Gefühl nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich war es einfach nur schön, und das mir, der mit dem Gärtnern nie etwas am Hut hatte. Und ich wollte aus diesem Beet nicht wieder wegblicken. Nicht in den summenden Raum hinter mir und vielleicht die Frage aus dem Kontrollzentrum beantworten müssen, was ich dort gesehen hätte. Diese ständigen Kameras! Einmal wurde das Licht in dem Raum von der Erde aus abgeschaltet, weil jemand dachte, das niemand dort wäre. Vor vielen Jahren machte das meine Mutter in meinem Zimmer und suchte mich dann überall im Haus.
Ich weiß, dass wir der Erde immer näher kommen.
Den Zeitpunkt für die Eintrittssequenz habe ich verpasst und die Automatik konnte nicht starten, weil ich an einem einzigen Kabel gezogen habe. Vor ein paar Tagen war ich an dem Rechner beschäftigt und mein Gehirn kombinierte alle Ereignisse und Ergebnisse der letzten Zeit zu diesem Entschluss.
Es war völlig klar, dass dieses Kabel alles beeinflussen würde und ich will weder das Resultat an mich heranlassen, noch diesen Entschluss nachvollziehen. Ich verdrängte es und konzentrierte mich auf meine Arbeit, aber die Aktion machte mir Tag um Tag mehr zu schaffen und ist nun ständig präsent.
Natürlich will ich zurück in meine Heimat, aber was muss ich noch alles tun bis dahin. Die Landung, die Arbeit am Boden und ich will in die Natur. Die Fahrt nach Hause und die Gespräche mit meinen Leute, dabei will ich etwas wachsen sehen. Überall für Ordnung sorgen, allen Menschen und Fragen gerecht werden und ich will die Ruhe der gesunden Tiere erleben. Wie lange soll das dauern, bis ich endlich an dem Fluss im Wald entlanglaufe und die Kinder Äste aufsammeln sehe?
Solange kann ich nicht warten und ich brauche diesen Fluss durch den Körper. Es soll mich durchfliessen, die Gravitation der Erde soll mich ergreifen und mich zu Boden schmettern. Ich sehne mich nach der Kraft, die mich fest auf den Boden drückt und mich vom Kopf bis zu den Füssen durchfließt. Es soll alles wieder in Ordnung sein mit mir. Alle Zellen wieder richten und meine DNA wieder heilen.
Die oberen Teile der Atmosphäre durchfliegen wir schon und leider sind wir viel zu schnell, als dass das alles ein gutes Ende nehmen könnte.
So viele Jahre habe ich täglich Hunderte richtiger Entscheidungen getroffen, weit überdurchschnittlich und weltweit nur mit Wenigen vergleichbar. Dieses Kabel war wie der Blick von dem Sprungturm und irgendetwas hat entschieden, zu springen, es zu trennen. Ich will das nicht und bin schockiert. Meine Auffassungsgabe scheint von ausserordentlicher Schärfe und Präzision zu sein, sonst wäre ich wohl nicht hier. Aber das soll logisch sein?
Die Deduktionen sind Ahnungen, glitschig, kaum zu fassen. Oft habe ich intuitiv nach diesen Eingebungen agiert und anerkannte Resultate erreicht. Es ist anstrengend und nervenaufreibend, bis sich am Ende alles als richtig herausstellt.
Am Ende dieser Entscheidung wird mein persönliches Ende stehen.
Hoffen wir mal, dass der Sinn dieser Aktion diesen Verlust wieder ausgleicht.
Eine gewisse Unruhe kommt nun in den Flugkörper, knapp sechs Minuten noch bis zum Aufschlag. Vorher wird die Temperatur um etliche Hundert Grad hier steigen.
Die Schwerkraft wird nicht lange an mir wirken können, um alles wieder ins Lot zu bringen. Allerdings wird gleich die bremsende Wirkung der Atmosphäre einsetzen, was mich sicher fest auf den Boden drücken wird und dann geht es hoffentlich schnell. Die 6 Grad des optimalen Eintrittswinkels sind nicht eingeregelt worden, wahrscheinlich geht es unter 45 Grad rein, vielleicht noch steiler. Die Bremswirkung und Hitzeentwicklung werden extrem werden.
Es wäre schön gewesen, noch mal mit beiden Füßen auf der Erde stehen zu können, aber das hätte ein paar Tage Übung gebraucht.
Das Schlimme ist, dass ich die Schwerkraft aus der nicht mehr spüren werde. Das ist besonders tragisch. Keine Sekunde wird mich die ersehnte Gravitation umfangen können, dieser Bremsvorgang wird bei weitem alles überdecken.
Physikalisch ist beides identisch und bestimmt wäre es nicht soweit gekommen, wenn das Gefährt wenigstens rotiert hätte, um ein bisschen Zentrifugalkraft auf mich wirken zu lassen. Aber in meiner verwundeten Seele herrscht ein grosses Verlangen nach Gravitation und nicht nach einem bremsenden Fahrstuhl. Die Experimente hätten in einem nichtrotierendem Modulteil stattfinden können und das Rotierende wäre zur Erholung gewesen.
Das beim Rückfall auf die Erde keine Schwerkraft wirkt, solange man sich nicht gegen die Gravitation stemmt, ist außerordentlich.
Die Gravitation beschleunigt den Raum und nur indirekt die darin befindlichen Massen!
Das bedeutet, dass die Netzknoten des Quanten-Loop-Raums, wie das Geschirr auf einer Tischdecke, Richtung Gravitationsmittelpunkt gezogen werden. Damit werden dann auch die Knotenkombinationen, die Elementarteilchen mitgezogen.
Diese laufen auf der Planetenoberfläche auf und werden weiter auf sie gezogen, da die Netzknoten weiterhin unter ihnen hergezogen werden.
Und die Knotenkombinationen ihrerseits verursachen die Bewegung der Netzknoten.
Je mehr Kombinationen ziehen, desto höher wird die Kraft der inneren Teilchenmenge auf die Äußeren und die Gravitation wird stärker.
Ich wollte mir diese Theorie schon immer mal angeschaut haben und nun ist es zu spät. Aber die Sichtweise kommt mir plötzlich so zwingend vor.
Und vor allem müssen die Knotenkombinationen nicht bekannten Elementarteilchen entsprechen. Sie können völlig unbekannte Kombinationen sein, die nicht mit den uns bekannten Elementarteilchen interagieren und für sich ein eigenes Universum darstellen. Und da hätten wir dann die Parallelwelten, die ineinander verwoben, nebeneinander existieren.
Wobei eine parallele Negativwelt zu unserer schon fast unumgänglich ist, da unsere Knotenkombinationen einer Anregung bedürfen, die durch eine zweite symmetrische Seite in ihrem Dasein erzwungen werden.
Aber die unbekannten Kombinationen sind die Rettung, da mir Einiges klar wird und der Eintrittswinkel und die anderen Einstellungen auf einmal Sinn machen. Wir durchstossen die Milliarden-Giga-Elektronen-Volt-Barriere zur anderen Seite!
Es ist tatsächlich so, dass nichts verbrannt oder detoniert ist. Von dort, wo wir nun sind, können wir uns über diesen Kanal mit euch verständigen.
Bleibt im Internet, es ist die Verbindung zu uns auf der anderen Seite.
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Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von “Winni” geschrieben.
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