In der griechischen Antike war also nicht nur schon bekannt und akzeptiert, dass die Erde eine Kugel ist; man kannte auch ihre Größe schon ziemlich gut. Natürlich gab es vereinzelt Leute, die anderer Meinung waren. Einige der frühen christlichen Gelehrten hielten die Kugelform der Erde für einen Widerspruch zu den Texten der Bibel und lehnten sie deswegen ab. Andere störten sich an scheinbar physikalischen Absurditäten: Wenn die Erde rund ist, warum fallen die Menschen auf der “Unterseite” nicht von ihr herab? Aus heutiger Sicht mag uns so ein Gedanke seltsam erscheinen aber damals hatte man auch noch kein vernünftiges Konzept für die Wirkung der Gravitationskraft.
Trotzdem waren die Kritiker nicht zahlreich und ihr Einfluss hielt sich in Grenzen. Das war auch im europäischen Mittelalter so. Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung war auch damals allen halbwegs gebildeten Leuten bewusst, dass die Erde eine Kugel ist. An eine flache Erde dachte niemand; auch nicht Christoph Kolumbus. Seine Reise über das Meer war auch nicht deswegen umstritten, weil man davon ausging, er würde irgendwann das Ende der Erde erreichen und dann von ihr herunter fallen. Man war sich vor allem uneins darüber, wie groß die Erde war und ob die Bedingungen auf den noch unbekannten Teilen nicht völlig lebensfeindlich wären.
Columbus wollte ja auch nicht nach Amerika, er wollte nach Asien. Anstatt komplett um Afrika herum zu segeln, schlug er vor, um die Erde herum zu fahren und China von der anderen Seite her zu erreichen. Das war zwar ein origineller Plan, aber auch einer, der nicht unbedingt auf dem besten verfügbaren Wissen basierte. Columbus ignorierte die Berechnungen von Eratosthenes und anderer Experten und ging von einer viel kleineren Erde aus. Einer so kleinen Erde, dass eine Fahrt “hinterum” nach China durchaus machbar und effizient gewesen wäre. Aber die Erde war nicht so klein, wie Columbus sich das vorstellte und wenn er nicht zufällig Amerika angetroffen hätte, wäre seine Mission dramatisch gescheitert.
Das Bild der Erde als Kugel war also schon damals eines mit einer langen Tradition – und änderte sich erst dann wieder, als mit Isaac Newton und seiner mathematischen Beschreibung der Gravitationskraft die moderne Wissenschaft im 17. Jahrhundert begann. In der Neuzeit begann die Ära der großflächigen Landvermessung; es wurden immer genauere Landkarten gezeichnet und die Wissenschaft der Geodäsie, also die Beschreibung der Oberfläche und der Form der Erde begann sich ernsthaft zu entwickeln. Im 17. und 18. Jahrhundert vermaßen Wissenschaftler den Erdradius immer genauer und stellten dabei fest, dass unser Planet keine exakte Kugel ist. Die Strecke vom Erdmittelpunkt zum Äquator ist nicht genau so lang wie die Strecke vom Mittelpunkt zu einem der beiden Pole. Die Erde ist nicht kugelförmig, sondern ein sogenanntes Ellipsoid. Das hatte schon Isaac Newton (und mit ihm auch noch andere Wissenschaftler) vorhergesagt. Denn die Erde rotiert um ihre Achse und durch die wirkenden Fliehkräfte sollte sie daher ein wenig abgeplattet sein. Sie ist am Äquator quasi ein wenig dicker – aber um das zu erkennen muss man schon wirklich genau messen. Der Radius der Erde gemessen an den Polen unterscheidet sich nur um 21 Kilometer von dem, den man am Äquator messen kann. Und da die Erde einen mittleren Radius von 6371 Kilometer hat, fällt diese geringe Abweichung kaum auf.
Heute weiß man, dass die Erde weder eine Kugel, noch ein Ellipsoid ist. Ihre wahre Form lässt sich nicht durch einen simplen geometrischen Körper beschreiben. Unser Planet hat jede Menge Dellen und Ausbuchtungen die daher rühren, dass die Masse der Erde nicht gleichmässig verteilt ist. An manchen Stellen existieren im Inneren des Planeten Konzentrationen von Materie, anderswo ist sie ein bisschen weniger dicht. Das verändert die Stärke der an einem bestimmten Ort an der Oberfläche wirkenden Anziehungskraft. Dort wo sie stärker ist, gibt es eine “Delle” in der Form der Erde; wo sie schwächer ist, findet man eine Ausbuchtung. Mittlerweile kann man so etwas gut mit Satelliten aus dem Weltall messen. Denn auch diese künstlichen Himmelskörper werden bei ihrer Bewegung um den Planeten durch seine unregelmäßige Form beeinflusst. Der Satellit rückt ein wenig näher an die Erde heran, wenn er einen Bereich mit erhöhter Schwerkraft überfliegt und entfernt sich, wenn die Anziehungskraft schwächer ist. Der Abstand zum Satelliten kann genau gemessen werden und so erhält man entsprechende Karten, die all die kleinen Unregelmäßigkeiten der Erdform zeigen.
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