Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
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Wenn Naturwissenschaftler für das breite Publikum schreiben, arbeiten auch solche, die ihr Themengebiet klar und nachvollziehbar darlegen können, regelmäßig mit geradezu kindlich wirkenden Appellen an die Faszination des Lesers.
„Das Universum ist cool“ bewirbt sich etwa dieser von mir sehr geschätzte Astronomieblog, und zahlreiche Artikeln beginnen etwa derart: „Kometen sind cool“; „Magneten sind toll“; „Es ist immer cool, wenn man Dinge auf andere Dinge schmeißen kann“. Was den Leser begeistern soll klingt mindestens ebenso sehr, als solle es den Autor der Bedeutung seines Gegenstands versichern. Sachlichen Informationen soll eine zwischenmenschliche Ebene der Bedeutung verliehen werden. Aber überzeugt das?
Feuerball und Raketenendstufe
Vor einigen Jahren zur Weihnacht war am Nachthimmel ein Feuerball zu beobachten, der zu den auffälligsten Himmelsereignissen seit dem Kometen Hale-Bopp gehören dürfte. Als Meteor, der in der Erdatmosphäre zerbrach erschreckte er und ließ viele Menschen in Ehrfurcht zum Himmel blicken. In Gesprächen kurz nach der Beobachtung und frühen Kommentaren in Online-Foren kam eine Begeisterung zum Ausdruck, die ihresgleichen suchte. Doch wie groß war die Enttäuschung, teilte man den Gesprächspartnern mit, es handele sich mitnichten um einen Asteroiden, sondern um die Endstufe einer Sojusrakete, die aus Russland auf dem Weg zur Internationalen Raumstation war.
Schnell stand zwar auch hier eine kleine, besonders eifrige missionarische Fraktion Naturwissenschaftler auf dem Plan, größtenteils wohl im weiteren Sinne dem Spektrum des neuen Atheismus zuzuordnen, und predigte: Viel begeisternder sei doch, noch viel bedeutender als ein Asteroid, dass es dem Menschen möglich sei Raketen ins All zu schießen! Allein, Begeisterung, Ehrfurcht gar, lässt sich nicht herbeipredigen. Großartig war der Anblick, aber die Haltung dazu hatte sich geändert.
Panstarrs und Kondensstreifen
Im Frühjahr 2013 dann war der Komet Panstarrs, meist nur schwach, am Abendhimmel zu sehen. Im Fernglas jedoch eine durchaus beeindruckende Himmelserscheinung. Ich habe den Kometen immer wieder beobachtet wie er neben dem Turm eines alten Bergwerks unterging und bin mir nicht sicher ob mich dieser Anblick nicht sogar stärker berührt hat als Hale-Bopp 1997 (die anderen großen Kometen der letzten Dekade habe ich verpasst, West, Hyakutake und McNaught).
Mehrere Tage habe ich auf meinem Beobachtungspunkt auf einer Anhöhe ausgeharrt und Menschen den Kometen gezeigt. Und oft musste ich andere Beobachter zügeln, die kurz nach Sonnenuntergang glaubten, eine spektakuläre Kometenerscheinung entdeckt zu haben. Es waren jedes Mal die Kondensstreifen eines Flugzeugs.
Und wieder diese Enttäuschung, dabei ist doch in phänomenologischer Hinsicht das Flugzeug im Abendrot tatsächlich weitaus eindrucksvoller als ein schwacher Komet.
Schon vernehme ich die Prediger: „Ist es auch! Welch ein Beleg für menschliche Größe. Hunderte Tonnen Stahl erheben sich in die Luft“.
Das Erhabene
Wäre der Fortschritt der Menschheit gleich dem technischen Fortschritt hätten sie Recht. Doch beides ist nicht nur nicht gleich, sondern in der bloßen Optimierung der Funktion ist noch nicht einmal eine Idee enthalten, was Menschheit überhaupt bedeuten könnte. Eine solche Idee steckt aber in den Gefühlen und Reaktionen, die Kometen und Asteroiden, ferner auch hohe Gebirge und das Meer auslösen. Gefühle und Reaktionen die man mit Kant als das Erhabene (besser vielleicht als das Bewusstwerden des Erhabenen) qualifizieren kann. Niemand muss uns sagen dass Kometen “cool” sind, die Reaktion erfolgt beinah automatisch.
“Erhaben nennen wir das, was schlechthin groß ist”, so Kant. Präzisiert werden müsste „schlechthin“; als verhältnislos nämlich, verhältnislos in dem Sinne, als dass es nicht innerhalb menschlicher Verhältnisse sondern im Verhältnis zum Menschen groß ist. Naturgewalt also, die noch nicht der Herrschaft und Kontrolle praktischer Vernunft unterliegt. Kometen und Asteroiden erfüllen diese Bedingung, menschengemachte Gegenstände, so faszinierend sie sein können, selten (Kant zufolge stellt sich eine Vorstellung von Erhabenheit in Kathedralen ein, die Naturgewalt hier ist das „Göttliche“ im Menschenwerk, eine Residuum hiervon blieb auch nach dem durch Nietzsche sprichwörtlich gewordenen „Tod Gottes“. Flughäfen lösen ein ähnliches Gefühl in Kindern aus, allerdings verfliegt dieses Gefühl meist mit der Kindheit).
Versuche diesen Unterschied zu nivellieren sind müßig und sogar inhuman dann, wenn das Erhabene in seiner Bedeutung für die menschliche Erfahrung letztendlich bestritten werden soll.
Denn die Erfahrung des Erhabenen ist ein (vor)-ästhetisches Urteil, das tatsächlich jenseits primärer Triebe eine der wenigen kulturellen Eigenschaften darstellt, die allen Menschen gemein zu sein scheint; Menschheit, Menschlichkeit sind darin wenn nicht aufgehoben, doch angedeutet. Das Erhabene verweist auf Transzendenz, die nicht religiös sein muss. Innerweltliche Transzendenz: Es setzt die Menschen in ein allgemeines Verhältnis zur Welt.
Wer die Erfahrung des Erhabenen kontrafaktisch zu aller Erfahrung negiert, um die Technik zu feiern, befeuert nicht den Fortschritt sondern festigt die aller technischen Entwicklungen zum Trotz noch immer alles andere als ideale Realität in Permanenz.
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