Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
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Wie schon in einigen meiner früheren Blogeinträgen auf https://crownedshrew.blogspot.co.at erläutert, gehöre ich zu den wenigen Freaks, die ein sogenanntes Orchideenstudium, nämlich das Individuelle Diplomstudium Keltologie, inskribiert hatten und das auch trotz Abschaffung durchgezogen haben.
Das mit dem Durchziehen war jedoch nicht immer einfach, besonders die letzten Monate vor der gefürchteten Deadline – dem Todestag meines geliebten Studiums – haben sich als Erlebnis der besonderen Art herausgestellt.
Deswegen möchte ich euch meine Highlights während dem Diplomarbeit-Schreiben skizzieren. Aus Platzgründen setze ich sowohl die Ärgernisse beim richtigen Zitieren, dem Erstellen der Bibliographie und Formatieren, als auch den chronischen Sexentzug, unvorhersehbare emotionale Schwankungen und einen gereizten Gemütszustand als allgemein bekannt voraus.
Episode 1) Themensuche und Recherche
März – Oktober 2014:
Als sich die schmerzhafte Erkenntnis einstellte, dass mein Wunschthema für die Diplomarbeit unmöglich in nur einem Jahr abzuhandeln wäre, musste Ersatz her. Mein Prof gab mir also eine kleine Auswahl an Themen über mittelwalisische Literatur, die noch zu behandeln wären. Etwas enttäuscht wählte ich also “Die Geschichte der Sieben Weisen Meister aus Rom”, die im Mittelalter eine beliebte und weit verbreitete Lektüre war und deswegen unter anderem auch ins Mittelwalisische übersetzt wurde. Eine Geschichte über Sex, Macht, Verrat, Betrug und das Geschichtenerzählen. The real Game of Thrones. Ich kaufte zwei Bücher darüber, in denen ich im ersten Anflug an Motivation die wichtigsten Schlagwörter heraussuchte… und das war’s.
Geldverdienen stellte sich nämlich als irgendwie essentieller heraus, als für die Diplomarbeit zu recherchieren. Also machte ich in diesen Monaten insgesamt 3 Jobs und verdiente mir einen netten Vorrat an Geld, welcher in den Monaten September bis Oktober leider wieder flöten ging, da meine Katze eine teure OP und zig Tierarztbesuche brauchte.
“Scheiß Studentenleben. Wieso will ich dieses Studium überhaupt beenden? Ist ja eh alles unnötig und nervig. Will lieber Geld verdienen und mir mein bescheidenes Leben leisten können…”
Oktober 2014:
Am 30. April 2015 wird mein Studium abgeschafft. Eigentlich wäre es wirklich dämlich und schade, dieses nicht abzuschließen. Also habe ich mich überwunden und doch zu recherchieren begonnen. Ich reduzierte meine Arbeitszeiten wieder auf 16h pro Woche im Nagelstudio und machte mich ans Werk.
Zwischen “Oh, die Geschichte ist interessanter als gedacht!” und “Wow, da geht’s ja heftig zu!” regten sich erste Zweifel: Ist das Thema keltologisch bzw. wissenschaftlich genug? Kann ich überhaupt irgendeine Fragestellung erarbeiten und diese auch befriedigend beantworten? Wie gehe ich an diesen Haufen an Literatur überhaupt heran? Die Zeit wird knapp!
Mein Betreuer motivierte mich zwar weiter zu machen, aber war selber mit der Masse an Diplomanden die er zu betreuen hatte etwas überfordert, und ich wurde quasi mir selbst überlassen.
November 2014:
Ich fand ein äußerst interessantes Detail der Geschichte, worauf ich meine ganze Diplomarbeit aufhängen wollte und war entzückt! Dann fand ich heraus, dass dieses Detail genau auf die mittelwalisische Version NICHT zutrifft und mein Plan war zerstört. Frust.
Nachdem ich also die Sekundärliteratur gelesen hatte, fand ich endlich eine englische Übersetzung des mittelwalisischen Texts aus 1892 als Nachdruck und bestellte dieses Buch. Es stellte sich heraus, dass dieser Nachdruck durch diverse Scanvorgänge, Weißabgleiche und Kontrastverstärkungen fast unleserlich geworden war. Die kleinen Bögen von n, m, und r waren kaum noch zu erkennen und i-Punkte genauso wenig. Ich beschloss also in mühevoller Kleinstarbeit den Text, der auf den ersten Blick nur aus senkrechten Stricherln bestehen zu schien, zu rekonstruieren und abzutippen, fühlte mich dabei schon fast, als würde ich ein originales mittelalterliches Manuskript transkribieren.
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