Endlich durfte ich zu meinem Prof, um meine 90 Seiten Diplomarbeit zu besprechen. Zu meiner großen Verblüffung hatte er inhaltlich nichts auszusetzen sondern gab mir nur noch ein paar Tipps zu zusätzlicher Literatur, die ich hier und dort noch zitieren sollte. Sein größter Kritikpunkt betraf meine Beistrich Fehler, aber damit konnte ich leben. Mit einem seltsamen, unbekannten Gefühl von Befreiung, Bestätigung und Stolz arbeitete ich also weiter meine Diplomarbeit aus.
Ende Jänner kam der Montag meiner letzten Prüfung. Das kleine Wahlfach auf der Germanistik, bei dem ich mitten im Semester eingestiegen war, es am letzten Vorlesungstag vor der Prüfung irgendwie schaffte von einem Kollegen eine vollständige Mitschrift meiner verpassten Sitzungen zu organisieren, und für die ich brav das ganze Wochenende gelernt und mir alte Mittelalterfilme reingezogen hatte. Am Abend war die Prüfung, zu Mittag kam mir schleichend die Idee, dass ich mich vermutlich online zu dieser Prüfung hätte anmelden sollen, wie es mittlerweile ja überall gängig war – außer auf der Keltologie, wo man einfach zur Prüfung kam und sich per Hand ins Protokoll eintrug. Die Onlineanmeldung war natürlich schon gesperrt. Nach einer kleinen Panikattacke und der Angst, meinen 2. Studienabschnitt (und folglich das ganze Studium) nur wegen meiner eigenen Blödheit nicht abschließen zu können, beschloss ich, trotzdem zur Prüfung zu gehen und im Notfall einen hysterischen Heulkrampf zu bekommen, sollte der Prof mich nicht zur Prüfung antreten lassen wollen. Mit nervös bedingten Bauchschmerzen wartete ich also gut vorbereitet auf Einlass in den Hörsaal. Als ich den Prof schließlich fragte, ob ich die Prüfung schreiben dürfte, ohne online angemeldet zu sein, und das Schlimmste befürchtete, antwortete er: “Aber natürlich!” Zum Glück liefen die Dinge auf der Germanistik noch ähnlich “Oldschool” ab wie bei uns, und ich schrieb erleichtert meine Prüfung, die nach einem Monat mit einem Einser benotet wurde. Jackpot!
Episode 3) Wer Familie hat, braucht keine Feinde mehr
Ende Jänner:
2 Tage nachdem ich meine glorreiche Germanistik-Prüfung geschrieben hatte, ereilte mich er E-Mail ein Schreiben des neuen Anwalts meines Vaters, welcher sich darüber aufregte, dass seine Tochter immer noch studierte und kein Ende (!) in Sicht sei. Er fragte, ob man ihn nicht von der nervigen Pflicht Alimente bezahlen zu müssen befreien könnte, da die Tochter doch bestimmt schon selbsterhaltungsfähig sei.
Also verschiss ich einen ganzen Tag damit, diverse Dokumente, Lohnzettel, Mietvorschreibungen und andere Dinge zu suchen, zu scannen und meinem Anwalt zu schicken, damit dieser die Vorwürfe dementieren konnte. Mal von der emotionalen Belastung abgesehen, war ein ganzer Tag des Diplomarbeit-Schreibens verloren gegangen.
Mehr dazu unter https://crownedshrew.blogspot.co.at/2015/06/7-vatertags-special.html
Episode 4) Studienabschnitts-Tetris
Anfang Februar:
Die Semesterferien hatten begonnen, aber ich konnte sowieso nicht mehr zwischen Ferien und Nicht-Ferien unterscheiden. Bevor ich mich wieder meiner Diplomarbeit widmen wollte, setzte ich mich eines schönen Montagmorgens hin und sortierte wieder einmal meinen 2. Studienabschnitt. Mit meiner letzten Note konnte ich endlich alles zusammenfassen und für das Einreichen mitsamt meiner Diplomarbeit Ende Februar vorbereiten. Also füllte ich liebevoll das Formular aus und markierte die Vorlesungen in meinem Sammelzeugnis sauber und adrett.
Plötzlich der Schock: Ich hatte mir eine meiner unzähligen Mittelwalisisch-Noten irrtümlich doppelt eingetragen! Und das obwohl der Assistenz-Professor sich alles schon durchgesehen und abgesegnet hatte! Panisch sah ich alles wieder und wieder durch und kam zu der Erkenntnis, dass mir tatsächlich noch eine Note fehlte! Aber das Semester war vorbei!
Heulend und hyperventilierend durchforstete ich das Vorlesungsverzeichnis der Keltologie nach irgendeiner Vorlesung, deren Prüfung ich schnell nachholen konnte. Ich fand schließlich “Soziolinguistik des Ulster-Scots” und beschloss, dass das ja nicht so schwer sein konnte, und die Prüfung machbar wäre. Schnell war ein E-Mail an den Vortragenden geschrieben. Dieser antwortete mir zum Glück sofort, trug mich nachträglich in die Teilnehmerliste ein, schaltete mich für das Moodle frei, wo ich alle Lernunterlagen fand und beriet mich kurz, worauf ich beim Lernen besonders achten sollte. Schließlich war es 22Uhr und ich fragte ihn, wann denn der nächste Prüfungstermin sei. Die ernüchternde Antwort war: “Mittwoch um 17Uhr.”
Okay. 1,5 Tage Zeit ein Thema zu lernen, von dem man vorher nichts gehört hatte, und dann möglichst eine positive Note auf die Prüfung schreiben. Challenge accepted!
Motiviert öffnete ich die Lernunterlagen im Moodle… und wollte verzweifeln. Gefühlte 100 pdf-Dateien mit 20-30 Seiten langen Artikeln, gepaart mit PowerPoint Präsentationen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, noch nie in meinem Leben so viel für eine Prüfung gelernt zu haben. Wobei man das ja nicht wirklich als Lernen bezeichnen konnte. Vielmehr habe ich es gerade geschafft jeden Artikel einmal durchzulesen, Notizen zu machen und dann, am Weg zur Uni in der Straßenbahn mir diese Notizen noch einmal durchzulesen.
Mein Freund beschloss, mich zur Uni zu begleiten und während der Prüfung auf mich zu warten, weil er befürchtete ich könnte irgendwo aufgrund von Nervosität, Schlafmangel und Panik zusammenbrechen oder zum nächsten Psycho-Super-Villain werden.
Die Prüfung schrieb ich mit dem Vorsatz: “Schreib alles hin, was dir einfällt, es könnte einen Punkt wert sein!” . Angaben wie “Beschreibe in 120 Worten…” überforderten mich leider komplett. Ich schrieb gerade an einer 130 Seiten Diplomarbeit, und hatte zu solchen Mengenangaben keinen realistischen Bezug mehr. Als ich schließlich abgab, überschlug ich schnell im Kopf meine erwarteten Punkte und kam zu dem Schluss, dass ich mit ganz viel Glück positiv sein könnte.
Am nächsten Tag kam ein E-Mail des Prüfers: “Deine Prüfung wird übrigens ein Dreier, ich hoffe du bist zufrieden.”
ZUFRIEDEN? Ich wollte ihm am liebsten die Füße küssen, so glücklich war ich!
Mein Studienabschnitt war gerettet, mein Studium war gerettet!
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