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Alljährlich, nach der ersten Wärmeperiode kann man in einem kleinem Yachthafen an der venetianischen Adriaküste eine merkwürdige Beobachtung machen: Ein in Badehosen bekleideter Primat versenkt sich fluchend im schmutzigen Wasser des Hafenbeckens. Zuvor beißt er auf ein Mundstück, das an einem Schlauch endet. Dann sieht man für eine halbe Stunde nichts mehr und man hört nur mehr das Brummen des Kompressors am anderen Ende des geringelten Schlauchs.
Die Ringelwürmer bilden einen eigenen Stamm im Tierreich. Sie heißen nicht so, weil sie sich ringeln! Anneliden ist der lateinische Begriff, er leitet sich von “annelius”(Ringlein) ab. Die Würmer bestehen aus ringförmigen Segmenten. Korrekt müsste es also “Ringleinwürmer” oder “Ringerlwürmer” heißen. Es gibt ca 30 000 Arten davon, der bekannteste Ringelwurm ist für uns wohl der Regenwurm. Jedes unbarmherzige Kind weiß, was man mit einem solchen Regenwurm alles machen kann; dass er aber auch nach tagelangem Aufenthalt in der Gefriertruhe, nachdem man ihn auftaut immer noch lebt hatte ich erst später bemerkt, als ich eine von meiner Frau gerettete Amsel wochenlang durchfüttern musste.
Der tauchende Hominide sieht auch nichts. Der Hafen hat Verbindung zu einem Fluss, der wenig später ins Meer mündet. So landen aus dem Landesinneren allerlei Dinge im Hafen, von Baumstämmen über Tierkadaver und Plastikmüll bis hin zu Exkrementen und Toilletteartikeln zur Beseitigung derselben. Mit anderen Worten: das Wasser ist sehr nährstoffreich. Der Grund des Hafenbeckens besteht aus Schlamm, der kleinste Wirbel im Wasser befördert die kleinen Partikel nach oben und der Schwebstoffgehalt macht aus diesem Wasser einen cappuccino. Daher das Fluchen!
Der größte Ringelwurm findet sich in Australien, er wird bis zu 3 m lang, der kleinste misst 50 Tausendstel mm. Eine Klasse unter den Anneliden bilden die Vielborster (Polychaeta). Weil es so viel Vielborster gibt hat man sie unterteilt in Unterklassen, die Unterklassen in Ordnungen, die Ordnungen in Unterordnungen und die Unterordnungen in Familien und eine davon sind die Kalkröhrenwürmer (Serpulidae). Die setzen sich in frühester Jugend an einem Ort nieder, bauen sich ein röhrenförmiges Gehäuse aus Kalk und bleiben dort. Aus der Röhre schauen sie nur ein wenig hervor, strecken ihre Fächertentakel aus und holen sich so ihre Nahrung. Je nährstoffreicher das Wasser, desto besser gedeihen sie. Da gibt es einen Posthörnchenwurm, einen Weihnachtsbaumwurm und viele weitere drollige Würmchen.
Der aus der Familie der Menschenaffen stammende Taucher hat schon einen Grund, sich unter Wasser auf Grund zu begeben. Zuvor wollte er mit seinem Boot ausfahren und musste feststellen, dass dieses manövrierunfähig ist. Abschleppen, kranen, reinigen.- viel zu teuer! Ein Antifoulinganstrich schützt den Bootskiel normalerweise vor Bewuchs, an den unter Wasser liegenden Metallteilen ist dieser Schutzanstrich weniger effizient und speziell an den Schrauben verliert er bald an Wirkung. Dort siedeln sich mit der Zeit Algen und Muscheln und weiteres an und beeinträchtigen das Fahrverhalten mehr oder weniger,- je nachdem, wie groß der Bewuchs ist.
Einer der drolligen Würmchen nennt sich Tüten-Kalkröhrenwurm (Ficopomatus enigmaticus, Synonyme: Mercierella enigmatica, australian tubeworm). Er stammt aus der südlichen Hemisphäre und wurde offensichtlich im Zuge der zahlreichen Transporte von Rohstoffen, Waffen und Truppen im 1.Weltkrieg nach Europa und Nordamerika eingeschleppt. Denn erst in den Jahren nach dem Krieg trat er da erstmals auf (1923 Fauvel Erstbeschreiber). Es handelt sich aber um keine massenhafte Invasion dieser aliens. Der Ficopomatus gedeiht nur in speziellen Brackwassergebieten mit hohen Salinitätsgradienten und da wächst er auch nur in der Gezeitenzone bis in eine geringe Tiefe. Wenn ihm das Habitat aber passt, dann ist das Auftreten massenhaft. Er ist ein Riffbildner, ganze Büschel von Kalkröhren bilden Konglomerate, die angeblich bis zu mehreren Metern Durchmesser aufweisen können. Die Riffe bestehen aus Zigtausenden Röhren, die einen Knäuel bilden, wobei sich die einzelnen Würmer einen Konkurrenzkampf liefern und die Röhren immer weiter verlängern, um an die nahrungsreiche Strömung zu gelangen. Der Aufbau geschieht segmentweise, die Segmente erscheinen ineinandergeschachtelt wobei deren Enden jeweils eine trompetenartige Auftreibung aufweisen. Der nackte Wurm ohne Behausung gewinnt sicherlich keinen Schönheitswettbewerb, wenn er nur seine Tentakel in die Strömung hält sieht das unter der Lupe durchaus hübsch aus. Außer den Tentakel kann man auch noch ein operculum erkennen, ein Deckel, mit dem bei Gefahr die Röhre verschlossen wird.
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