Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
——————————————
Mit der Bezeichnung „Lichtjahr“ wird ja oft sehr leichtfertig umgegangen. „Du wohnst jetzt Lichtjahre von mir entfernt.“ oder
sind nur 2 Beispiele.
Leser, die sich für Astronomie begeistern, wissen natürlich, das ein Lichtjahr die Strecke ist, die das Licht innerhalb eines Jahres zurück legt. Und sie wissen auch, dass das fast 9,5 Billionen Kilometer sind. Sie wissen, das man diese Bezeichnung verwendet, weil Angaben in Kilometer nur riesige Zahlen produzieren würden, mit denen kaum jemand etwas Anfangen kann. Unser nächster Nachbar Proxima Centauri ist zum Beispiel 35.950.775.795.807 Kilometer bzw. 3,8 Lichtjahre entfernt.
Aber wie lange braucht man für ein Lichtjahr? Und ist es überhaupt möglich so eine Strecke zurück zu legen? Bei der Antwort auf diese Frage wird mir eine der schnellsten Rennserien der Welt behilflich sein: Die Formel 1.
Die Distanz eines Formel 1 Grand Prix beträgt (mit Ausnahme von Monaco) etwas mehr als 305 Kilometer. Den schnellsten Grand Prix fuhr im Jahr 2003 Michael Schumacher, der die Zielflagge in Monza nach nur einer Stunde, 14 Minuten und 19 Sekunden sah. Dies entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 248 km/h.
Reduziert man die aerodynamischen Hilfsmittel auf ein Minimum 1), und stellt eine sehr lange Gerade zur Verfügung, kann ein Formel 1 Rennwagen durchaus 400 km/h erreichen.
Nehmen wir jetzt mal an, wir hätten eine unendlich lange Gerade zur Verfügung, müssten nicht Tanken, und auch niemals die Reifen wechseln, so das wir die 400 km/h dauerhaft fahren können.
Unser Formel 1 Rennwagen bräuchte etwas über einen Monat, um die Strecke zurück zu legen, die das Licht binnen EINER einzigen Sekunde zurück legt! Beim Lichtjahr sieht die Sache noch viel, viel Extremer aus: Für ein Lichtjahr benötigt unser Rennwagen rund 2,7 Millionen (!!!) Jahre.
Okay, da brauchen wir wohl etwas mit mehr Power. Steigen wir in die Lockheed SR-71A Blackbird, und erheben uns in die Lüfte. Dieses zu Aufklärungszwecken eingesetzte Flugzeug erreicht eine Geschwindigkeit von gut 3.500 km/h. Auch hier nehmen wir wieder an, das wir ohne Tankstopps 2) etc. fliegen können.
Die 300.000 km, die das Licht in einer Sekunde zurück legt, schafft unsere Blackbird in dreieinhalb Tagen, also schon wesentlich schneller, als der Formel 1 Rennwagen. Bei einem Lichtjahr muss aber auch unser Flugzeug wieder kapitulieren. Hierfür braucht es nämlich gut 308.571 Jahre.
Wir brauchen also noch mehr Power! Wenn wir in klaren Nächten zum Himmel schauen, sehen wir mit etwas Glück 3) einen sehr hellen Stern mit hoher Geschwindigkeit von Westen nach Osten über unseren Köpfen hinweg ziehen. Dieser „Stern“ ist die ISS, die mit 28.000 km/h unterwegs ist. Der deutsche Alexander Gerst raste 165 Tage lang mit dieser Geschwindigkeit um die Erde. Schauen wir doch mal, ob es ihm dabei gelungen ist, die Strecke von einem Lichtjahr zurück zu legen.
Für eine Lichtsekunde braucht die ISS 10 Stunden und etwa 40 Minuten. Sieht ja schon mal ganz brauchbar aus. Aber beim Lichtjahr, muss auch die ISS wieder die weiße Flagge schwenken. Dafür bräuchte sie fast 38.545 Jahre.
Ein letztes Ass haben wir allerdings noch im Ärmel. Die Raumsonde New Horizons, die vor kurzem Pluto besuchte, und damit den Horizont der Menschheit um ein ganzes Stück erweiterte, ist mit einem Speed von 50.000 km/h 4) unterwegs! Die Lichtsekunde schafft sie in ziemlich genau 6 Stunden. Doch auch sie wird lange bevor sie die Strecke von einem Lichtjahr geschafft hat, ein anderes Problem bekommen:
Hier stehen nämlich immer noch gut 21.585 Jahre zu Buche.
Stellt sich noch die Frage, wie schnell man den eigentlich sein müsste um ein Lichtjahr innerhalb einer für Forschungszwecke geeigneten Zeit zu erreichen. New Horizons hat 10 Jahre bis zu ihrem Ziel gebraucht. Diese 10 Jahre nehmen wir mal als Richtwert. Wir bräuchten eine Geschwindigkeit von 107.925.000 km/h um die Strecke von einem Lichtjahr in 10 Jahren zu schaffen!
Doch auch diese Aktuell noch absolut utopische Geschwindigkeit reicht nicht aus, um schnelle Forschungsergebnisse aus anderen Sternensystemen zu bekommen. Ein 30 jähriger Wissenschaftler, der eine Mission mit dieser Sonde betreut, wäre bereits weit über 70, wenn die ersten Bilder von Proxima Centauri auf der Erde eintreffen.
Doch trotz dieser großen Entfernungen hat jeder die Möglichkeit sich selber als Astronom zu betätigen. Mit der kostenlosen Software Stellarium z.B. kann man sich ein Planetarium auf den PC holen, und muss dafür noch nicht mal das Sofa verlassen. Wer etwas mehr Bewegung möchte, fährt Nachts raus an einen Ort, der wenig Lichtverschmutzung hat, und sieht dort den Mond, Planeten, Sterne, Meteore, oder sogar Kometen. Auch Tagsüber kann man sich als Astronom betätigen, indem man sich zum Beispiel einen Planetenweg baut: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/09/15/astronomiehome-wir-basteln-uns-einen-planetenweg/ 😉
1) Die aerodynamischen Hilfsmittel sind die Spoiler, die an einem Rennwagen angebracht sind. Sie werden vom Fahrtwind angeblasen, und drücken den Rennwagen regelrecht auf die Straße. Je steiler man diese Spoiler stellt, desto höhere Kurvengeschwindigkeiten kann man mit dem Rennwagen fahren. Ein steiler Heckflügel geht allerdings zu Lasten der Höchstgeschwindigkeit. Hier müssen die Formel 1 Teams einen Kompromiss aus Topspeed und Kurvengeschwindigkeit finden.
Funfact: Mit den Spoilern kann so viel Anpressdruck generiert werden, das ein Formel 1 Rennwagen ab 150 km/h Kopfüber an der Decke fahren könnte.
2) Im Prinzip ist es sogar möglich, die Blackbird in der Luft zu betanken, allerdings muss die Geschwindigkeit dafür sehr stark reduziert werden, was wiederum die Zeit verlängert, die man für ein Lichtjahr benötigen würde.
3) Wer sich nicht auf sein Glück verlassen möchte, sollte sich die kostenlose App von „DLR Next“ auf sein Smartphone laden. Dort kann man sich die nächsten Überflugszeiten der ISS für seinen Standort anzeigen lassen.
„Pro“-Tipp: Im Sommer bietet es sich an, so einen ISS-Überflug mit einem netten Grillabend zu verbinden.
4) Mir ist klar, das die Voyagersonden schneller sind, ich habe mich jedoch bewusst für New Horizons entschieden, da diese auch die jüngeren Leser kennen
————————————————-
Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von “Rimi” verfasst: “Ich arbeite in der Automobilzuliefererindustrie und für Astronomie interessiere ich mich schon, seit ich in der Lage war, mir von meinem Taschengeld ‘Was ist Was?’-Bücher zu kaufen. Unter https://rimi71.blog.de/ habe ich bis August 2013 gelegentlich Comics gebloggt, die allerdings mit Wissenschaft wenig bis nichts am Hut hatten. Diese Aktivität habe ich dann eine Zeitlang zu Twitter verlagert, musste aber aus Zeitmangel mittlerweile komplett damit aufhören. Mit Ausnahme von meinem Wettbewerbsbeitrag vom letzten Jahr, habe ich noch nicht über Wissenschaft gebloggt.”
Kommentare (20)