Er ist knapp 6 Lichtjahre von uns entfernt und trotz dieser Nähe ist er mit freiem Auge nicht zu sehen. Barnards Stern hat nur ein Fünftel der Größe der Sonne; es handelt sich bei ihm um einen sogenannten Roten Zwerg der entsprechend schwach leuchtet. Man braucht schon ein Teleskop oder ein starkes Fernglas, um ihn sehen zu können. Rote Zwerge gehören zu den häufigsten Sterntypen im Universum; in der Hinsicht ist Barnards Stern also nicht außergewöhnlich. In so gut wie allen anderen Punkten aber schon!
Vor allem was seine Bewegung angeht: In Bezug auf das Sonnensystem bewegt er sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 140 Kilometern pro Sekunde. Projiziert auf den Himmel entspricht das einer Eigenbewegung von 10,3 Bogensekunden pro Jahr. Oder anders gesagt: Um seine Position um eine Distanz zu verändern, die dem Durchmesser des Vollmonds entspricht, braucht Barnards Stern nur knapp 175 Jahre. Ok, das ist immer noch eine lange Zeit. Aber verglichen mit dem, was man bei anderen Sternen beobachten kann, ist das enorm schnell! Und definitiv schnell genug, als das man diese Bewegung auch bei der Beobachtung mit freiem Auge und ohne Teleskop bemerken kann, wenn man ein paar Jahre lang immer wieder Messungen anstellt. Nur kann man Barnards Stern eben nicht ohne Teleskop beobachten und darum dauerte es bis zum Jahr 1916 und Barnards Beobachtungen, bevor man den kleinen, schnellen Himmelskörper in unserer Nachbarschaft bemerkte.
Seit dem hat er sich aber als hervorragendes Forschungsobjekt erwiesen! Barnards Stern ist vergleichsweise alt; er existiert schon seit etwa 10 Milliarden Jahren und ist damit fast doppelt so alt wie unsere Sonne. Auch seine chemische Zusammensetzung ist anders; er enthält deutlich weniger schwere Elemente als unser Stern. Er gehört zur sogenannten “Population II”, also der zweiten Generation der Sterne im Universum. Die erste Generation enthielt noch gar keine schweren Elemente sondern bestand nur aus Wasserstoff und Helium. Erst in ihrem Inneren entstanden durch die Kernfusion neue chemische Elemente die dann zur Verfügung standen, als die zweite Generation der Sterne entstand. Die dritte Generation, zu der auch unsere Sonne gehört, enthält dann schon deutlich mehr schwere Elemente, da bei ihrer Entstehung auch schon die Elemente vorhanden waren, die von der zweiten Generation produziert worden sind.
Barnards Stern ist also alt und er bewegt sich schnell. Er hatte also genug Zeit, um durch die Milchstraße zu reisen und man geht heute davon aus, dass er dabei tatsächlich ein ordentliches Stück herum gekommen ist. Vermutlich stammt er aus dem Bulge, also der zentralen Region unserer Galaxie. Und zumindest für die nächsten paar 10.000 Jahre können wir auch vorhersagen, wohin seine Reise in Zukunft gehen wird. Er wird der Sonne immer näher bekommen und im Jahr 11800 mit 3,75 Lichtjahren seinen sonnennächsten Punkt erreichen. Der sonnennächste Stern wird er dann aber immer noch nicht sein, weil auch Proxima Centauri in der Zwischenzeit näher an uns heran gerückt ist. Und auch die Menschen der fernen Zukunft werden Barnards Stern nicht mit freiem Auge sehen können, denn selbst dann leuchtet der kleine rote Zwerg zu schwach dafür.
Aber vielleicht kriegen wir trotzdem irgendwann höchst beeindruckende Bilder von Barnards Stern zu sehen. Zum Beispiel dann, wenn wir eine Raumsonde direkt zu ihm schicken! Die Idee dazu entstand in den 1970er Jahren und hat den schönen Namen “Projekt Daedalus” bekommen. Damals versuchte man, zumindest theoretisch eine Mission zu konzipieren in deren Rahmen eine umbemannte Sonde zu einem anderen Stern geschickt werden kann und das innerhalb der typischen Lebensdauer eines Menschen und mit einer Technologie, die nicht völlig abwegig sondern in naher Zukunft tatsächlich umsetzbar sein sollte. Das Resultat war eine zweistufige Rakete mit einer Masse von 50.000 Tonnen. Die erste Stufe wäre 2 Jahre lang in Betrieb gewesen und hätte Daedalus auf 7 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Danach hätte die zweite Stufe übernommen und weitere knapp zwei Jahre lang Antrieb geliefert um die Geschwindigkeit auf 12 Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu erhöhen. Dann hätte es weitere 46 Jahre gedauert, bevor die Sonde bei Barnards Stern angekommen wäre. Beziehungsweise vorbeigeflogen, denn zum Bremsen wäre kein Treibstoff mehr übrig gewesen. Und natürlich wäre es auch kein normaler Treibstoff gewesen. Chemische Antriebe wären nicht dazu in der Lage gewesen, solche Geschwindigkeiten zu erzeugen. Deswegen wäre Daedalus mit einem Nuklearantrieb ausgestattet worden. Vereinfacht gesagt hätte man jede Menge winzige Fusionsbomben an Bord gehabt, die eine nach der anderen ausgestoßen und gezündet worden wären. Der Rückstoß wäre über eine Aufprallplatte abgefangen und in Vortrieb umgewandelt worden.
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