Unser Mond entstand bei einer gigantischen Kollision zwischen der jungen Erde und einem etwa marsgroßen Planeten (der dabei komplett zerstört wurde). Das Gold in der Erdkruste wurde beim Zusammenstoß der Erde mit einem etwa plutogroßen Himmelskörper auf unseren Planeten gebracht. Die Venus rotiert vermutlich so langsam um ihre Achse weil sie in der Frühzeit des Sonnensystems ebenfalls Opfer einer planetaren Kollision wurde und Merkur ist genau das wahrscheinlich ebenfalls passiert. In der Gegenwart des Sonnensystems gibt es diese gigantischen Zusammenstöße glücklicherweise nicht mehr. Alle großen Himmelskörper die miteinander kollidieren konnten, haben das schon getan und der Rest hat genug Raum um in Ruhe seine Runden um die Sonne ziehen zu können.
Aber wenn ein Planetensystem entsteht, entstehen im Allgemeinen immer mehr große Himmelskörper als Platz vorhanden ist. In der Schlussphase der Entstehungszeit sind planetare Kollisionen also zu erwarten und das nicht nur bei uns sondern auch anderswo. Wie das mit den Mega-Zusammenstößen in anderen Planetensystemen aussieht, haben Wissenschaftler vom NASA Ames Research Center kürzlich untersucht. Elisa Quintana und ihre Kollegen haben umfassende Computersimulationen durchgeführt um herauszufinden, wie oft große Kollisionen zwischen Planeten in der Frühzeit eines Sonnensystems vorkommen können (“Giant Impacts on Earth-like Worlds”).
Eigentlich ist das Problem ja nicht sonderlich schwer zu lösen. Sollte man zumindest denken, oder? Denn Computerprogramme mit denen man die gravitative Wechselwirkung zwischen Himmelskörpern und deren Bewegung berechnen kann, gibt es jede Menge (ich habe hier eines davon vorgestellt) und seit Jahrzehnten beschäftigt man sich mit diesem Thema. Aber wenn es um Kollisionen geht, ist die Sache nicht mehr ganz so einfach. Da ist zuerst einmal ein Problem mit der Berechnung selbst: Kollidieren zwei Himmelskörper, dann wird der Abstand zwischen ihnen gleich null. Der Abstand steckt aber in der Formel, mit der berechnet wird, wie stark die Gravitationskraft zwischen den Himmelskörpern ist und zwar im Nenner eines Bruchs (seit Newton wissen wir ja, dass die Kraft proportional zum Produkt der beteiligten Massen, geteilt durch das Quadrat des Abstands ist). Und will man durch Null dividieren, dann kriegt man jede Menge mathematische Probleme.
Die meisten Computerprogramme zur Simulation der Planetenbewegung brechen also ab, wenn eine Kollision stattfindet. Das reicht zwar, wenn man wissen will, ob irgendwas kollidiert. Aber nicht, wenn man wissen will, was bei dieser Kollision passiert und wie es danach mit den “Überlebenden” weitergeht. Verschmelzen beide Objekte zu einem größeren? Zerbrechen sie in viele kleinere Himmelskörper? Und so weiter: Das alles im Computer zu simulieren ist aufwendig, schwierig und deswegen immer noch nicht vollumfänglich möglich. Aber man kann sich zumindest annähern und das haben Quintana und ihre Kollegen getan. In insgesamt 280 Simulationen haben sie verschiedene Möglichkeiten von Verschmelzung und Fragmentation durchgespielt um zu sehen, was für Planetensysteme nach dem Ende der großen Kollisionen entstehen können.
In den Simulationen wurde die späte Phase der Planetenentstehung betrachtet. Sie starten mit ein paar Dutzend etwa marsgroße Planeten-“Embryos” und ein paar hundert mondgroße “Planetesimale”, die sich gegenseitig gravitativ beeinflussen; sich bei Kollisionen gegenseitig zerstören oder aber auch verschmelzen können. Dieses Diagramm zeigt einen Teil der Ergebnisse:
Man sieht hier, wie sich die Zahl der Himmelskörper im Laufe der Zeit verringert; entweder durch Verschmelzung, durch Zerstörung oder weil sie aus dem System geflogen bzw. mit dem Stern kollidiert sind. In rot die Fälle in denen in der Simulation keine Fragmentation berücksichtigt wurde; in grau die anderen in denen das der Fall war. Während der 300 Millionen Jahre der Entwicklung tut sich einiges, am Ende landet man in beiden Varianten mehr oder weniger beim gleichen Zustand. Nur der Weg dorthin ist unterschiedlich. Während sich bei Berücksichtigung der Fragmentation die Zahl der Himmelskörper nach 23 Millionen Jahren halbiert hat, geschieht das im Modell, bei dem sie bei einer Kollision verschmelzen schon nach 4 Millionen Jahren. Mit Fragmentation ist das Planetensystem nach circa 200 bis 300 Millionen Jahren im Endzustand angekommen; ohne Fragmentation geschieht das schon nach knapp 100 Millionen Jahren.
Hier sieht man, wie sich die Zahl der Kollisionen im Laufe der Zeit verändert:
Der Großteil der Zusammenstöße findet also recht früh in der Entwicklung des Systems statt. Mit Fragmentation gibt es Anfangs mehr Kollisionen; insgesamt finden aber nur die Hälfte der Kollisionen während der ersten 20 Millionen Jahre statt. Ohne Fragmentation sind es 80 Prozent.
Interessant fand ich die Untersuchung zur Frage, wann bei den in der Simulation übrig geblieben erdähnlichen (d.h. erdgroß und im gleichen Abstand von ihrem Stern wie unsere Erde) die letzte große Kollision stattfand. D.h. ein Zusammenstoß mit einem Körper von planetarer Größe; in etwa so wie bei der Kollision die unseren Mond erzeugt hat. Das fasst dieses Diagramm zusammen:
Ein wenig mehr als die Hälfte – 56 Prozent – der erdähnlichen Planeten hat den letzten großen Zusammenstoß gleich in den ersten 50 Millionen Jahren hinter sich gebracht. 75 Prozent waren in den ersten 100 Millionen Jahren dran. Und bis auf eine Ausnahme hat jeder erdähnliche Planet der am Ende der Simulation übrig blieb zwischendurch eine solche Kollision erdulden müssen.
Das ist natürlich sehr interessant wenn es um die Frage geht, ob unser System aus Erde und Mond eher die Ausnahme oder etwas Normales ist. Wie diese Simulation nahelegt, scheint zweiteres der Fall zu sein. Eine große Kollision zwischen einem erdähnlichen Himmelskörper und einem anderen großen Brocken im Rahmen der Planetenentstehung ist durchaus typisch. Natürlich ist damit noch nicht belegt, das es wirklich so ist und vor allem nicht, das bei jeder solcher Kollision auch wirklich ein “Mond” entsteht.
Solche Untersuchungen sind aber auch wertvoll wenn es um die Frage der Habitabilität eines erdähnlichen Planeten geht. Findet die letzte große Kollision spät in der Entwicklung eines Planeten statt, kann er die dabei verlorenen Teile seiner Atmosphäre (sofern die vorher vorhanden war) nicht mehr ersetzen weil im System nicht mehr genug Material übrig ist. Findet sie früh statt, kann die Zeit noch reichen, sich erneut genug Gase zuzulegen um den Verlust auszugleichen.
Die Arbeit von Quintana und ihren Kollegen zeigt einerseits, dass es wichtig ist, bei solchen Simulationen nicht auf die Fragmentation der Himmelskörper zu verzichten. Auch wenn am Ende das gleiche Resultat entsteht: der Weg dorthin und damit auch die Eigenschaften der entstandenen Planetensysteme sind unterschiedlich. Nur 64 Prozent aller Kollisionen im Modell mit Fragmentation endeten mit einer Verschmelzung und die restlichen 36 Prozent darf man nicht vernachlässigen. Andererseits hat die Arbeit auch gezeigt, dass erdähnliche Planeten am Ende der Zusammenstöße recht häufig übrig bleiben. In 94 Prozent aller Fälle entstand mindestens eine “Erde”. Große Kollisionen sind in der Vergangenheit dieser “Erden” häufig, aber sie finden früh statt. Nur in ganz seltenen Fällen zeigten die Simulationen Kollisionen die mehr als eine Milliarde Jahre nach Beginn der Entstehung stattfanden (immerhin eine Zeit, für die es auf der Erde schon fossile Spuren frühen Lebens gibt).
Die gigantischen Kollisionen, die wichtig sind um einen Planeten wie die Erde zu dem zu machen, der er ist, scheinen also nichts Außergewöhnliches zu sein. Außerdem scheinen sie wirklich nur früh in der Entwicklung aufzutreten und nicht spät, wo sie für schon entstandenes Leben gefährlich werden können. Das klingt optimistisch, wenn es um die Frage der Suche nach Leben auf anderen Planeten geht. Aber man darf nicht vergessen, dass es sich hier um Simulationen handelt. Die sagen uns, was sein kann. Um herauszufinden, was wirklich ist brauchen wir konkrete Beobachtungsdaten. Aber auch die werden wir kriegen! In ein paar Jahren/Jahrzehnten sind die neuen Teleskope fertig, mit denen wir das bewerkstelligen können. Und dann werden wir wissen, wie es anderswo aussieht und welche Folgen die planetaren Kollisionen tatsächlich gehabt haben!
Kommentare (21)