Verständlich wird die Auswahl der Himmelskörper in der Astrologie freilich aus der historischen Entwicklung heraus. Sterne wurden in der Antike nicht als eigenständige Himmelskörper angesehen, sondern nur als Lichtpunkte oder Löcher in der äußersten Himmelssphäre. Von den übrigen Himmelskörpern waren damals nur solche bekannt, die mit freiem Auge sichtbar waren und von denen man dachte, dass sie die Erde als Zentrum umkreisten. Das waren Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Lange Zeit beschränkte sich die Astrologie daher auf diese Gruppe, bis zwischen 1781 und 1930 die neu entdeckten Planeten Uranus, Neptun und Pluto hinzu kamen, deren Existenz kein einziger Astrologe vorhergesagt hatte. Mittlerweile kennen wir eine Unmenge von verschiedenen Himmelskörpern. Im Gegensatz zum Weltbild der Antike, das immer noch die Grundlage der Astrologie bildet, wissen wir heute, dass die Sterne keine Punkte an einer Himmelssphäre sind, sondern weit entfernte Sonnen. Wir wissen, dass weder die Erde noch die anderen Planeten unseres Sonnensystems etwas Besonders darstellen, sondern dass es im Universum noch unzählige andere Planeten gibt. Wir wissen, dass neben den mit bloßem Auge sichtbaren noch unzählige Himmelskörper existieren, die nur mit technischen Hilfsmitteln beobachtbar sind.
Die Astrologie kann nun natürlich aus rein praktischen Gründen nicht alle Planeten, Zwergplaneten, Monde oder Asteroiden berücksichtigen. Da sie aber auch keine konkreten Regeln zur Auswahl anbieten kann, welche Objekte wann zu verwenden sind und wann nicht, erweist sich diese Lehre im Prinzip als arbiträr. Astrologie kann nicht funktionieren. Ein Astrologe kann sich bei seiner Arbeit entweder an die klassische Astrologie der Antike halten; er kann sich neuerer Himmelskörper bedienen oder sogar – wie in der Hamburger Schule – Himmelskörper verwenden, die überhaupt nicht existieren. Die Astrologie ist ein Wahrsage- und Assoziationssystem, das gänzlich von der physikalischen Realität abgekoppelt ist und dessen Elemente und Auslegungsregeln ausschließlich von den Vorlieben des jeweiligen Astrologen abhängig sind.
Gerade weil die Aussagen und Analysen der Astrologen diese Beliebigkeit widerspiegeln, funktioniert die Astrologie anscheinend für viele Leute: Mit einer Lehre, die mangels konsistenter Basis nichts erklären kann, kann man natürlich alles erklären. Je unspezifischer die theoretische Basis, desto unspezifischer sind auch die daraus abgeleiteten Aussagen und desto freier können diese vom Astrologen interpretiert werden. Wer astrologische Texte objektiv betrachtet, stellt fest, dass sie meist äußerst vage sind und als „Barnum-Texte“8 im Prinzip fast beliebige Deutungen zulassen. Das macht es für den Rezipienten äußerst leicht, diese Aussagen mit seiner Selbstwahrnehmung in scheinbare Übereinstimmung zu bringen und so zur Überzeugung zu kommen, das Horoskop würde eine tatsächliche Beschreibung der Persönlichkeit liefern9. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass aus logisch-naturwissenschaftlicher Sicht die Astrologie – egal welcher konkreten Ausprägung – über keine in sich schlüssige Grundlage verfügt, anhand der sich allgemeingültige und überprüfbare Regeln für die astrologische Arbeit ableiten lassen.
Die astrologische Deutung bleibt somit beliebig. Astrologie funktioniert nicht.
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Fußnoten
1 Vgl. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20101227_OTS0045/gewerbliche-astrologen-distanzieren-sich-von-prognosen-konkreter-ereignisse [Stand: 09.03.2011].
2 Als Hamburger Schule wird eine bestimmte astrologische Auswertungsmethode bezeichnet, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Alfred Witten begründet wurde. Neben dem Postulat eines speziellen Häusersystems zeichnet sich die Hamburger Schule vor allem durch die Verwendung der sogenannten „Transneptune“ aus. Dabei handelt es sich um acht zusätzliche Himmelskörper die im Horoskop verwendet werden – die aber in der Realität nicht existieren.
3 Vgl. Anthony Flew: Thinking about Thinking. Do I sincerely want to be right?, London 1975. Er verweist damit auf den logischen Fehlschluss, ein Argument gegen eine Behauptung dadurch entkräften zu wollen, dass man das genannte Beispiel als nicht zur Behauptung gehörig darstellt.
4 Vgl. etwa Adrienne von Taxis: Astrologie. Das große, umfassende Nachschlagewerk zur Astrologie, Wien 1997, bes. S. 67f.
5 Beispielsweise http:/www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/astrologie-ist-immer-noch-unsinn-eine-nachlese.php [Zuletzt geprüft am 09.03.2011].
6 Hier: http:/www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/07/zur-begruendung-der-astrologie.php oder hier: http:/www.astrologie.de/astrologie/b/3945/ [Stand: 09.03.2011].
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