Anlässlich der Entdeckung eines großen Asteroiden der derzeit weiter von der Sonne entfernt ist als alle anderen bekannten Himmelskörper des Sonnensystems haben mir viele Leute die Frage gestellt, ob es vielleicht irgendwo auch noch andere, größere Objekte geben kann. Die heutige Ausgabe von “Fragen zur Astronomie” möchte ich daher für eine Antwort nutzen. Also: Kann es noch unentdeckte Planeten im Sonnensystem geben?.
Die Entdeckung neuer Planeten im Sonnensystem ist ein recht seltenes Ereignis. Der erste, der einen neuen Planeten fand war Wilhelm Herschel im Jahr 1781. Da fand er den Uranus und demonstrierte, dass da tatsächlich noch etwas zu entdecken ist und die klassischen Planeten der Antike – Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn – nicht alles sind.
Die Beobachtung des Uranus warf einige neue Fragen auf; seine Bewegung lief nicht ganz so ab wie man es erwartet hatte. Es sah eher so aus, als wäre da noch ein weiterer Himmelskörper, der seine Bahn stören würde. Man suchte also weiter und fand 1846 den Planeten Neptun. 1930 folgte dann die Entdeckung von Pluto, der damals noch fälschlicherweise als Planet klassifiziert wurde.
Die Entdeckung des Pluto markiert einerseits das Ende der Planetenfunde im Sonnensystem. Seitdem wurde kein neuer Planet mehr beobachtet. Andererseits war Pluto der erste große Asteroid des Kuipergürtels den man gefunden hat. Seitdem und vor allem seit den 1990er Jahren hat man in diesem Asteroidengürtel außerhalb der Bahn Neptuns immer wieder weitere neue große Asteroiden beobachtet. Aber nichts, was man berechtigterweise “Planet” nennen könnte.
Natürlich gibt es jede Menge pseudowissenschaftliche Spinner, die behaupten dass da irgendwo noch Himmelskörper wie “Nibiru” oder “Planet X” herumfliegen, die demnächst mit der Erde kollidieren und uns alle umbringen werden. Diese Geschichten existieren schon seit Jahrzehnten und sie sind immer Unsinn! Wer mehr darüber wissen will, findet hier und hier mehr Informationen. Es ist allerdings Unsinn, der einige Elemente echter und seriöser Astronomie enthält. Der Begriff “Planet X” beispielsweise wird auch in der Astronomie verwendet und steht genau für die potentiell vorhandenen noch unentdeckten Himmelskörper im äußeren Sonnensystem die uns hier interessieren.
Bevor ich erkläre, wie es damit nun wirklich aussieht, muss man sich eine Sache deutlich klar machen: Planeten können sich nicht einfach irgendwie durch das Sonnensystem bewegen! Sie folgen Bahnen, die von der Gravitationskraft der Sonne festgelegt werden. Diese Bahnen können außerdem noch von den kleineren Gravitationskräften der anderen Planeten leicht verändert werden. Aber es gibt Naturgesetze, an die sich auch die Planeten halten müssen. Planeten können nicht einfach aus dem Nichts auftauchen.
Die Gravitationskraft ist es auch, die uns schon längst dabei geholfen hätte, einen “gefährlichen” Planet X zu finden. Ein Planet muss gar nicht unbedingt sichtbar sein, damit man seine Anwesenheit bemerkt. Bei der Entdeckung von Neptun war das ja auch so: Der ist so weit von der Sonne entfernt, das er mit freiem Auge und kleinen Teleskopen nicht zu sehen ist. Aber man hat schon fast 100 Jahre vor seiner tatsächlichen Entdeckung damit gerechnet, dass es ihn geben muss. Denn man hat ja den Uranus gesehen. Mit den bekannten Gesetzen der Gravitation konnte man berechnen, wie sich Uranus unter dem Einfluss der Gravitationskraft der Sonne und der bekannten Planeten bewegen muss. Und wenn die bekannten Planeten wirklich auch schon alle Planeten ausmachen, die vorhanden sind, dann müsste die vorherberechnete Bahn des Uranus mit der beobachteten Bahn übereinstimmen. Das war aber nicht der Fall!
Es gab Abweichungen und die waren ein deutlicher Hinweis, dass man eben nicht alle Einflüsse berücksichtigt hat. Es musste noch etwas – einen Planeten! – geben, der Uranus störte und dessen Einfluss in den Rechnungen nicht berücksichtigt worden ist. Und so war es ja auch: Dieser Planet war Neptun!
Mittlerweile haben wir viel bessere Teleskope als damals und können die Bewegung der Himmelskörper auch viel genauer berechnen. Die bekannten Planeten bewegen sich alle im Prinzip exakt so wie sie es tun müssen; es gibt keine Hinweise darauf, dass wir irgendwas übersehen haben. Wenn da also irgendwo tatsächlich noch ein unbekannter Planet im Sonnensystem vorhanden ist, muss er sehr weit entfernt sein. Wie weit er weg sein muss, kann man leicht berechnen. Dazu muss man sich nur überlegen, wie groß die gravitativen Störungen so eines Himmelskörpers auf die Bahnen der bekannten Planeten wären und dann die Distanz bestimmen, in der diese Störungen so klein sind, dass sie innerhalb der aktuell möglichen Messgenauigkeit nicht auffallen würde.
Das hat man gemacht und dabei festgestellt: Ein Planet mit der Masse der Erde müsste mindestens 750 Astronomische Einheiten (AE) weit weg sein. Er muss also 750 Mal weiter von der Sonne entfernt sein, als unser Planet. Der kürzlich entdeckte große Asteroid – das derzeit am weitesten entfernte bekannte Objekt im Sonnensystem – ist knapp 86 Astronomische Einheiten weit weg. Jeder erdgroße Planet der näher an der Sonne wäre als diese 750 AE würde die Bahnen der bekannten Planeten so stark stören, dass wir das schon längst gemerkt hätten.
Je größer der Planet, desto stärker die Störungen und desto weiter muss er weg sein, um noch unentdeckt geblieben zu sein. Ein Planet der so schwer ist wie Jupiter muss beispielsweise 13.500 AE von der Seite entfernt sein. Und zwar immer! Hätte er eine Bahn, auf der er der Sonne auch nur zeitweise näher kommen würde, könnte er nicht unentdeckt bleiben!
Heißt das nun also, dass es keine weiteren Planeten mehr zu entdecken gibt? Nicht unbedingt. Das Sonnensystem ist groß! Sein weit entferntes Ende bildet die Oortsche Wolke; eine Region in der sich unzählige Kometen und andere kleine Himmelskörper befinden. Dass die Oortsche Wolke existiert wissen wir aus theoretischen Überlegungen und der Tatsache, dass wir immer wieder ein paar der Kometen beobachten können, die von dort bis ins innere Sonnensystem gelangen. Die Oortsche Wolke entstand in der Frühzeit des Sonnensystems als bei den chaotischen Vorgängen während der Bildung der Planeten jede Menge kleinere und größere Felsbrocken weit hinaus ins All geschleudert worden sind. Manche haben das Sonnensystem komplett verlassen; andere haben weit draußen die Oortsche Wolke gebildet.
Und es ist durchaus möglich, dass auch Planeten dort hin geschleudert worden sind! Wir wissen, dass bei der Bildung von Planetensystemen immer viel mehr Planeten entstehen, als am Ende auch tatsächlich Platz haben. Es kam zu Kollisionen, zum Beispiel die, bei der der Mond entstand; viele Planeten wurden in den interstellaren Raum geworfen – und einige könnten auch in der Oortschen Wolke gelandet sein.
Es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, dass sich dort draußen noch der eine oder andere größere Planet befindet. Die Oortsche Wolke erstreckt sich bis in eine Entfernung von knapp 100.000 AE; da ist also noch viel Platz! Und wir haben derzeit kaum eine Chance, solche Planeten zu beobachten. Sie sind viel zu weit weg, um direkt gesehen zu werden – selbst die besten Teleskope würden es nicht schaffen, so weit entfernte Planeten zu sehen (so weit von der Sonne entfernt sind sie extrem dunkel und kalt). Und dank der großen Entfernung üben sie auch keine für uns messbaren Einflüsse auf die Bahnen der bekannten Planeten aus.
Es gibt zwar ein paar sehr vage Hinweise, dass manche der wenigen bekannten Asteroiden am Rande des Sonnensystems Umlaufbahnen aufweisen, die eventuell von einem noch unbekannten Planeten gestört wurden (siehe zum Beispiel hier oder hier). Aber das sind derzeit nicht mehr als Spekulationen und es wird noch lange dauern bevor wir genug Daten haben um mehr zu wissen.
Die Antwort auf die Frage “Gibt es noch unentdeckte Planeten im Sonnensystem?” lautet also: Ja, solche Planeten gibt es höchstwahrscheinlich – aber wir haben keinerlei Chance, sie auch tatsächlich zu entdecken.
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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