Heute gibt es in der Serie “Fragen zur Astronomie” wieder mal einen Klassiker: Können Pluto und Neptun miteinander zusammenstoßen? Eine gute und verständliche Frage! Wer ungefähr in meinem Alter ist und sich als Jugendlicher für Astronomie interessiert hat, erinnert sich vielleicht noch daran gehört zu haben, das Neptun der sonnenfernste Planet ist und nicht Pluto. Und einmal abgesehen davon das Pluto mittlerweile kein Planet mehr ist, war das auch richtig! Zwischen dem 7. Februar 1979 und dem 11. Februar 1999 war Pluto der Sonne näher als der Neptun. Erst in den letzten 16 Jahren ist er wieder außerhalb der Neptunbahn.

Pluto: Immer noch nicht mit Neptun kollidiert. Aber warum? (Bild: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute)

Pluto: Immer noch nicht mit Neptun kollidiert. Aber warum? (Bild: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute)

Wenn jetzt aber Pluto mal innerhalb der Umlaufbahn des Neptun ist und mal außerhalb, dann müssten sich die Bahnen der beiden Himmelskörper doch auch kreuzen? Und wenn sie sich kreuzen, dann muss es möglich sein, das beide kollidieren?

Im Prinzip ja. Aber die Realität sieht doch anders aus. Es stimmt zwar, das Pluto jeweils 20 Jahre seines knapp 248 Jahre dauernden Umlaufs um die Sonne innerhalb der Neptunbahn verbringt. Aber eine Überschneidung der Orbits gibt es nur dann, wenn man die Situation zweidimensional betrachtet. Das ist aber gerade bei Pluto ein großer Fehler!

Die Bahnen der Planeten um die Sonne befinden sich alle mehr oder weniger in der gleichen Ebene und in erster Näherung kann man ihre Neigung vernachlässigen. Plutos Bahn allerdings ist um 17 Grad aus der Ebene der Planetenbahnen geneigt! Seine Bahn ähnelt viel stärker der eines Asteroiden (u.a deswegen wird er ja auch als Asteroid/Zwergplanet klassifiziert). Die starke Neigung der Plutobahn verhindert ein Überschneiden mit der Bahn des Neptun. Das kann man gut an diesem Bild hier erkennen. Es zeigt, wie sehr sich die Himmelskörper während eines Umlaufs über bzw. unter der Ebene des Sonnensystems befinden:

Bild: NASA

Bild: NASA

Man sieht hier die Bahnen der äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun und die Bahn des Pluto. Allerdings nicht in der üblichen “Draufsicht” mit der Sonne im Mittelpunkt. Gezeigt wird stattdessen der Abstand von der Sonne (auf der x-Achse) und der jeweilige Abstand von der Ebene des Sonnensystems auf der y-Achse. Würde ein Himmelskörper immer den gleichen Abstand zur Sonne habe (sich also auf einer Kreisbahn bewegen) und sich immer in der Ebene des Sonnensystems befinden, würde seine Bahn auf diesem Diagramm als Punkt markiert werden. Bei den Planeten ist das hier auch fast so – sie bewegen sich kaum über/unter die Ebene und bewegen sich annähernd auf Kreisbahnen. Bei Pluto aber ist das anders! Er bewegt sich bis zu 10 Astronomische Einheiten (AE; im Bild als “AU” angegeben) über oder unter diese Ebene. Das entspricht dem 10fache mittlere Abstand zwischen Sonne und Erde bzw. dem mittleren Abstand zwischen der Sonne und dem Saturn! Und hat dazu noch eine sehr langgestreckte Bahn; sein Abstand zur Sonne ändert sich stark. Trotzdem sieht man gut, dass es keine Überschneidung zwischen den Bahnen von Neptun und Pluto gibt.

Wenn Pluto seinen sonnennächsten Punkt erreicht, steht er hoch über der Bahn des Neptun und eine Kollision ist ausgeschlossen und auch sonst gibt es keinen Punkt, den die beiden Himmelskörper zur gleichen Zeit erreichen und damit zusammenstoßen könnten.

Natürlich könnten gravitative Störungen dafür sorgen, dass sich die Bahnen im Laufe der Zeit verändern, so dass irgendwann doch eine Kollision stattfindet. Aber auch hier zeigt sich eine Besonderheit, die einem solchen Zusammenstoß entgegenwirkt: Neptun und Pluto befinden sich in einer sogenannten 3:2 Resonanz der mittleren Bewegung. Das bedeutet, das Neptun für drei Umläufe um die Sonne genau so lang braucht wie Pluto für zwei Runden. Solche Resonanzen, über die ich hier ausführlich berichtet habe, spielen eine enorm große Rolle bei der Bewegung von Himmelskörpern im Sonnensystem.

Ein Umlauf des Pluto um die Sonne dauert knapp 248 Jahre; bei Neptun sind es knapp 165 Jahre. Zwei Plutoumläufe bzw. drei Neptunumläufe dauern dann jeweils knapp 500 Jahre. Nach 500 Jahren nehmen die beiden Planeten also wieder die gleiche relative Position zueinander ein, die sie vorher auch schon hatten. Erreicht Pluto beim ersten Umlauf seinen sonnennächsten Punkt, befindet sich Neptun gerade 50 Grad hinter Pluto; ist also sehr weit weg. Nach dem zweiten Umlauf ist Neptun dann gerade 50 Grad vor Pluto, wenn der seinen sonnennächsten Punkt erreicht. Dann ist er wieder vor Pluto, usw. Die Resonanz sorgt dafür, dass sich die relativen Positionen immer wiederholen. Die beiden können sich nie nahe genug für eine Kollision kommen.

Nicht einmal annähernd nahe! Der minimale Abstand zwischen Neptun und Pluto beträgt gewaltige 17 Astronomische Einheiten! Pluto kommt dem Neptun nicht einmal näher, als er dem Uranus kommt (hier beträgt die Minimaldistanz 11 AE). Die 3:2 Resonanz ist ein sehr effektiver Mechanismus der dafür sorgt, dass die Abstdände zwischen den beiden Himmelskörper immer groß bleiben, wenn sie einmal groß waren. Es gibt noch ein paar andere (sogenannte “säkulare”) Resonanzen, die auf andere Arten ebenfalls dafür sorgen, dass die beiden sich nicht zu nahe kommen. Dabei geht es um die Geschwindigkeiten, mit denen die Umlaufbahnen selbst sich um die Sonne drehen bzw. im Raum hin und her wackeln. Aber auf diese Details möchte ich jetzt gar nicht mehr weiter eingehen.

Neptun und Pluto können deswegen nicht miteinander kollidieren, weil ihre Bahnen sich nicht überkreuzen. Auch wenn Pluto der Sonne manchmal näher ist als der Neptun, ist seine Bahn so stark geneigt, dass es keine Überschneidung mit der des Neptun gibt. Zusätzlich sorgt die 3:2 Resonanz ihrer mittleren Bewegungen dafür, dass der Abstand zwischen ihnen immer groß bleibt und sie sich niemals nahe kommen. Pluto und Neptun können nicht kollidieren! Wenn sie es könnten, dann wäre in den 4,5 Milliarden Jahren in denen sie schon ihre Runden durch das Sonnensystem ziehen ja auch genügend Zeit dafür gewesen. Immerhin hat Pluto seit seiner Entstehung schon knapp 20 Millionen Runden um die Sonne absolviert und die Bahn des Neptun doppelt so oft “gekreuzt”. Wäre eine Kollision möglich, dann hätte sie schon längst stattgefunden!

Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.

Kommentare (12)

  1. #1 christian groschke
    30. November 2015

    Der Aspekt mit den Resonanzen, der ja auch schon mal in einer der wunderbaren Sternengeschichten erläutert wurde, finde ganz faszinierend, weil es etwas von Ästhetik und Musik hat. Quasi eine Harmonielehre der Planetenbewegung.

  2. #2 Michael
    30. November 2015

    “Wenn sie es könnten, dann wäre in den 4,5 Milliarden Jahren in denen sie schon ihre Runden durch das Sonnensystem ziehen ja auch genügend Zeit dafür gewesen. Wäre eine Kollision möglich, dann hätte sie schon längst stattgefunden!”

    Hm. Den Satz halte ich so für eher verwirrend. Es gibt schließlich genügend Phänomene, die über einen Zeitraum X nicht stattgefunden haben und dann doch stattfinden, obwohl “vorher genug Zeit gewesen wäre”. Wenn das ein Argument sein soll, würde dazu eine Begründung gehöen, warum und seit wann das Sonnensystem nun “alt genug” ist, damit bestimmte Phänomene, die bis dahin nicht aufgetreten sind, nun auch nicht mehr auftreten werden. Und die dürfte ziemlich kompliziert sein.
    Gruß,
    Michael

  3. #3 Florian Freistetter
    30. November 2015

    @Michael: “Es gibt schließlich genügend Phänomene, die über einen Zeitraum X nicht stattgefunden haben und dann doch stattfinden, obwohl “vorher genug Zeit gewesen wäre”. “

    Ja. Aber in dem Fall handelt es sich um ein Phänomen, das auf der Zeitskala von der Größenordnung im Rahmen ~250 Jahren stattfinden muss. So lange braucht Pluto für einen Umlauf um die Sonne. Wenn das eine Umlaufbahn ist, die Kollisionen zulässt, dann sollte das nicht 4,5 Milliarden Jahre lang gut gehen und dann plötzlich krachen.

  4. #4 Michael
    30. November 2015

    Mir geht es nicht um die Grundaussage des Artikels, sondern nur um den Satz als solches. Du schreibst ja letztlich für Laien. Und da halte ich das “Argument” in der getroffenen Form für ziemlich ungut. Für den Laien liest sich das wie die Aussage des Mannes, der vom Hochhaus springt und nach X Stockwerken sagt “Läuft doch super.” Derlei kann je nach Sachverhalt durchaus berechigt sein, aber dazu gehört dann eben noch eine Begründung, ab dem wievielten Stockwerk eines wie hohen Hauses man zu Recht annehmen kann, dass der Aufschlag nicht mehr kommt, und warum gerade ab dieser Grenze.

    Um es mal anders anzugehen: Ein fiktiver damals schon lebender Nicht-Astronom hätte doch bis ein paar Jahrzehnte vor dem Einschlag des Körpers, der zur Bildung des Mondes geführt hat, auch sagen können, dass derlei bis dahin nicht passiert ist, obwohl auch da sicher schon verdammt viel Zeit ins Land gegangen war, es also auch nicht mehr passieren wird.

    Oder noch mal anders: Seit wann wäre dein Satz den “gültig”. Hättest du ihn auch schon vor 2 Milliarden Jahren gesagt? Vor 3 Milliarden? Warum ab wann?

    Es geht mir nicht um die Aussage des Artikels (die glaube ich dir schon alleine aufgrund mangelnden eigenen Wissens eh’ und mit der Begründung mit den Resonanzen sowieso), sondern um speziell diesen Satz. Der macht mich unfroh, weil man ihn in ähnlicher Form oft bei Leuten findet, die sich schlicht nicht vorstellen können, dass sich Umstände so verändern können, dass etwas, das lange auf eine bestimmte Weise ablief, das plötzlich nicht mehr tut.

    Gruß,
    Michael

  5. #5 Florian Freistetter
    30. November 2015

    @Michael: ” Ein fiktiver damals schon lebender Nicht-Astronom hätte doch bis ein paar Jahrzehnte vor dem Einschlag des Körpers, der zur Bildung des Mondes geführt hat, auch sagen können, dass derlei bis dahin nicht passiert ist,”

    Der damals lebende Astronom hätte gesehen, dass das junge Sonnensystem mit ein paar Dutzend bis hundert planetengroßen Körpern voll ist, die DAUERND miteinander zusammenstoßen und vermutlich ziemlich schnell festgestellt, dass eine Kollision der Erde mit einem anderen großen Objekt extrem wahrscheinlich ist…

    “Oder noch mal anders: Seit wann wäre dein Satz den “gültig”. Hättest du ihn auch schon vor 2 Milliarden Jahren gesagt? Vor 3 Milliarden? Warum ab wann?”

    Bei chaotischen Objekten dauerts ~ein paar hunderttausend Jahre; vielleicht ein paar Millionen Jahren bis die Bahnen instabil werden und es ne Kollision gibt. Zumindest wenn die zugrunde liegende Periode nur ein paar Jahrhunderte beträgt, wie bei Pluto und Neptun. Also nix im Vergleich zu den 4,5 Mrd Jahren.

  6. #6 Tina_HH
    30. November 2015

    Das ist die anschaulichste und verständlichste Erklärung für das Phänomen, die ich bisher gelesen habe. Sehr schöner Artikel, den man auch gut verlinken kann, wenn mal jemand fragt, warum die beiden Objekte nicht zusammenstoßen. Danke dafür.

    Und obwohl ich das Prinzip eigentlich schon kannte, waren mir die enormen Distanzen zwischen Pluto und Neptun – selbst bei ihrer größten Annäherung – bisher gar nicht so bewusst. Zeigt mal wieder schön, wieviel Platz da im Weltraum ist…

  7. #7 AmbiValent
    30. November 2015

    Ich habe gerade eine Seite gefunden, die auch die Libration erklärt.

    https://nineplanets.org/plutodyn.html

    Wenn die Grafik bewegt wäre, würde man sehen, wie sich der Plutoorbit relativ zu Neptun langsam hin- und herschwingt. Etwa alle 500 Jahre ist Pluto relativ zum Neptun im Perihel ungefähr an derselben Stelle.

    Steht dieses Perihel hinter Neptun und kommt näher, dann wird Neptun den Pluto zu dieser Zeit beschleunigen. Der Effekt ist aber viel zu klein für eine echte Annäherung, sorgt aber dafür, dass Pluto Drehimpuls gewinnt – wodurch sein Orbit sich etwas mehr von der Sonne entfernt und dadurch etwas langsamer wird. Dadurch kehrt sich die scheinbare Bewegung des Perihels mit der Zeit um, und es bewegt sich wieder von Neptun weg.

    Tausende Jahre später kommt es beim anderen Perihel (die 500-Jahres-Schritte waren ja zwei Plutojahre) des Pluto zum umgekehrten Fall: nun wird Pluto gebremst, entfernt sich daraufhin weniger weit von der Sonne und braucht weniger Zeit für einen Umlauf.

  8. #8 AmbiValent
    30. November 2015

    (Abschließender Satz vergessen)
    So ist es gerade Neptun selbst, der verhindert, dass Pluto ihm zu nahe kommt.

  9. #9 schlappohr
    30. November 2015

    Eine (hoffentlich) konstruktive Kritik: Das Erläuterung zum Bild ist etwas verwirrend. Wenn das die Umlaufbahnen der Planeten “von der Seite betrachtet” wären, dann müssten sie um die Sonne herum führen. Wenn ich das richtig verstehe, das zeigt das Diagramm gar keine Umlaufbahnen, sondern den Abstand der Planeten von der Ekliptik als Funktion der Sonnendistanz, oder?
    Neptun ist auf einer annähernd kreisförmigen Bahn mit einem Abstand von 30AU und liegt immer fast genau auf der Ekliptik. Der Sonnenabstand des Pluto schwankt zwischen 28 und 48 AU. Bei einer Kollision mit Neptun müsste sich Pluto ebenfalls bei einem Sonnenabstand von 30AU befinden. An dieser Stelle bewegt er sich jedoch 6 bzw. 8 AU über der Ekliptik. Daher kann es keine Kollision geben, weil sich Neptun zu diesem Zeitpunkt weit “unterhalb” von Pluto bewegt. Wie man an dem Diagramm sieht, sind die Bahnen von Neptun und Pluto vollkommen disjunkt.

  10. #10 Florian Freistetter
    30. November 2015

    @schlappohr: Sorry, ja – da hast du recht. Ich hab das ganze wieder zu sehr im Rahmen einer Surface of Section gesehen. Aber den gedanklichen Schritt macht man natürlich nicht, wenn man nicht ein paar Semester Himmelsmechanik hinter sich hat 😉 Ich werds anders formulieren!

  11. #11 schlappohr
    30. November 2015

    Ok, so ist es verständlich, danke 🙂 Aber habe habe noch etwas zu meckern: Zeigt die x-Achse wirklich den _mittleren_ Sonnenabstand des Planeten? Der wäre doch konstant.
    Die Darstellung in diesem Diagramm finde ich sehr aufschlussreich. Ich frage mich aber, wie die seltsame Form der Pluto-Ellipse zustande kommt, eigentlich würde ich eine diagonale Linie erwarten, auf der Pluto auf und ab wandert. Warum ist die Pluto-Funktion auf dem Weg vom tiefsten zum höchsten Punkt anders geformt als auf dem “Rückweg”? Bedeutet das, dass die Bahnellipse über _beide_ Halbachsen gegen die Ekliptik geneigt ist? Irgendwie bekomme ich das gedanklich nicht umrissen.

  12. #12 Steppl
    1. Dezember 2015

    Die etwas andere Bahn des Pluto gegenüber den Planeten kann man sich sehr schön mit den Augen der NASA ansehen, sogar in 3D. Da sieht man auch, dass zumindest zz. die Bahnen von Pluto und Neptun immer ausreichend Sicherheitsabstand haben.
    https://eyes.nasa.gov/