VY Canis Majoris ist ein großer Stern. Seine Masse ist 30 bis 40 Mal größer als die unserer Sonne. Er ist fast 1500 Mal größer als unser Stern. Und leuchtet eine halbe Million Mal heller! Er gehört zu den größten Sternen die wir kennen (es gibt aber noch einige, die deutlich größer sind) und das macht ihn zu einem interessanten Studienobjekt. Der knapp 4000 Lichtjahre entfernte Hyperriese lebt, wie alle sehr großen Sterne, nicht lange. Zumindest nach astronomischen Maßstäben; nicht im Vergleich zur kleinen Sonne, deren Leben circa 10 Milliarden Jahre dauern wird.
Dass VY Canis Majoris sich seinem Tod schon sehr stark angenähert hat, erkennt man auch direkt bei seiner Beobachtung. Er hat sich enorm stark aufgebläht; in unserem Sonnensystem würde der Stern den gesamten Raum innerhalb der Umlaufbahn von Jupiter ausfüllen. Außerdem ist er von großen Wolken aus Gas und Staub umgeben. Dieses ganze Material war früher Teil des Sterns selbst – aber als er sich gegen Ende seines Lebens immer weiter ausgedehnt hat, hat er auch immer mehr Material verloren.
Ein alter Stern brennt heißer als einer, der mitten im Leben steht. Die hohen Temperaturen sorgen für eine ebenso starken Strahlungsdruck. Je mehr Energie im Kern eines Sterns erzeugt wird, desto mehr Strahlung dringt von innen nach außen. Normalerweise hält die Gravitationskraft der Sternmasse das Gleichgewicht aufrecht und der Stern bleibt stabil. In dem Fall war die Strahlung aber so groß und die hochenergetischen Lichtteilchen haben so stark gegen die Sternmaterie gedrückt, dass der Stern sich aufgebläht hat. Durch die enorme Expansion ist das Material in den äußeren Schichten stark abgekühlt und auch die Dichte ist dort gering. Die Gravitation des Sterns kann das Material nicht mehr festhalten und es entkommt ins All.
Der Gewichtsverlust von VY Canis Majoris ist enorm: Er pustet jedes Jahr das 30fache der Erdmasse hinaus ins Weltall. Wenn der Stern irgendwann tatsächlich am Ende seines Lebens angekommen ist und bei einer gewaltigen Supernova-Explosion zerstört wird, wird auch ein Teil dieser Gas- und Staubwolken zerstört werden. Ein anderer Teil wird endgültig in den interstellaren Raum geschleudert werden. Ein anderer Teil entkommt aber auch schon vor der finalen Explosion hinaus in den freien Weltraum und wie das genau passiert, war bis jetzt ein Rätsel.
Man weiß, dass sich die Staubteilchen in den Wolken sehr schnell bewegen; schnell genug um entkommen zu können. Aber man weiß nicht, warum sie so schnell sind. Bis jetzt zumindest, denn Peter Scicluna und ein Team europäischer Astronomen haben VY Canis Majoris noch einmal genau beobachtet und diese Frage beantwortet (“Large dust grains in the wind of VY Canis Majoris” (pdf)). Man wusste bis jetzt schon, dass die Staubteilchen die für ein Entkommen nötige Geschwindigkeit in einem Abstand von etwa 10 Sternradien erhalten. Und man wusste außerdem, dass sich unter den Bedingungen die dort herrschen, nur bestimmte Arten von Staubteilchen bilden können. In diesem Fall Silikate mit hohem Anteil von Aluminium, Calcium und Magnesium. Der einzige brauchbare Mechanismus um Staubteilchen so weit vom Stern entfernt zu beschleunigen, ist der Strahlungsdruck; also die Kraft des Lichts das der helle Stern hinaus ins All schickt.
Allerdings: Gerade die Al/Ca/Mg-Silikate sind für den Strahlungsdruck nicht sonderlich empfänglich. Sie sind quasi durchsichtig und werden vom Licht kaum “angeschoben”. Das ginge nur, wenn sie deutlich größer wären, als Staubkörner im Weltall normalerweise sind. Und um herauszufinden, wie groß der Staub von VY Canis Majoris tatsächlich ist, haben Scicluna und seine Kollegen den Stern mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ganz genau untersucht. Sie haben sich vor allem angesehen, wie das Licht des Sterns durch die Staubwolken polarisiert wird. Wie und wie stark das geschieht hängt nämlich unter anderem von der Größe der Teilchen ab. Und tatsächlich zeigt sich, dass die bei VY Canus Majoris bis zu 0,5 Mikrometer groß werden! Das ist immer noch klein; aber circa 50 Mal größer als Staub normalerweise wird. Groß genug, um vom Strahlungsdruck des Hyperriesen in den Weltraum geschoben zu werden und damit den enormen Massenverlust zu erklären.
Beobachtungen dieser Art sind wichtig, wenn man das Leben und Sterben der großen Sterne verstehen will. Sie sind aber auch wichtig, wenn wir uns selbst verstehen wollen! Denn all die schweren chemischen Elemente aus denen wir bestehen, sind (u.a.) vor langer Zeit von solch schweren Sternen erzeugt und ins All hinaus geschleudert worden. Dort haben sie sich zu neuen Sternen geformt, aber auch zu Planeten – und schließlich auch zu Menschen. Der komplizierte Tod eines Hyperriesen wie VY Canis Majoris zeigt uns, wo unsere eigenen Ursprünge liegen!
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