Das Ende der Scheibenwelt
Ein Buch habe ich mir dieses Jahr lange aufgespart. “The Shepherd’s Crown” (auf deutsch: “Die Krone des Schäfers”) von Terry Pratchett. Es ist das letzte Buch von Pratchett der leider kürzlich verstorben ist und das letzte Buch aus seiner großartigen Scheibenwelt-Serie.
Passenderweise beginnt (und weil es wirklich gleich auf den ersten Seiten passiert ist das auch kein Spoiler) mit dem Tod von Esme Weatherwax, der großartigen Hexe und Hauptdarstellerin in vielen Scheibenwelt-Bücher. Für ihren “Hexenbezirk” wird nun eine Nachfolgering gesucht und wer könnte das anders sein als Tiffany Aching (wurde das in der deutschen Ausgabe wirklich mit “Tiffany Weh” übersetzt??), die zweite großartige Hexe und Protagonistin einer Serie von Scheibenwelt-Büchern, die meiner Meinung nach zu den besten gehören, die Pratchett geschrieben hat.
Von der Handlung will ich gar nicht viel verraten. Wer die Scheibenwelt kennt, weiß sowieso was zu erwarten ist und wer nicht sollte sowieso nicht mit dem letzten Buch anfangen… Aber was mir an den Büchern aus der Tiffany-Aching-Serie so gut gefällt, sind die vielen folkloristischen Anspielungen auf das reale Großbritannien. Tiffany lebt auf der Scheibenwelt in einer Region, die der südenglischen Heimat von Terry Pratchett entspricht und er hat jede Menge Bräuche, archäologische Fakten, Mythen, Märchen und Geschichten aus dieser Gegend in die Bücher miteingebaut. Das gibt den Büchern ein irgendwie “solides” Gefühl und die Welt von Tiffany wird so enorm real, dass man ganz vergisst, dass es sich um eine Fantasy-Welt handelt.
“The Sheperd’s Crown” ist das definitiv letzte Buch und es war schon ein klein wenig deprimierend, als ich die Geschichte zu Ende gelesen habe. Jetzt wird nix neues mehr von der Scheibenwelt kommen. Aber zum Glück war Pratchett ja fleißig und es spricht absolut nichts dagegen, seine früheren Bücher ein weiteres mal zu lesen (Manche Scheibenwelt-Bücher habe ich jetzt sicherlich schon zwei Dutzend Mal gelesen…). Das habe ich auch gleich getan und mir nochmal (fast) den ganzen Rest der Tiffany-Serie aus dem Bücherregal geholt, den ich ebenso empfehlen kann wie “The Sheperd’s Crown”: “I Shall Wear Midnight” (auf deutsch: “Das Mitternachtskleid”), “A Hat Full of Sky” (auf deutsch: “Ein Hut voller Sterne”) und “Wintersmith” (auf deutsch: “Der Winterschmied”).
Und wer ganz genau wissen will, welche Phänomene der Scheibenwelt ihren Ursprung in der realen Folklore und Geschichte unserer Welt haben, dem empfehle ich das hervorragende Buch “The Folklore of Discworld: Legends, Myths, and Customs from the Discworld with Helpful Hints from Planet Earth” (auf deutsch: “Mythen und Legenden der Scheibenwelt”) das Terry Pratchett gemeinsam mit der Literaturwissenschaftlerin und Folklore-Expertin Jacqueline Simpson geschrieben hat.
Was ich sonst noch gelesen habe
- “Ich und die Menschen” (im Original: “The Humans”) von Matt Haig. Das Buch lag ewig lang ungelesen bei mir im Regal, bis ich es am Abend vor einer langen Zugfahrt zufällig in der Hand und einfach mal mitgenommen hatte. Ich habe es dann auch gleich in einem Rutsch im Zug ausgelesen. Es geht um einen Außerirdischen, der auf die Erde geschickt wird, um zu verhindern, dass dort jemand vom Beweis der Riemannschen Vermutung erfährt, die dem Cambridger Mathematiker Andrew Martin gelungen ist. Dazu wird Martin umgebracht und durch den Alien ersetzt der sich jetzt daran macht, alle Spuren des Beweises (und alle die davon wissen) zu vernichten. So wie ich das beschreibe klingt das jetzt wie ein Sci-Fi-Thriller. Ist es aber nicht. Sondern ein vergleichsweise witziger Roman in dem die Menschheit aus Sicht des Aliens gezeigt wird, der komplett durcheinander ist und mit unseren Eigenheiten und unserer “Primitivität” so gar nicht klar kommt. Und am Ende merkt dann auch der Alien, dass so ein Menschenleben ganz interessant sein kann. Ein schönes und unterhaltsames Buch das ich nur empfehlen kann. (Genau so wie Punkt 12 der dort enthaltenen “97 Ratschläge für einen Menschen”: “In den Nachrichten sollte zuerst über Mathematik berichtet werden, dann über Dichtung und von da an absteigend über den Rest”.)
- “Marathonduell” von Sabina Naber. Dieser Krimi spielt in Wien und wie der Titel schon andeutet, geht es um einen Mord der während des jährlichen Wien-Marathons stattfindet. Ich fand den Krimi an sich recht gut; die beiden Ermittler waren erfrischend anders als die üblichen Kommissare und die Handlung spannend. Aber es kann auch sein, dass ich das Buch nur deswegen gut fand, weil ich den Marathon selbst schon gelaufen bin und mich über die sehr detailgetreue Darstellung der Strecke und des Laufs selbst gefreut haben. Und die nächsten beiden Bände hab ich mir auc gleich besorgt: “Caddielove” (Mord beim Golfen in Wien) und “Schwalbentod” (Mord beim Fußball in Wien). Und um all die Wiener Leichen wieder aus dem Kopf zu kriegen, hab ich mir noch drei Morde in München genehmigt: “Sister Sox”, “München Blues” und “Schampanninger” von Max Bronski sind jetzt nicht unbedingt der Höhepunkt des Krimigenres – aber auf jeden Fall amüsant und gut lesbar.
- “Der Adolf in mir: Die Karriere einer verbotenen Idee” von Serdar Somuncu. Von diesem Buch war ich enttäuscht. Somuncus Lesungen aus “Mein Kampf” kannte ich ja und ich war wirklich interessiert, wie da die Hintergrundgeschichte aussieht. Wie kommt man auf die Idee, so etwas zu machen? Wie reagieren die Veranstalter auf so ein Programm? Wie das Publikum? Wie die Öffentlichkeit? Was lernt man aus der Auseindersetzung mit Hitlers Buch? Und so weiter. All das sollte – laute Klappentext – Thema des Buchs sein. War es auch, aber nur während eines sehr geringen Teils. Der Rest besteht aus Somuncus unsortierten Gedanken zu allen möglichen Themen. Und auch wenn da ein paar sehr interessante Punkte dabei waren, war die Umsetzung doch extrem uninteressant. Wenn Somuncu auf drei Seiten PEGIDA, die Flüchtlingskrise und den Islamismus abhandelt, dann muss er entweder sehr genial und enorm gut und prägnant formulieren können. Oder sich auf Allgemeinplätze beschränken. Im Buch passiert leider zweiteres. Somuncu schreibt sich von Thema zu Thema und findet doch nirgendwo irgendeinen tiefergehenden Gedanken bei dem man das Gefühl hat, es hätte sich jetzt gelohnt das zu lesen. Am interessantesten fand ich persönlich noch die paar Seiten, in denen es um die Interna der deutschen Comedy-Szene ging (aber auch nur, weil ich ja selbst seit einiger Zeit am Rande dieser Comedy/Kabarettisten-Welt arbeite). Ich wüsste aber nicht, wieso sonst jemand dieses Buch lesen sollte. Von Somuncu gibt es mit Sicherheit bessere Sachen als “Der Adolf in mir”.
- “Endzeit: Die Geschichte der christlichen Jahreszählung” von Sepp Rothwangl
- “Pi – Faszination in Ziffern” von Gerald Steffens
. Der Titel sagt eigentlich schon, worum es in dem Buch geht. Von der fernen paläolithischen Vergangenheit bis in die Gegenwart erzählt der Autor, wie sich unser Kalender entwickelt hat; wie er von den verschiedenen Kulturen und Religionen beeinflusst worden ist und am Ende zu dem Kalender wurde, den wir heute fast auf der ganzen Welt nutzen. Neben der allgemeinen Geschichte des Kalenderwesens spielt auch die Vorhersage des Weltuntergangs – eine Hobby das die Menschheit seit Jahrtausenden intensiv betreibt – eine wichtige Rolle im Buch. Wer sich regelmäßig mit Themen wie der Zeitrechnung und den Zusammenhängen zwischen Religion und dem Kalenderwesen beschäftigt, findet in “Endzeit” ein hervorragendes Referenzwerk mit vielen Fakten und Quellenangaben. Als Buch zum “einfach so” lesen ist es dann aber vielleicht doch nicht zu optimal. Dafür sind die Themenwechsel zu sprunghaft; viele eigentlich interessante Geschichten werden nur kurz erwähnt aber nicht vertieft und die Abbildungen sind leider teilweise von so schlechter Qualität, das man besser ganz auf sie verzichtet hätte.
. Das letzte Buch, das ich im Dezember vorstellen möchte, ist kein Buch im eigentlichen Sinn. Abgesehen vom Titel findet man darin keine Wörter, sondern nur Zahlen. Aber dafür gleiche eine ganze Million davon – nämlich die erste Million Nachkommastellen von Pi! Ich habe im Dezember unter anderem deswegen in diesem Buch “gelesen”, weil ich ja auch Pi-Botschafter des Vereins der Freunde der Zahl Pi bin und dieses Amt auch manchmal auf der Bühne während der Science-Buster-Shows ausübe. Da rezitiere ich dann unter anderem ein paar Dutzend Nachkommastellen live. Auswendig natürlich… Als Requisite wollten wir dazu auch ein schönes Pi-Buch auf der Bühne haben und bei der Recherche dazu bin ich auf die Pi-Seite von Gerald Steffens gestoßen, der genau solche Bücher produziert und mir netterweise einige davon geschenkt hat. Im normalen Handel sind sie meines Wissens nach nicht erhältlich (obwohl ich nach den Shows ständig gefragt werde, ob man die Bücher denn auch irgendwo kaufen kann…)
Das wars für den Dezember. Ich hoffe ihr hattet ein schönes Lesejahr und habt jede Menge interessante Bücher entdeckt. 2016 geht es dann wieder weiter. Ich bin schon gespannt, was es da für Lesestoff geben wird.
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