So gut wie alle Energie die wir nutzen kommt von der Sonne. Aber wie kriegt die Sonne das eigentlich hin? Was stellt sie an, um diese großen Mengen an Energie zu produzieren? Klar, dort findet Kernfusion statt. Wasserstoff wird zu Helium. Aber wenn man die Sache genau betrachtet, ist es schon ein klein wenig komplizierter. Wie unser Stern aus Materie Energie macht und damit unsere Lebensgrundlage sichert, ist das Thema der aktuellen Folge der Sternengeschichten.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 168: Die Energie im Inneren der Sonne – Teil I
So gut wie die gesamte Energie die wir auf der Erde verwenden, stammt von der Sonne. Bei Solarenergie ist der Zusammenhang direkt erkennbar. Aber auch beim Rest steckt am Ende die Sonne dahinter. Wind entsteht durch die Temperaturunterschiede in der Erdatmosphäre die von der Sonne verursacht werden. Der Wasserkreislauf wird durch die Sonne angetrieben. Fossile Brennstoffe enthalten die Sonnenenergie, die vor Jahrmilliarden dort gespeichert wurde. Selbst die Kalorien in unserer Nahrung sind ultimativ auf die Sonne zurück zu führen: Pflanzen nutzen ihr Licht direkt für die Photosynthese und wandeln es in chemische Energie um und wenn wir Fleisch essen, dann haben diese Tiere ihre eigene Energie zuvor ebenfalls aus Pflanzen oder anderen Tieren die Pflanzen essen gewonnen. Mit der Ausnahme von Kernenergie stammt alles von der Sonne (und die radioaktiven Elemente wurden immerhin in anderen Sternen produziert).
Aber wie genau schafft es die Sonne, die großen Mengen an Energie bereit zu stellen? Klar, dort wird Wasserstoff zu Helium fusioniert. Aber wie läuft das im Detail ab? Und wie gelangt das, was im Inneren unseres Sterns erzeugt wird dann am Ende zur Erde?
Die Entstehung eines Sterns ist ein ziemlich kniffliges Thema, und eines, über das man ziemlich viel erzählen muss, um es komplett zu verstehen. Ein wenig davon habe ich schon in den Folgen 1 und 110 der Sternengeschichten erzählt. Für diese Folge reicht es, wenn wir die ganzen Frühphasen der Sternentstehung überspringen und gleich zu einem fertigen Stern wie unserer Sonne springen.
Damit ein Stern überhaupt Wasserstoff zu Helium fusionieren kann, muss die Temperatur hoch genug sein. Je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sich die Atome und je schneller sie sich bewegen, desto größer ist die Wucht, mit der sie bei Kollisionen aufeinander prallen. Und nur wenn die groß genug ist, kann die Abstoßungskraft überwunden werden, die zwischen ihnen wirkt.
Denn die Wasserstoffatome sind ja elektrisch geladen und stoßen einander ab, wenn sie zu nahe kommen. Beziehungsweise die Kerne der Wasserstoffatome sind es und um die geht es bei der Fusion auch. Die Temperaturen im Inneren von Sternen sind im Allgemeinen immer so hoch, dass die negativ geladenen Elektronen der Atomhülle sich lösen und nur noch der elektrisch positiv geladene Kern übrig bleibt. Und wenn da die Temperatur noch höher als ungefähr 3 Millionen Grad ist, können die Atomkerne verschmelzen, wenn sie aufeinander treffen.
Im Kern der Sonne liegt die Temperatur bei ungefähr 15 Millionen Grad; das reicht also für die Kernfusion. Neben der Temperatur muss es aber auch noch genug Teilchen geben, damit am Ende ausreichend Energie erzeugt wird. Aber im Inneren von Sternen ist auch die Dichte enorm groß. In der Sonne liegt der Druck bei 200 Milliarden Bar, ist also 200 Milliarden mal größer als der normale atmosphärische Druck auf der Erdoberfläche.
Es gibt also sehr viele Teilchen auf sehr wenig Raum die sich sehr schnell bewegen. Sie können kollidieren, verschmelzen und dabei Energie freisetzen. Aber das ist natürlich noch längst nicht alles! Wasserstoff kann auf verschiedene Art und Weise zu Helium werden. Ein wichtiger Weg ist die sogenannte “Proton-Proton-Reaktion”.
Sie beginnt, wenn zwei Wasserstoffkerne zu Kern eines Deuteriumatoms verschmelzen. Deuterium ist noch kein Helium sondern ein Isotop des Wasserstoffs. Ein normales Wasserstoffatom hat im Kern ja nur ein einziges Proton; ein Wasserstoffkern ist nichts anderes als ein Proton. Treffen zwei davon aufeinander, kann eines in ein Neutron umgewandelt werden und man bekommt einen neuen Kern der aus einem Proton und einem Neutron besteht. Dieses Element nennt man Deuterium und zusätzlich wird bei der Reaktion noch ein Positron und ein Neutrino frei. Das Neutrino saust sofort davon, da diese Teilchen ja so gut wie nie mit anderer Materie reagieren. Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons und von denen gibt es im Kern der Sonne ebenfalls jede Menge (all die Elektronen zum Beispiel, die früher mal Teil der Atomhüllen der Wasserstoffatome waren). Das Positron trifft also ziemlich schnell auf ein Elektron, beide vernichten sich gegenseitig und es wird Energie in Form von Gammastrahlung frei.
Die Sache geht aber noch weiter: Der Deuteriumkern kann nun mit einem weiteren Wasserstoffkern reagieren. Nun entsteht ein Atom mit zwei Protonen und einem Neutron im Kern; also sogenanntes “Helium-3”. Typischerweise reagieren im nächsten Schritt nun zwei Helium-3-Kerne um am Ende endlich das stabile und normale Helium-Atom mit zwei Protonen und zwei Neutronen zu erzeugen. Zusätzlich werden hier auch noch zwei Wasserstoffkerne frei, die für neue Reaktionen zur Verfügung stehen.
In ungefähr neun Prozent aller Fälle kann in der Sonne aber auch noch ein anderer Weg eingeschlagen werden. Die Sonne gehört ja zur dritten Generation der Sterne, enthält also neben dem beim Urknall erzeugten Elementen Wasserstoff und Helium auch schon andere, schwerere chemische Elemente die zuvor in anderen Sternen erzeugt worden sind. Die können nun ebenfalls für Kernreaktionen verwendet werden. Aus Helium-3 und normalen Helium kann zum Beispiel Beryllium entstehen, das zu Lithium zerfällt und das wiederum kann mit Wasserstoff zu Helium fusionieren. Ein weiterer Weg führt über die Verwendung von Beryllium und Bor. Welche Reaktion mit welcher Häufigkeit stattfindet, hängt von der Temperatur ab. Damit die Kernreaktionen mit Beryllium, Bor oder Lithium wirklich effektiv laufen braucht es aber Temperaturen, die höher sind, als sie derzeit im Inneren der Sonne herrschen; diese Prozesse werden also erst später so richtig relevant, wenn unser Stern ein wenig heißer geworden ist. Und in Sternen, die noch viel größer sind als unsere Sonne gibt es wieder ganz andere Prozesse.
Zum Beispiel den sogenannten Bethe-Weizsäcker-Zyklus. Damit dieser Prozess funktioniert muss ein Stern nicht nur Wasserstoff und Helium besitzen, sondern auch schon geringe Mengen an Kohlenstoff. Dann kann eine komplexe Kette von Reaktionen aus Wasserstoff Helium machen. Alles beginngt mit Kohlenstoff und Wasserstoff, die zu Stickstoff verschmelzen. Dieses Stickstoff-Atom ist allerdings instabil und zerfällt zu einem Isotop des Kohlenstoffs, das nun mit einem weiteren Wasserstoff zu stabilen Stickstoff verschmelzen kann. Der fusioniert mit Wasserstoff, erzeugt ein instabiles Sauerstoffatom, das zu einem anderen Isotop stabilen Stickstoffs verschmilzt. Das kann nun ein weiteres Mal mit Wasserstoff fusionieren und erzeugt jetzt endlich Helium und ein neues Kohlenstoffatom; genau von der Art das auch schon ganz zu Beginn beteiligt war. Am Ende ist also über einen großen Umweg aus Wasserstoff Helium geworden und der Kohlenstoff ist nicht verbraucht worden sondern wurde nur als Katalysator verwendet.
Welcher Prozess für die Energieproduktion der Sonne verantwortlich war wusste man übrigens lange nicht. Man kann ja nicht in den Kern hinein schauen und nachsehen, welche Atome da herum sausen und verschmelzen. Bethe-Weizsächer-Zyklus und Proton-Proton-Reaktion unterscheiden sich aber in der Art und der Menge der Neutrinos, die dabei frei werden. Diese Teilchen zu detektieren ist aber enorm knifflig, wie ich in Folge 103 der Sternengeschichten ja beschrieben habe. Es hat bis in die 1960er Jahren gedauert, bis man Neutrinos aus dem Inneren der Sonne nachweisen und feststellen konnte, dass die Energieproduktion dort über die Proton-Proton-Reaktion stattfindet.
Mittlerweile weiß man auch, dass der Bethe-Weizsäcker-Zyklus erst ab Temperaturen von mehr als 14 Millionen Grad funktioniert und erst ab 30 Millionen Grad so richtig effektiv wird. Er spielt also vor allem in großen Sternen eine wichtige Rolle, aber nicht bei so kleinen und vergleichsweise kühlen wie unserer Sonne.
Genaugenommen wäre es aber in der Sonne nicht einmal heiß genug, um die normale Proton-Proton-Reaktion ablaufen zu lassen. Im allerersten Schritt müssen da ja zwei Wasserstoffkerne zu einem Deuteriumkern verschmelzen. Bei den Temperaturen im Kern der Sonne kommt das aber nur sehr selten vor. So selten, dass es eigentlich nicht reichen würde, um die Menge an Energie zu erklären, die sie produziert. Die Abstoßungskraft ist zu stark und die durchschnittliche Geschwindigkeit der Wasserstoffkerne zu gering. Warum es trotzdem funktioniert hat man erst verstanden, als die Quantenmechanik entwickelt wurde. Der sogenannte “Tunneleffekt” sorgt bei Teilchen dafür, dass sie einander auch nahe kommen können, obwohl die Abstoßungskraft zu groß ist. Da ein Teilchen in der quantenmechanischen Beschreibung keinen eindeutigen Aufenthaltsort hat, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit überall zu finden ist, besteht auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Protonen nahe genug für eine Fusion kommen; die abstoßende Barriere der elektrischen Kräfte wird also quasi durchtunnelt.
So oder so: Am Ende ist aus vier Wasserstoffkernen ein Heliumkern geworden. Dieser Heliumkern hat ein bisschen weniger Masse als die beiden einzelnen Wasserstoffkerne zusammengenommen. Die überschüssige Energie ist die, die bei der Fusion abgegeben wird. Nimmt man alle Reaktionen zusammen, bleiben am Ende knapp 25 Mega-Elektronenvolt, die im Inneren der Sonne frei werden. Das klingt viel, ist aber eigentlich ziemlich wenig. In einem halben Liter Bier oder einem 50-Gramm-Riegel Schokolade stecken ungefähr 250 Kilokalorien. Das sind 6500 Billiarden Mega-Elektronenvolt! Oder anders gesagt: 1040 Billiarden Wasserstoffkerne müssen zu 260 Billiarden Heliumkernen verschmelzen, damit die gleiche Menge an Energie frei wird, die in einem großen Glas Bier oder einem kleinen Schokoriegel steckt. Aber das ist kein Problem: In jeder Sekunde werden in der Sonne 564 Millionen Tonnen Wasserstoff in 560 Millionen Tonnen Helium umgewandelt und vier Millionen Tonnen ihrer Masse in Energie. Das ist genug für einige Gläser Bier… für ein 343 Trillionen pro Sekunde um genau zu sein.
Aber noch ist die Energie im Kern gefangen. Bis sie zu uns auf die Erde gelangt, hat sie noch einen weiten Weg vor sich. Aber dazu dann mehr in der nächsten Folge der Sternengeschichten.
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