In den letzten Tagen haben die Gravitationswellen die Welt der Wissenschaft und auch mein Blog (zum Beispiel hier, hier oder hier) dominiert. Aber natürlich ist die Forschung nicht stehen geblieben und auch andere Wissenschaftler haben andere interessante Dinge beobachtet. Zum Beispiel die Atmosphäre der Supererde 55 Cancri e.
Der Planet 55 Cancri e (der mittlerweile den offiziellen Namen “Janssen” bekommen hat) ist ein interessanter Himmelskörper! Entdeckt wurde er im Jahr 2004. Er umkreist gemeinsam mit mindestens vier anderen Planeten den Stern 55 Cancri A, der selbst wieder Teil eines Doppelsternsystems ist. 55 Cancri e ist 8,6 mal so schwer wie unsere Erde und hat den doppelten Radius unseres Planeten. Seine Dichte ist recht hoch und sogar noch ein wenig größer als die Dichte der Erde (die immerhin die größte Dichte der Planeten in unserem Sonnensystem hat). 55 Cancri e ist seinem Stern (der ungefähr so groß und schwer die Sonne ist) enorm nahe: Er braucht für einen Umlauf nur 18 Stunden! Auf seiner Oberfläche ist es darum auch extrem heiß; ungefähr 1700 Grad, weswegen man dort auch Anzeichen von Vulkanismus vermutet.
Über den Aufbau des Planeten selbst weiß man aber noch recht wenig. Man spekuliert darüber, ob er vielleicht zu großen Teilen aus Kohlenstoff besteht; ein Drittel seiner Masse könnte aus einer Art von Diamant bestehen. Die aktuellen Forschungsergebnisse (“Detection of an atmosphere around the super-Earth 55 Cancri e”) beschäftigen sich aber nicht mit dem inneren Aufbau von 55 Cancri e sondern mit seiner Atmosphäre.
Die Erforschung exoplanetarer Atmosphären ist ja eines der großen und wichtigen aktuellen Themen in der Astronomie. Planeten bei anderen Sternen haben wir mittlerweile ja schon sehr viele entdeckt. Darunter auch jede Menge, die der Erde in Größe und Masse ähneln. Aber ob darunter wirklich erdähnliche Himmelskörper sind, wissen wir nicht. Dazu müssten wir in der Lage sein herauszufinden wie ihre Atmosphären zusammengesetzt sind bzw. feststellen, ob sie überhaupt Atmosphären haben. Dafür reichen die technischen Mittel noch nicht aus. Oder besser gesagt: Sie reichen fast nicht aus; in einigen Fällen lassen sich Informationen gewinnen und 55 Cancri e ist genau so ein Fall.
Der Planet bewegt sich von uns aus gesehen direkt vor seinem Stern vorbei; es gibt also Transits. Das kann man nutzen, wenn man sich auf die Suche nach einer Atmosphäre macht und Angelos Tsiaras vom University College London und seine Kollegen haben genau das getan. Sie haben die Kameras des Hubble-Weltraumteleskops verwendet, um das Licht des Sterns zu beobachten. Das hat man gemacht bevor der Planet vor dem Stern vorüber zog und nachdem er vorüber gezogen war. Dieses “reine” Sternenlicht ist quasi die Grundlinie für die weitere Messung (“out-of-transit baseline”). Denn im nächsten Schritt beobachtet man das Licht des Sterns während der Planet von uns aus gesehen vor ihm vorüber zieht (“in-transit spectra”). Von diesen Messungen subtrahiert man nun das Licht der Grundlinie und was dann übrig bleibt, sieht so aus:
Das Bild zeigt die Menge des Sternenlicht, die vom vorüberziehenden Planeten verdeckt wird und zwar in Abhängigkeit der Wellenlänge des Lichts. Wäre der Planet einfach nur ein atmosphäreloser Felsbrocken (oder Riesendiamant 😉 ), dann sollte da einfach nur eine gerade Linie zu sehen sein. Denn dann würde immer gleich viel Licht verdeckt werden, egal bei welcher Wellenlänge. Hat er eine Atmosphäre, ist das aber anders! Verschiedene Gase blockieren bei unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich viel Licht. Oder anders ausgedrückt: Ein Planet mit Atmosphäre erscheint bei Betrachtung mit unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich groß. Und genau das ist es, was auch die Daten zeigen. Die konkreten Daten”punkte” sind die grauen Linien und daran, dass es Linien sind und keine Punkte erkennt man auch schon, dass die Beobachtungsfehler recht groß waren. Trotzdem kann man einen deutlichen Trend erkennen; von links nach rechts sind die Daten”punkte” immer weiter oben im Diagramm zu finden (was auch die braune Ausgleichslinie zeigt); es wird also immer mehr Licht blockiert.
Der Planet hat also eine Atmosphäre. Aber was für eine? Jetzt wird es kompliziert… Die Daten sind viel zu ungenau, um daraus konkrete Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphäre zu gewinnen. Man hat daher verschiedene Atmosphären am Computer simuliert und geschaut, was gut zu den Beobachtungen passt. Die rote Linie im Diagramm zeigt, wie der Einfluss von Wasserstoff und Helium auf die Lichtdurchlässigkeit der Atmosphäre aussieht. Das passt recht gut zum allgemeinen Trend der Daten und legt nahe, dass die Atmosphäre große Mengen dieser beiden Gase enthält.
Die grüne Linie ist schon etwas komplizierter und zeigt eine simulierte Atmosphäre in der sich viel Kohlenstoff befindet. Die passt auch recht gut und könnte belegen, dass tatsächlich ein Drittel von 55 Cancri e aus Kohlenstoff besteht. Betrachtet man die Details der grünen Kurve, dann findet man auch Hinweise auf das Vorhandensein von Cyanwasserstoff (Blausäure), ein weiterer Indikator für die Existenz von Kohlenstoff.
Aber: Diese Details sind alle nur Spekulation. Die Genauigkeit der Daten reicht bei weitem nicht aus, um irgendwas über die konkrete Zusammensetzung der Atmosphäre zu sagen! Das einzige, was man aus ihnen tatsächlich ableiten kann, ist die Existenz dieser Atmosphäre. Und das ist ja auch schon beeindruckend genug!
55 Cancri e ist der bis jetzt kleinste Planet, bei dem die Existenz einer Atmosphäre nachgewiesen werden konnte. Gut, es ist keine “zweite Erde”. Bei Temperaturen von 1700 Grad kann keine Atmosphäre lebensfreundliche Bedingungen schaffen (und schon gar keine, in der sich eventuell Blausäure befindet). Aber es ist ein erster Schritt! Es ist toll, dass wir solche Messungen schon mit unseren existierenden Instrumenten machen können! Wenn das jetzt heute schon möglich ist, dann werden wir mit der nächsten Generation der Riesenteleskope die in den 2020er Jahren den Betrieb aufnehmen, noch viel mehr machen können! So wie die Suche nach extrasolaren Planeten mit der Entdeckung enorm seltsamer Himmelskörper begonnen hat und erst nach knapp 15 Jahren bei den “normalen” Planeten angekommen ist, werden auch die ersten extrasolaren Atmosphären eher von der extremen Sorte sein. Aber früher oder später werden wir auch die anderen Atmosphären finden und untersuchen können. Und irgendwann wird dann auch eine dabei sein, die der unserer Erde ähnelt…
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