Unsere Sonne erzeugt Energie durch Kernfusion in ihrem Inneren. So viel ist klar und so viel habe ich auch schon in der letzten Folge erklärt. Aber wie kommt die Energie aus dem Kern wieder heraus und bis zu Erde? Das klingt einfacher als es ist – in so einem Stern ist ziemlich viel los und der ganze Trubel steht der Energie im Weg!
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Transkription
Sternengeschichten Folge 169: Die Energie im Inneren der Sonne – Teil II
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich erklärt, wie die Sonne in ihrem Inneren aus der Fusion von Wasserstoff zu Helium Energie produziert. Das passiert nur in ihrem innersten Kern, dort wo die Temperaturen ausreichend hoch sind. Und nur dort wird auch die Energie freigesetzt. Da muss sie irgendwie raus und das ist gar nicht so einfach. Bis all die Energie auf der Erde landen kann um uns dort zur Verfügung zu stehen, muss einiges geschehen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie Energie im Inneren eines Sterns transportiert werden kann. Einmal den Transport durch Strahlung und dann den Transport durch Konvektion.
Bei den Kernreaktionen wird die Energie in Form von hochenergetischen Photonen frei. Diese Art des Lichts nennt man “Gammastrahlung” und es hat eine sehr geringe Wellenlänge; zu gering als das wir es mit unseren Augen sehen könnten. Normalerweise könnte sich Gammastrahlung genau so ausbreiten wie die anderen Arten des Lichts bzw. der elektromagnetischen Strahlung. Im Kern der Sonne ist dafür aber kein Platz. Dort ist die Dichte enorm hoch und wenn die Photonen sich auf den Weg nach draußen machen, kommen sie nicht weit. Schon nach kurzer Zeit treffen sie auf die vielen dort herumsausenden Elektronen. Sie werden absorbiert und kurz danach vom Elektron wieder abgestrahlt. Die Richtung wechselt dabei komplett zufällig und es ist daher ebenso dem Zufall überlassen, wie schnell die Photonen bei ihrem Weg aus der Sonne hinaus voran kommen.
Was im Inneren eines Sternes vor sich geht, hat im Jahr 1926 der britische Astronom Arthur Stanley Eddington besonders schön und poetisch beschrieben. So schön, dass ich es gerne direkt zitieren möchte, auch wenn viele Details der Energieproduktion im Inneren der Sonne damals natürlich noch nicht bekannt waren. In seinem Buch “The Internal Constitution of the Stars” schreibt er:
“Das Innere eines Sterns ist ein Durcheinander von Atomen, Elektronen und Photonen. Nur mit Hilfe der neuesten Entdeckungen der Atomphysik können wir den Feinheiten dieses Tanzes folgen. Wir haben damit begonnen, das Innere eines Sterns zu erforschen und finden uns plötzlich bei der Erforschung des Inneren eines Atoms wieder. Versucht euch den Aufruhr vorzustellen! Zerzauste Atome sausen mit 80 Kilometern pro Sekunde herum und ihre kunstvollen Hüllen aus Elektronen werden im Getümmel in Fetzen gerissen. Die verlorenen Elektronen bewegen sich hundert Mal schneller um einen neuen Ruheplatz zu finden.
Passt auf! Es gab fast eine Kollision zwischen einem sich nähernden Elektron und einem Atomkern. Aber das Elektron beschleunigt und saust in einer engen Kurve um den Kern herum. Ein paar tausend solcher Beinahe-Kollision übersteht das Elektron in 10-10 Sekunden aber manchmal kommt es in der Kurve ins Schleudern und seine Energie wird erhöht oder vermindert. Aber dann schleudert es stärker als sonst und wird ganz vom Atom gefangen und festgehalten. Sein Leben in Freiheit ist zu Ende. Aber nur für einen kurzen Moment. Kaum dass das Atom diesen neuen Skalp an seinem Gürtel befestigt hat, trifft es auf ein Lichtteilchen. In einer großen Explosion macht sich das Elektron wieder auf den Weg zu neuen Abenteuern. Anderswo kollidieren zwei Atom frontal und prallen voneinander ab, mit desaströsen Folgen für ihr spärliches Gewand.”
Durch dieses Gewusel aus Teilchen muss sich die Energie ihren Weg bahnen. Der Bereich im Inneren der Sonne, in dem so ausgesprochen wild zugeht umfasst etwa 70 Prozent ihres Radius, also vom Zentrum aus gemessen knapp 487.000 Kilometer. Den Weg, den die Photonen aber tatsächlich zurück legen ist dank der vielen Begegnungen mit den Elektronen viel, viel länger und macht ein paar zehntausend Lichtjahre aus!
Erst weiter außen in der Sonne wird es ein wenig ruhiger. Hier beginnt nun die sogenannte “Konvektionszone”. Die Temperaturen sind nun so weit gesunken, dass die Atome nicht mehr alle ihre Elektronen aus der Hülle verloren haben. Die dichte des Sonnenplasmas ist nun gering genug, dass sich Strömungen ausbilden können. Plasma an der Grenze zu den heißeren, inneren Bereichen wärmt sich auf, verringert seine Dichte und kann dadurch aufsteigen. Weiter oben kühlt es ab, die Dichte wird wieder größer und es sinkt zurück in das heiße Innere der Sonne. So entsteht ein Kreislauf aus auf- und absteigendem Material, durch den die Energie das letzte Stück bis an die Sonnenoberfläche transportiert wird.
Im Durchschnitt dauert es so ungefährt 100.000 Jahre bis die im Kern der Sonne erzeugte Energie an ihre Oberfläche gelangt. Durch die vielen Kollisionen mit den Elektronen ist aus der hochenergetischen Gammastrahlung nun größtenteils normales, sichtbares Licht geworden. An der Oberfläche ist die Sonne deswegen auch nur noch knapp 6000 Grad heiß und keine 15 Millionen Grad mehr wie im Kern.
Die restliche Reise von 150 Millionen Kilometer bis zur Erde legt die Strahlung recht fix zurück. Im nun leeren Weltraum steht ihr nichts mehr im Weg und nach 8 Minuten ist sie bei uns angekommen. Natürlich nicht alles. Abgesehen davon, dass – wie gesagt – schon einiges unterwegs beim Strahlungstransport verloren gegangen ist, strahlt die Sonne ja auch nicht exklusiv in Richtung der Erde. Sie gibt ihre Energie in alle Richtungen ab und wir kriegen nur einen kleinen Teil davon. Im Durchschnitt sind das 1367 Watt pro Quadratmeter; allerdings auch nur außerhalb der Atmosphäre. Vieles davon wird noch an Wolken, Schnee und dem restlichen Material der Erdoberfläche reflektiert. Ist der Himmel klar, erreichen uns noch etwa 1050 Watt pro Quadratmeter. Wenn wir all diese Energie auch tatsächlich nutzen würde, wäre das aber trotzdem noch ziemlich viel…
Das läuft so seit etwa 4,5 Milliarden Jahren und es wird noch für 5 bis 6 Milliarden Jahre weiterhin so laufen. Auch wenn die Sonne 4 Millionen Tonnen ihrer Masse pro Sekunde verliert, hat sie doch noch ausreichend viel Wasserstoff übrig, um bis in die ferne Zukunft Energie zu produzieren.
Noch besser wäre es, wenn sie ein wenig kleiner wäre. Dann wäre sie zwar auch kühler, aber sie könnte viel, viel länger leuchten. In kleinen Sternen, den sogenannten roten Zwergen, wird ebenfalls Wasserstoff in Helium umgewandelt. Da die Temperaturen dort aber geringer sind, ist auch die Konvektionszone viel größer. Bei den Mini-Sternen reicht sie bis fast an den Kern selbst heran. Das bedeutet, dass hier der gesamte Stern regelmässig durchgemischt wird. Die Konvektionsströme bringen ständig frischen Wasserstoff tief in den Kern hinunter, wo er die Kernfusion am Laufen hält.
Bei der Sonne ist das anders. Hier kann nur der Wasserstoff für die Fusion verwendet werden, der sich im Kern befindet. Im Laufe der Zeit wird er verbraucht und immer mehr Helium sammelt sich an. Wie sich das auswirkt, habe ich in Folge 35 der Sternengeschichten ausführlich erklärt. Um Helium zu neuen Elementen zu fusionieren reichen die Temperaturen im Kern der Sonne nicht aus; erst wenn die Wasserstofffusion mangels Nachschub fast komplett zusammenbricht und die Sonne nun unter ihrem eigenen Gewicht kollabiert, wird auch das Helium stark genug aufgeheizt um fusionieren zu können. Diese Phase dauert aber – verglichen mit der gesamten Lebensdauer der Sonne – nicht allzu lange. Sie beendet ihr Leben als normaler Stern und wird zu einem roten Riesen und einem weißen Zwerg.
Kleinere Sterne können ihren Wasserstoff viel gründlicher und effektiver verbrauchen und tun das wegen der geringen Temperaturen auch noch langsamer. Darum können sie einige Billionen Jahre lang überleben; also hunderte Male länger als die bisherige Lebensdauer des gesamten Universum! Größer ist also nicht immer besser; das gilt auch für Sterne. Aber trotzdem will man vielleicht nicht unbedingt in der Nähe eines roten Zwergs leben. Und man müsste ihnen schon recht nahe kommen; da sie so schwach leuchten müsste ein Planet ihnen viel näher sein als die Erde der Sonne um ausreichend Energie für lebensfreundliche Temperaturen abzukommen. Das kann aber Probleme schaffen, denn rote Zwerge neigen zu enorm starken Aktivitätsausbrüchen. Die Bewegung des Plasmas beeinflusst auch die Stärke der Magnetfelder der Sterne und weil sich das Plasma bei roten Zwergen durch den ganzen Stern bewegt und nicht nur in einer schmalen Zone wie bei der Sonne können die Felder dort auch viel stärker werden. Es kann dort viel größere Sternflecken, Portuberanzen und Sternstürme geben und sie können ihre Helligkeit sehr schnell sehr stark ändern. Das mag zwar aus sicherer Entfernung recht nett aussehen; dort leben will man aber vielleicht nicht unbedingt.
Unsere Sonne ist also trotz ihrer vergleichsweise recht kurzen Lebensdauer ein recht angenehmer Stern der nicht nur so nett ist, schon seit Milliarden Jahren Energie für uns bereit zu stellen sondern das auch noch ein paar Milliarden Jahre lang tut ohne zwischendurch großartig Ärger zu machen. Und wenn wir irgendwann mal lernen, diese Energie auch vernünftig zu nutzen, steht uns vielleicht auch eine ebenso lange Zukunft bevor…
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