Kürzlich hat man mir eine sehr interessante Frage gestellt: Warum hat ein Neutronenstern so ein enorm starkes Magnetfeld? Er besteht doch nur aus ungeladenen Neutronen?. Eine gute Frage und eine, über die ich im Rahmen meiner Serie “Fragen zur Astronomie” ein wenig mehr sagen möchte.
Neutronensterne haben tatsächlich enorm starke Magnetfelder. Sie können milliardenfach stärker sein als das Magnetfeld der Erde. Aber wie funktioniert das? Wie der Namen schon sagt, besteht ein Neutronenstern aus Neutronen, also den elektrisch nicht geladenen Bausteinen der Atomkerne. Wie kann etwas ohne elektrische Ladung ein Magnetfeld erzeugen und noch dazu ein so starkes?
Für die Antwort muss man ein wenig ausholen. Denn es ist ja wirklich so: Will man ein Magnetfeld bekommen, braucht man – vereinfacht gesagt – etwas das elektrisch geladen ist und das sich bewegt. Bei der Erde sind das die Ströme aus flüssigem Metall im Inneren unseres Planeten. Auf der Sonne ist es das geladene Plasma, dass dort ständig strömt und das teilweise bis weit hinaus ins All, wie diese beeindruckende Aufnahme zeigt:
Aber wie ist das mit einem Neutronenstern? So ein Objekt entsteht, wenn ein großer Stern sein Leben beendet. In seinem Inneren findet keine Kernfusion mehr statt. Es wird keine Energie und Strahlung mehr produziert, die von innen nach außen drücken kann und der Stern kollabiert unter seinem eigenen Gewicht. So sehr, dass nicht nur die Materie enorm komprimiert wird, sondern die Atome selbst. Die elektrisch negativ geladenen Elektronen aus der Atomhülle werden in die elektrisch positiv geladenen Protonen “gepresst” und es entstehen die elektrisch nicht geladene Neutronen.
Ein typischer Neutronenstern vereint das Gewicht der Sonne in einer Kugel mit einem Radius von nur 10 bis 20 Kilometern. Aber er besteht nicht komplett aus Neutronen!
Freie Neutronen, also Neutronen die nicht im Inneren eines Atomkerns mit Protonen zusammen gebunden sind, sind instabil. Sie zerfallen mit einer Halbwertszeit von nur 10 Minuten. Das heißt, sie überleben nicht lange. Im Prinzip ist das auch im Inneren eines Neutronensterns so. Nur ist hier eben die Dichte enorm groß. Zerfällt ein Neutron (den Prozess nennt man “Beta-Zerfall”) in ein Proton und ein Elektron, sorgt der Druck dafür, dass sofort wieder ein neues Neutron entsteht. Aber an der Oberfläche des Neutronensterns bzw. knapp darunter ist das nicht so. Hier reicht der Druck nicht aus und Neutronen können nicht existieren.
Ein Neutronenstern ist also von einer Kruste aus normaler Materie – im Allgemeinen Eisen – umgeben. Ganz außen findet sich eine “Atmosphäre” aus Elektronen; unter der Kruste findet man eine Übergangszone in der Neutronen und normale Atomkerne gemischt auftreten und erst darunter die “reine” Neutronenmaterie. Das Magnetfeld wird von den Elektronen, Protonen und den ionisierten Atomkernen in den äußeren Schichten des Neutronensterns erzeugt. Und es ist deswegen so stark, weil so ein Neutronenstern enorm schnell rotiert. Manche von ihnen brauchen nur wenige Millisekunden für eine Umdrehung. Der Effekt ist der gleiche wie bei den Eiskunstläufern (oder, falls man das lieber mag: Wenn man auf einem Drehstuhl im Kreis rotiert): Dreht man sich mit ausgestreckten Händen um die eigene Achse und zieht die Arme dann ein, erhöht sich die Rotationsgeschwindigkeit aufgrund der Drehimpulserhaltung. Dadurch verdichten sich auch die magnetischen Feldlinien und das Feld wird stärker.
Die Sache ist natürlich noch ein Stück komplizierter als ich sie gerade eben sehr vereinfacht beschrieben habe (zum Beispiel haben auch Neutronen ein “magnetisches Moment”, auch wenn sie keine elektrische Ladung haben). Vor allem haben wir noch immer nicht verstanden, wie genau sich die Materie im Kern eines Neutronensterns verhält. Dort könnte die Materie in Form anderer Teilchen vorliegen, die ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat bilden, also einem Aggregatzustand der in unserem Alltag nicht vorkommt und bei dem alle Teilchen den selben quantenmechanischen Zustand haben. Vielleicht gibt es dort auch freie Quarks, die sich nicht zu Neutronen zusammengefunden haben und bilden einen hypothetischen Quarkstern.
Mit den extremen Bedingungen im Inneren eines Neutronensterns haben wir keine Erfahrungen und auch Experimente in Teilchenbeschleunigern sind nicht in der Lage, solche Bedingungen zu reproduzieren. Aber eventuell kann die kürzlich entstandene Gravitationswellenastronomie neue Informationen liefern. Auch Neutronensterne können Quellen von Gravitationswellen sein; zum Beispiel dann wenn dort “Neutronensternbeben” stattfinden. Also dann, wenn sich die Materie im Inneren des Neutronensterns spontan “umschichtet” und der Stern ein wenig unrund rotiert.
Eine Analyse solcher Gravitationswellen könnte uns einiges darüber verraten, wie es in seinem Inneren wirklich aussieht. Die Sache mit dem Magnetfeld haben wir aber zumindest schon mal verstanden. Es existiert, weil ein Neutronenstern nicht nur aus Neutronen besteht.
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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