Wie findet man heraus, wie alt ein Stern ist? Klingt nach einer simplen Frage. Immerhin ist das Alter eine der fundamentalen Eigenschaften eines Sterns; gemeinsam mit der Masse und seiner Entfernung gehört das Alter zu den Eigenschaften die wir kennen müssen, wenn wir irgendwas vernünftiges über den Stern herausfinden wollen. Aber Sterne sind hinterhältig! Sie sind enorm weit entfernt und von der Erde aus kriegen wir von ihnen nichts außer ein paar Photonen. Man hielt es daher auch lange Zeit für völlig illusorisch, irgendwas genaueres als ihre Position und ihre Helligkeit über sie erfahren zu können. Aber Astronominnen und Astronomen sind hartnäckig! Sie ließen sich nicht unterkriegen und haben Wege gefunden, das herauszufinden, was sie wissen wollten. Und die Frage nach der Altersbestimmung von Sternen eignet sich daher gut die teilweise enorm kreativen und komplexen Methoden zu illustrieren, die in der modernen Astronomie benutzt werden.
Aus der direkten Beobachtung der Sterne erfahren wir vorerst nur zwei Informationen: Wir können herausfinden, wo am Himmel sie sich befinden und wie hell sie erscheinen. Bei genauerer Analyse können wir mittlerweile auch bestimmen wie schnell sie sich bewegen, welche Farbe sie haben und wenn wir dann auch noch die Spektroskopie einsetzen um die Zusammensetzung des Lichts zu untersuchen, kriegen wir auch noch ein paar Informationen über die chemischen Bestandteile des Sterns. Aber das Alter? Ist eine ganz andere Angelegenheit…
Wir wissen heute, dass die Lebensdauer eines Sterns von seiner Masse abhängt. Je massereicher ein Stern ist, desto heißer ist es in seinem Inneren und desto schneller kann die Kernfusion dort ablaufen. Und umso schneller verbraucht der Stern dann auch das zur Verfügung stehende Brennmaterial. Wir wissen also, dass ein massereicher Stern nicht so lang leben kann, wie ein masseärmerer. Damit wissen wir aber immer noch nichts über das konkrete Alter.
Die Sache wird – vielleicht für manche überraschend – einfacher, wenn wir nicht einen einzigen Stern betrachten sondern viele auf einmal. Es geht dabei um Sternhaufen, also große Gruppen von Sternen die alle zum gleichen Zeitpunkt entstanden sind. Und das ist wichtig! Wir gehen davon aus, dass alle Sterne eines Haufens ihr Leben zum gleichen Zeitpunkt begonnen haben. Wann sie es beenden hängt nun also nur von der Masse ab. Je massereicher sie sind, desto früher geht es mit ihnen zu Ende. Die Verteilung der individuellen Massen eines Sternhaufens ist im allgemeinen komplett zufällig. Man wird also dort Sterne mit unterschiedlichen Massen finden und wenn wir einen beliebigen Sternhaufen betrachten, werden einige seiner Mitglieder ihr Leben schon beendet haben während andere noch hell leuchten.
Hier kommt nun eines der wichtigsten Instrumente in der Astronomie ins Spiel: Das Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD), das ich hier schon ausführlicher erklärt habe. In diesem Diagramm werden die Sterne anhand ihrer Temperatur und ihrer Helligkeit eingetragen. Die Temperatur entspricht der Masse; je massereicher, desto heißer ist ein Stern. Die Helligkeit hängt ebenfalls von der Temperatur ab: Je massereicher/heißer ein Stern ist, desto heller leuchtet er auch. Aber – und das ist wichtig! – nur, wenn er sich in der “normalen” Phase seines Lebens befindet. Also in der Phase, in der man von einem “normalen” Stern sprechen kann. In der Astronomie nennt man das die “Hauptreihen”-Phase, weil sich die entsprechenden Sterne im HRD entlang einer Linie anordnen. Erst wenn die Sterne ihr Leben beenden, also zum Beispiel zu einem Roten Riesen werden, gilt der lineare Zusammenhang zwischen Temperatur und Helligkeit nicht mehr und die Sterne verlassen die Hauptreihe.
Betrachtet man eine beliebige Gruppe von Sternen, zum Beispiel alle Sterne einer Galaxie, dann wird man auch überall im Diagramm Sterne finden. Sterne, die noch nicht auf der Hauptreihe angekommen sind. Sterne auf der gesamten Hauptreihe. Und Sterne, die die Hauptreihe schon wieder verlassen haben. Das hilft uns bei der Altersbestimmung nicht weiter. Aber wenn wir die Sterne eines Sternhaufens betrachten, sieht die Sache anders aus.
Da alle Sterne zum gleichen Zeitpunkt entstanden sind, hängt ihre Position im HRD nur von der Masse ab. Die massereichen Sterne verlassen die Hauptreihe vor den masseärmeren und wie viele von ihnen das schon getan haben, wird durch das Alter des Sternhaufens bestimmt. Ist der Haufen alt, hatten schon viele Sterne die Gelegenheit, ihr Leben zu beenden. Ist er noch jung, dann werden sich die meisten Sterne noch auf der Hauptreihe befinden. Betrachtet man also das HRD eines einzelnen Sternhaufens, dann muss man nur noch nachsehen, wo genau die Hauptreihe endet. Und kann daraus berechnen, wie alt der Haufen ist. Dieses Alter entspricht dann auch dem Alter aller Sterne im Haufen, denn sie wurden ja alle zur gleichen Zeit geboren.
Nun sind aber leider nicht alle Sterne Teil eines Sternhaufens. Und beim Rest ist es leider nicht so einfach, das Alter zu bestimmen. Es zwar jede Menge unterschiedliche Methoden, die man verwenden kann, die aber meistens schwer anwendbar oder aber nicht so genau sind. Man kann zum Beispiel aus der Rotationsgeschwindigkeit seines Sterns auf das Alter schließen, wie ich hier erklärt habe. Wenn es sich um Stern mit besonderen Eigenschaften (zum Beispiel Sterne die ihre Helligkeit periodisch verändern) handelt, kann man das oft ebenfalls nutzen, um das Alter herauszufinden. Und natürlich gibt es Computersimulationen: Wir können am Computer simulieren, wie sich ein Stern im Laufe seines Lebens verhalten sollte und wie er im Laufe der Zeit seine Helligkeit verändert (was er ja tut, wie ich hier erklärt habe). Diese Simulationen kann man mit tatsächlichen Beobachtungen vergleichen und das Alter abschätzen.
Kurz gesagt: Das Alter eines Sterns zu bestimmen, ist nicht einfach. Es ist möglich, aber nur über Umwege und nicht in allen Fällen. Die Astronomen aber werden sich sicherlich weiterhin anstrengen, neue Methoden zu entwickeln. Egal wie hinterhältig die Sterne sind: Die Astronomen haben bis jetzt immer noch gewonnen 😉
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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