Hurra! Die neue Physik-Saison hat begonnen. Der große Teilchenbeschleuniger LHC am Europäischen Kernforschungszentrum CERN hat lange Zeit im Wartungsmodus und “Winterschlaf” verbracht, bevor er am 25. März wieder aktiviert wurde. Es gab die üblichen Tests; es gab einen eher unüblichen Zwischenfall mit einem Marder, der einen Kurzschluss ausgelöst hat, aber nun ist alles startklar. Ab jetzt werden wieder physikalische Daten gesammelt. Und nicht zu wenig! Der Plan ist, im Jahr 2016 bis zu sechsmal mehr Daten zu sammeln als 2015!
Das ist auch dringend nötig. Die Teilchenphysik braucht dringend neue Daten. Mit dem Nachweis des Higgs-Teilchens im Jahr 2012 hat man eine Schwelle überschritten und steht jetzt vor dem Unbekannten. Das Higgs-Teilchen war quasi die letzte bekannte Markierung; die letzte große Vorhersage des Standardmodells der Teilchenphysik. Diese Vorhersage wurde erfolgreich bestätigt und jetzt… ja – was jetzt?
Die Theoretiker sind den Experimentatoren in der Teilchenphysik weit voraus. Fast schon zu weit; es gibt enorm viele und vor allem unterschiedliche theoretische Modelle die beschreiben, wie es mit der Teilchenphysik weitergehen könnte. Wir wissen, das es irgendwie weiter gehen muss. Das Standardmodell kann längst noch nicht alles gewesen sein; dafür gibt es noch zu viele fundamentale offene Fragen. Aber momentan weiß niemand, in welche Richtung es weiter gehen soll. Und solange es keine konkreten neuen Daten gibt, wird sich daran auch nichts ändern.
Natürlich wird man mit den neuen Daten des LHC auch das bestehende Wissen verbessern können. Die Eigenschaften des Higgs-Teilchens werden viel besser verstanden werden können und die Wissenschaftler werden daraus viel über die Details des Standardmodells lernen können. Aber was man wirklich braucht ist etwas Neues. Ein neues Phänomen; ein neues Teilchen – irgendetwas, das über das bestehende Wissen hinaus reicht und uns sagt, wohin die Reise in Zukunft gehen wird.
Die Chancen, dass das gelingt, stehen gut. Schon in den alten Daten finden sich Hinweise auf mögliche neue Teilchen. Und da der LHC nun wieder Teilchen mit der Höchstenergie von 13 Tera-Elektronenvolt aufeinander prallen lässt und – während der Experimente – immerhin 1 Milliarde davon pro Sekunde, wäre es seltsam, wenn man dabei nicht irgendwas Neues finden würde. Sechs Monate wird man nun Protonen auf Protonen treffen lassen; nach einer vierwöchigen Pause werden dann Kollisionen zwischen Protonen und den Kernen von Bleiatomen durchgeführt.
Es würde mich wundern, wenn wir am Ende des Jahres 2016 nicht wesentlich mehr über die Natur der Materie wissen als jetzt. Mit all den Daten, die in den nächsten Monaten gesammelt werden, sollten wir eigentlich neue Teilchen entdecken. Sofern sie vorhanden sind natürlich. Und wenn sie nicht vorhanden sind: Nun, dann sagt uns auch das etwas, was wir vorher nicht gewusst haben. Aber ich traue mich zu wetten, dass der LHC im Laufe dieses Jahres etwas entdecken wird, was vorher noch nicht bekannt war. Und hoffentlich wissen wir dann besser, in welche Richtung sich die Teilchenphysik in Zukunft wenden soll!
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