Asteroid sind großartig. Asteroiden sind – zumindest meiner Meinung nach – die interessantesten und wichtigsten Himmelskörper im Universum. Sie sind der Ursprung der Planeten; sie sind die Quelle des Wassers auf der Erde und eventuell sogar der Grund, warum es Leben auf unserem Planeten gibt. Asteroiden sind eine hervorragende Möglichkeit, Rohstoffe im All zu gewinnen und der einzige brauchbare Weg zu den Sternen. Asteroiden liefern wichtige Informationen über den Ursprung von Planetensystemen. Und Asteroiden sind extrem wichtig, wenn man die Dynamik eines Systems verstehen will.

Hurra! Asteroiden! (Bild: NASA/JPL-Caltech/JAXA/ESA)

Hurra! Asteroiden! (Bild: NASA/JPL-Caltech/JAXA/ESA)

Ein typischer Stern wird von einer Handvoll Planeten umkreist. In jedem Planetensystem finden sich aber Milliarden kleinerer Himmelskörper: Asteroid, Kometen und Staub in unterschiedlichsten Größen. Vereinfacht gesagt sind die Dinger überall dort, wo keine Planeten sind. Oder anders formuliert: Die Verteilung der Asteroiden spiegelt die Verteilung der Planeten wieder. Gravitative Störungen (die Resonanzen, die ich hier erklärt habe) der großen Himmelskörper zwingen die kleinen Objekte auf bestimmte Umlaufbahnen.

Das alles ist natürlich schon interessant genug. Noch ein wenig interessanter wird es durch die Tatsache, dass Asteroiden und andere Kleinkörper oft besser zu beobachten sind als Planeten. Das klingt paradox, denn man sollte ja denken, dass man etwas umso besser sehen kann, je größer es ist. Das stimmt im Prinzip auch – aber nicht immer. Planeten und Asteroiden sind beide dunkel. Sie erzeugen selbst kein Licht, sondern reflektieren nur das Licht ihrer Sterne. Wie gut sie das können, hängt unter anderem von ihrer Oberfläche ab. Und zusammengenommen haben all die kleinen Objekte eine viel größere Oberfläche als die paar Planeten eines Sterns. Gerade die kleinen Staubkörner können erstaunlich gut sichtbar sein: Sie werden durch die Strahlung des Sterns aufgeheizt und geben die Energie in Form von Wärme wieder ab. Im Infrarotlicht kann man sie daher gut beobachten. Staub kommt aber nicht einfach aus dem Nichts; er muss irgendwie produziert werden. Das wiederum machen die Asteroiden: Wenn sie miteinander kollidieren, entsteht Staub. Wir beobachten also den Staub, können daraus schließen wo sich die Asteroiden befinden müssen und aus deren Eigenschaften berechnen, wo sich Planeten befinden können bzw. müssen, um die staubproduzierenden Asteroiden genau auf die Umlaufbahnen zu zwingen, die zu der beobachteten Staubverteilung führen.

Mit genau dieser Methode habe ich zum Beispiel vor einigen Jahren die Staubscheibe um den Stern Beta Pictoris analysiert und die Existenz eines Planeten vorhergesagt, dessen Existenz dann sogar tatsächlich bestätigt worden ist. Chilenische Astronomen haben nun einen besonders interessanten Fall von Interaktion zwischen Asteroiden und Planeten beobachtet. Und in diesem Fall ist “beobachtet” sogar das korrekte Wort. Denn es handelt sich um eines der seltenen Planetensystemen, bei denen die Planeten nicht indirekt nachgewiesen wurden, sondern direkt abgebildet worden sind.

Drei der Planeten von HR 8799 (NASA/JPL-Caltech/Palomar Observatory/a>)

Drei der Planeten von HR 8799 (NASA/JPL-Caltech/Palomar Observatory/a>)

Der Stern um den es geht heißt HR 8799 und ich habe 2008 über die direkte Beobachtung von drei Planeten berichtet, die diesen Stern umkreisen. Mittlerweile weiß man, dass es mindestens vier Planeten gibt (obwohl es vielleicht auch braune Zwerge sind und keine Planeten). Beobachtungen mit Infrarotteleskopen haben auch Hinweise auf Staub geliefert, der in dem System zu finden ist.

An sich ist das noch nicht besonders; wir kennen einige Systeme in denen wir sowohl Staub/Asteroiden als auch Planeten nachgewiesen haben. Allerdings ist es bis jetzt immer schwer, Verbindungen zwischen beiden herzustellen. Planeten finden wir um so besser, je näher sie an ihrem Stern sind. Beim Staub ist umgekehrt: Hier favorisieren unsere Beobachtungsmethoden Staubscheiben, die weit entfernt vom Stern sind. HR 8799 ist aber einer der wenigen Sonderfälle, in denen die gefundenen Planeten weit entfernte Umlaufbahnen haben. Der äußerste Planet – HR 8799b – ist fast doppelt so weit von seinem Stern entfernt wie der Neptun von unserer Sonne. Damit befindet er sich ungefähr in der selben Gegend wie die Asteroiden. Bzw. die vermuteten Asteroiden. Bisher wiesen die Daten darauf hin, dass es mindestens drei Regionen mit kleine Körpern gibt. Einen Asteroidengürtel der sich irgendwo innerhalb der Umlaufbahnen der Planeten befindet; einen weiteren Gürtel außerhalb der Planetenbahnen und eine Wolke aus Staub, die das gesamte Planetensystem umgibt. Also ungefähr so wie bei uns, wo ja auch ein Asteroidengürtel in der Region zwischen den Orbits von Mars und Jupiter zu finden ist und ein weiterer großer Gürtel außerhalb der Bahn von Neptun.

Staub um HR 8799 (Bild: NASA/JPL-Caltech/K.Su)

Staub um HR 8799 (Bild: NASA/JPL-Caltech/K.Su)

Genau zu bestimmen, wo die beiden Gürtel sich bei HR 8799 aufhalten, war bis jetzt allerdings nicht möglich. Die chilenischen Astronomen und der Leitung von Mark Booth haben nun neue Daten mit dem ALMA-Teleskop der Europäischen Südsternwarte gemacht (“Resolving the planetesimal belt of HR 8799 with ALMA”). Dadurch war es ihnen möglich, die innere Grenze des äußeren Asteroidengürtels direkt zu beobachten und zu vermessen.

Das blaue ist die Strahlung vom Staub im Asteroidengürtel erzeugt wird. Im (vergrößert dargestellten) Zentrum ist die Position des Sterns markiert und man sieht auch die vier Planeten. Laut diesen Daten befindet sich die innere Grenze des Asteroidengürtels bei einem Abstand von 145 Astronomischen Einheiten (ist also 145 mal weiter von ihrem Stern entfernt als die Erde von der Sonne). Die äußere Grenze liegt bei 430 AE. Das ist interessant – aber überraschend. Eigentlich sollte die innere Grenze viel näher am Stern liegen. Der äußerste bekannte Planet ist ja nur 68 AE vom Stern entfernt. Eigentlich sollten sein störender Einfluss nicht so weit nach außen reichen. Die Astronomen vermuten daher, dass es noch einen weiteren Planeten außerhalb der Umlaufbahn von HR 8799b geben könnte, dessen gravitative Störungen die Grenzen des Asteroidengürtels nach außen verschieben. Das wird auch durch die im Bild gut sichtbaren Klumpen in der Staubverteilung gestützt. Solche Unregelmäßigkeiten sind so gut wie immer Hinweise auf den Einfluss größerer Himmelskörper.

Bis man genau weiß, was da alles um den Stern HR 8799 kreist und wie sich die Objekte gegenseitig beeinflussen, wird noch ein wenig Zeit vergehen. Aber ich finde es immer wieder großartig, wenn ich von solchen Planetensystemen höre. An die Existenz und den Nachweis von Planeten bei anderen Sternen haben wir uns ja schon gewöhnt. Aber Beobachtungen wie die bei HR 8799 machen deutlich, dass da draußen eben nicht nur Sterne und ein paar Planeten herumschwirren. Sondern dynamische Sonnensysteme so wie das unsere. Mit Planeten, ja – aber eben auch mit Asteroiden, Kometen, Monden und all den anderen Himmelskörpern, die eine komplexe Welt ausmachen. Wenn man sich vor Augen hält, was wir in unserem System in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles herausgefunden haben; wenn man an all die tollen Bilder von Asteroiden wie Pluto oder ; Monden wie Titan; Kometen wie Tschurjomow-Gerasimenko denkt und all die anderen Himmelskörper die wir besucht haben; wenn man all das bedenkt und sich dann auch noch klar macht das so gut wie jeder Stern am Himmel von einem mindestens ebenso komplexen und vielfältigen System umgeben ist, dann wird einem erst so richtig bewusst, wie großartig unser Universum eigentlich ist. Und das es da draußen noch so enorm viel zu entdecken gibt…

Kommentare (8)

  1. #1 Crazee
    19. Mai 2016

    Volle Zustimmung

    (außer dass bei Dir die Asteroidenabwehr schon funktioniert: Bei einigen bröckelt das Ende schon ab. 😉 )

  2. #2 Thomas N.
    19. Mai 2016

    Sind die 4 Planeten auch nur markiert oder tatsächlich so auf der Aufnahme zu sehen?

  3. #3 Franz
    19. Mai 2016

    Gabs da bei der Analyse von Tschuri nicht die Aussage, dass das Wasser doch nicht von Kometen gekommen sein kann ?

  4. #4 rolak
    19. Mai 2016

    auf der Aufnahme zu sehen?

    Da hängt keine Polaroid am Teleskop, Thomas, es werden die Eingangsdaten mathematisch ziemlich komplex aufgearbeitet und dann in einem schicken FalschFarben-Bild dargestellt.
    Unter diesem Bild mit der gelb markierten Vergrößerung ist die Arbeit verlinkt, kannst bei Interesse ja ein wenig hinterherhecheln…

  5. #5 Roman
    Wien
    19. Mai 2016

    Und das es da draußen noch so enorm viel zu entdecken gibt…

    Toller Artikel!

  6. #6 walter
    20. Mai 2016

    Sehr schöner Beitrag der so richtig Lust auf Astronomie macht.

    Was mich immer beeindruckt ist, wie leistungsstark die ganzen Teleskope, Spiegel usw. sind. Ich hab da immer so den Badezimmerspiegel oder ein selbst zusammengezimmertes Teleskop im Hinterkopf mit dem man max. bis zum nächsten Haus sieht. Aber so mal in der “Jausenpause” ein paar 100 LICHTJAHRE weit zu schauen is schon ganz großes Kino. Von den ganz großen Entfernungen red ich jetz gar nicht, da klinkt der Verstand eh aus.

  7. #7 Thomas N.
    20. Mai 2016

    @rolak: Meine Frage bezog sich auf die Formulierung “Im (vergrößert dargestellten) Zentrum ist die Position des Sterns markiert und man sieht auch die vier Planeten”. Der Stern ist auch im nicht vergrößerten Abschnitt markiert. Ich habe mich nur gewundert, dass “ist … markiert” nur auf den Stern bezogen wurde, so dass unklar ist, ob im nicht vergrößerten Bereich die kleinen vier Punkte tatsächlich auf dem mathematisch bearbeiteten Falschfarbenbild auftauchen oder nicht. Das “Hinterherhecheln” lässt eine Rest-Unklarheit und wäre auch nicht nötig, wenn Florian gleich die vier Punkte als “markiert” eingeschlossen hätte, und zwar nicht nur im vergrößerten Ausschnitt. Ich gehe erstmal davon aus, dass da auf dem Falschfarbenbild nicht die allergeringste Spur von den Planeten zu sehen ist und deren Positionen nachträglich markiert wurden, möglicherweise sogar an nicht exakt den richtigen Stellen.

  8. #8 Alderamin
    20. Mai 2016

    @Franz

    Nicht von Kometen wie Tschuri, aber dann eben eher von Asteroiden, wie oben im Text steht.