Vor zwei Jahren im Sommer hat die Raumsonde Rosetta den weit von der Sonne entfernten Kometen Tschurjumow-Gerasimenko erreicht. Gemeinsam mit ihm fliegt sie seitdem durchs All. Ein paar Monate später hat sie die Landeeinheit Philae abgesetzt; die beiden haben die Sonne umrundet und gegen Ende dieses Jahres wird die Mission spektakulär enden, mit dem Versuch einer Landung von Rosetta selbst. Während der ganzen Mission haben Rosetta und Philae Daten gesammelt und die sind durchaus spektakulär. Besonders die chemischen Analysen, die kürzlich veröffentlicht worden sind, zeigen wie komplex so ein Komet eigentlich ist.
Ein großer Brocken aus Eis und Gestein: So stellt man sich einen Kometen vor. Und das ist auch nicht falsch – aber neben Eis und Fels gibt es dort noch jede Menge andere Sachen. Vor allem überraschend komplexe Chemikalien. Über die Suche und den Fund von “Complex Organic Molecules (COMs)” auf Kometen habe ich ja früher schon geschrieben. Aber nun haben Wissenschaftler um Kathrin Altwegg von der Uni Bern noch ein paar besonders interessante Entdeckungen gemacht (“Prebiotic chemicals—amino acid and phosphorus—in the coma of comet 67P/Churyumov-Gerasimenko”). In der Hülle aus Gas und Staub die den Kometen umgibt, haben sie Glycin nachgewiesen. Glycin ist eine Aminosäure, die in so gut wie allen wichtigen Proteinen vorkommt. Im menschlichen Stoffwechsel spielt sie eine genau so wichtige Rolle wie als Signalstoff im Nervensystem. Dass man sie nun auch auf einem Kometen gefunden hat, ist beeindruckend.
Aber nicht komplett überraschend. Schon früher haben Messungen beim Kometen Wild 2 angedeutet, dass man Glycin auf diesen Himmelskörpern finden kann. Die Daten waren damals aber nicht eindeutig und es war unklar, ob es bei den eingesammelten Proben irgendwo zu Verunreinigungen gekommen war. Bei Rosettas Komet war der Nachweis aber zweifelsfrei.
Glycin ist zwar ein wichtiger Baustein des Lebens; die Entdeckung bedeutet aber natürlich nicht, dass es auf dem Kometen Leben gibt. Aber sie zeigt, dass auch dort erstaunlich komplexe chemische Verbindungen entstehen können. Die dafür nötigen Atome und Moleküle schwirren ja überall im Weltall herum. Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, etc gibt es da vergleichsweise viel. Und in der speziellen Umgebung eines Kometen können sie sich auch miteinander verbinden. Vermutlich landen sie auf den Staubkörner und im Eis, wo sie zueinander finden und dann freigesetzt werden, wenn das Eis bei der Annäherung an die Sonne erwärmt wird.
Eine weitere interessante Entdeckung von Altwegg und ihren Kollegen war der Nachweis von Phosphor. Auch dieses Element ist essentiell für das Leben; es ist ein Baustein der DNA und ein unverzichterbarer Teil des Energiekreislaufes im Körper (ich habe erst kürzlich mehr zu diesem Element erzählt.
Glycin und Phosphor sind aber nur die letzten Einträge in einer schon recht langen Liste chemischer Moleküle, die man auf Rosettas Komet nachgewiesen hat. Schon davor hat man das hier gefunden:
- Ammoniak, der hier auf der Erde zum Beispiel als Dünge- und Reinigungsmittel verwendet wird.
- Methan, ein Treibhausgas auf der Erde und zu einem großen Teil furzenden Rindern zu verdanken.
- Formaldehyd, das zum Beispiel zur Haltbarmachung von biologischen Präparaten benutzt wird, aber auch als Desinfektionsmittel und in manchen Früchten (Weintrauben, etc) zu finden ist.
- Schwefelwasserstoff, der grauenhaft stinkt; für den Mundgeruch verantwortlich ist und überraschenderweise trotzdem als Mittel gegen Erektionsstörungen wirken könnte (echt jetzt!).
- Cyanwasserstoff, aka Blausäure, ziemlich giftig aber in trotzdem in unserer Nahrung zu finden, zum Beispiel Mandeln oder den Kernen von Steinfrüchten.
- Schwefeldioxid, ein Gas das stechend riecht, giftig ist aber als Lebensmittelzusatzstoff E220 trotzdem in Bio-Lebensmitteln verwendet werden kann – beispielsweise in Essig oder bei Trockenfrüchten.
- Schwefelkohlenstoff, früher ein Insektenvernichtungsmittel; heute zum Beispiel ein wichtiger Stoff wenn es um den Bau von Spektroskopen geht (vor allem im Infrarot-Bereich, da dass Molekül hier keine störenden Spektrallinien erzeugt).
- Ethanol, das Zeug das Bier, Wein und Schnaps so lustig macht.
- Kohlenmonoxid, ein weiteres giftiges Gas (als wäre es auf so einem Kometen nicht sowieso schon ungemütlich genug).
- Kohlendioxid, ohne das es keine Kohlensäure in sprudelnden Getränken gäbe.
- Wasser, aber dass das auf Kometen zu finden ist, wusste man wirklich schon vorher…
Diese ganzen Moleküle sind mit Sicherheit bei weitem nicht alle, die man auf den Kometen finden kann. Wenn neue Raumsonden neue Untersuchungen anstellen, werden sie mit Sicherheit auch neue Moleküle finden. Und es wird immer deutlicher, dass diese Himmelskörper in der Frühzeit der Erdgeschichte eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass diese fliegenden chemischen Labore all das erst auf die Erde gebracht haben, aus dem sich dann die ersten Lebewesen entwickeln konnten…
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