Mein Body-Mass-Index (BMI) (Gewicht in kg geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat) liegt bei 22,6. Ein bisschen weniger als beim deutschen Fußballer Sami Khedira (zumindest wenn man dieser zwei Jahre alten Statistik glaubt). Im Gegensatz zu Khedira spiele ich aber trotzdem nicht in der Nationalmannschaft und über den Wert dieser Maßzahl für die Beurteilung des Körpergewichts eines Menschen ist sowieso umstritten. Als grobe Regel um einzuschätzen ob man Über-, Unter- oder Normalgewicht hat, ist sie aber trotzdem recht brauchbar. Und ein passendes Thema für meine Serie über Wissenschaft aus den Teilnehmerländern bei der Fußball-EM, denn der Body-Mass-Index wurde vom belgischen Astronom und Mathematiker Adolphe Quetelet entwickelt.
Quetelet wurde 22. Februar 1796 in Gent geboren; er wurde später Direktor am Observatoire Royal de Belgique – seine astronomische Arbeit ist aber bei weitem nicht so relevant wie seine Tätigkeit als Statistiker. Quetelet war ab 1841 Präsident der statistischen Zentralkommission in Belgien und hat sich vor allem mit der Sozialstatistik beschäftigt. Er hat den Brustumfang von Soldaten gemessen; Körpergrößen, Gewicht aber auch probiert, Charaktereigenschaften von Menschen statistisch zu erfassen. Dabei stellte er fest, dass viele dieser Eigenschaften normalverteilt waren. Das bedeutet, dass die meisten Werte – zum Beispiel bei der Körpergröße – in der Nähe eines Durchschnittswerts liegen und die Zahl der Abweichungen davon um so geringer werden, je größer sie sind. Laut Quetelet gibt es einen Idealtyp eines “mittleren Menschen” und er nannte die Untersuchung dieses Durchschnittsmenschen und die Abweichungen davon “Sozialphysik”. Da passt es dann auch, dass sich Quetelet intensiv mit Kriminologie beschäftigt hat und herausfinden wollte, welche Eigenschaften Menschen kriminell machen. Das Problem bei solchen Studien ist aber natürlich immer die Frage nach der Kausalität. Wenn Wissenschaftler zum Beispiel feststellen, dass Leute mit einem hohen bzw. niedrigen BMI weniger oft im Gefängnis landen, mag das zwar interessant sein. Aber daraus zu folgern, dass das Körpergewicht einen ursächlichen Einfluss auf die Kriminalität hat, ist unzulässig.
Was die Bevölkerungsstatistik angeht war Quetelet sicher ein Pionier. Dass von allen seinen Tätigkeiten gerade der umstrittene Body-Mass-Index heute noch am bekanntesten und populärsten ist, ist ein zweifelhafter Ruhm. Der Ernährungswissenschaftler Ancel Keys, der den Begriff “Body Mass Index” 1972 in einer Arbeit das erste Mal erwähnt hat, hat extra dazu gesagt, dass man diese Zahl nicht zur Beurteilung von Einzelpersonen verwenden soll, sondern nur bei Bevölkerungsgruppen. Das sieht sicher auch Lukas Podolski so: Mit einem BMI (er stammt wieder aus der oben verlinkten Statistik) von 25,1 hat er die Grenze zum Übergewicht nämlich knapp überschritten…
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