Morgen spielt die Schweiz das erste Mal in einem Achtelfinale bei einer Fußball-Europameisterschaft. Aber schon 1995 waren zwei Schweizer die Ersten: Nämlich bei der Entdeckung der extrasolaren Planeten. Der Planet, den sie damals gefunden haben, war ein sogenannter “heißer Jupiter”, ein so seltsames Objekt, dass man zuerst sogar dachte, es müsse sich um einen Messfehler handeln. Der Himmelskörper war aber real und heute wissen wir auch, warum er so seltsam ist.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 187: Heiße Jupiter
Jahrhunderte haben die Menschen nach Planeten gesucht, die nicht unsere Sonne sondern andere Sterne umkreisen. Jahrhunderte lang blieb die Suche nach solchen Exoplaneten erfolglos. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts hatte man Erfolg und heute kennen wir Tausende solcher Planeten. Wir wissen mittlerweile, dass sie überall zu finden sind. Wir wissen aber auch, dass die Planeten anderer Sterne nicht immer so sind, wie wir das aus unserem Sonnensystem kennen.
Unser Sonnensystem ist einigermaßen geordnet. Es besteht aus acht Planeten. Vier davon sind eher klein, bestehen hauptsächlich aus Gestein und Metall und haben eine feste Oberfläche. Diese vier, Merkur, Venus, die Erde und der Mars nehmen die vier innersten Umlaufbahnen um die Sonne herum ein. Die anderen vier Planeten sind groß, bestehen zu einem großen Teil aus Gasen wie Wasserstoff und Helium und besitzen keine feste Oberfläche. Die großen vier – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – umkreisen die Sonne weit außen.
Diese Ordnung mit den kleinen, festen Planeten innen und den großen, gasförmigen außen war das, was man eigentlich auch erwarten würde. Es ist das Resultat, dass sich ganz natürlich bei der Entstehung von Planeten einstellt, wie ich in Folge 67 der Sternengeschichten ausführlich erklärt habe. Weiter außen um einen Stern gibt es mehr Material aus dem Planeten entstehen können und deswegen sind dort auch die größeren Planeten zu finden.
Aber seit der Entdeckung der ersten Exoplaneten haben wir gelernt, dass sich nicht immer alle Planetensysteme an diese Regeln halten. Anderswo kann es erstaunlich anders aussehen. Gleich der allererste Exoplanet den man entdeckt hatte, war so ein Exot. Im Jahr 1995 haben die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz den Stern 51 Pegasi beobachtet, der zu Ehren der Schweizer Wissenschaftler mittlerweile den offiziellen Namen “Helvetios” erhalten hat. Dabei handelt es sich um einen etwa 8 Milliarden Jahre alten gelben Zwergstern im Sternbild Pegasus, der gerade noch so hell leuchtet, dass er von der Erde aus unter guten Bedingungen mit freiem Auge sichtbar ist.
Nicht sichtbar ist dagegen der Planet, der den Stern umkreist. Zumindest nicht ohne technische Hilfsmittel. Auch Mayor und Queloz haben den Planeten nicht direkt gesehen, aber sie konnten messen, dass der Stern wackelt, weil er von der Gravitationskraft des Planeten beeinflusst wird. Aus der Stärke und der Periode dieses Wackelns lassen sich die Eigenschaften des Planeten bestimmen und die waren so seltsam, dass viele Astronomen anfangs eher skeptisch waren.
Der Planet ist etwa halb so schwer wie Jupiter, weswegen er auch den offiziellen Namen “Dimidium” bekommen hat; aus dem lateinischen für “die Hälfte”. Die Masse ist noch nicht außergewöhnlich, dafür aber seine Umlaufbahn. Für eine Runde um den Stern braucht Dimidium nur 4,2 Tage. Das ist erstaunlich schnell! Merkur, der Planet der unserer Sonne am nächsten ist, braucht immerhin 88 Tage für eine Runde. Damit Dimidium einen Umlauf so schnell hinter sich bringen kann, muss er dem Stern auch sehr nahe sein. Sein Abstand beträgt nur knapp 7,5 Millionen Kilometer – damit ist er Helvetios 20 Mal näher als die Erde der Sonne!
Es ist nicht überraschend, das man gerade so einen Planeten als Erstes entdeckt hat. Je größer und näher ein Planet seinem Stern ist, desto stärker bringt er ihn auch zum Wackeln. Überraschend war die Tatsache, dass er überhaupt existiert! Aber in den Jahren nach dieser ersten Entdeckung fanden Astronomen noch viel mehr solcher großen Planeten in engen Umlaufbahnen um ihren Stern. Man nennt diese neue Gruppe von Himmelskörpern die “heißen Jupiter” und versteht mittlerweile auch, wie sie entstanden sind. Ich habe das in Folge 68 der Sternengeschichten ausführlich erklärt; kurz gesagt geht es darum, dass die Planeten zwar tatsächlich weiter entfernt von ihrem Stern entstehen, dort aber nicht bleiben. Die Wechselwirkung mit all dem anderen Material das in der Entstehungszeit der Planeten noch den Stern umkreist führt dazu, dass sie langsam nach innen in Richtung des Sterns wandern können.
Die Nähe zum Stern hat natürlich Auswirkungen auf die Planeten. Sie werden sehr heiß und dehnen sich durch die Hitze stark aus. Ihre Dichte ist daher oft sehr gering. In extremen Fällen, wenn sich Stern und Planet besonders nahe sind, kann die Temperatur so hoch werden, dass sich die Gasteilchen in der Atmosphäre des Planeten so schnell bewegen dass sie von dessen Gravitationskraft nicht mehr zurück gehalten werden können. Große Gaswolken können vom heißen Jupiter entkommen und die Planeten lösen sich im Laufe der Zeit regelrecht auf.
Wir wissen außerdem, dass die Bahnen der heißen Jupiter sehr oft nicht in der Rotationsebene der Sterne liegen, sondern stark geneigt sind. Auch das ist ein Resultat der Wanderung der Planeten durch das Planetensystem und des dabei stattgefundenen Einfluss der anderen Himmelskörper.
Die Gezeitenkräfte zwischen Planet und Stern sind ebenfalls besonders stark. Bei Erde und Mond haben die Gezeiten dafür gesorgt, dass der Mond der Erde immer die selbe Seite zeigt. Bei den heißen Jupitern passiert das ebenfalls: Viele von ihnen weisen immer die gleiche Seite in Richtung ihres Sterns. Dort ist es dann natürlich enorm heiß; auf der anderen Seite herrscht ewige Nacht mit entsprechend niedrigeren Temperaturen.
Aber auch die Sterne selbst werden von den nahen Planeten beeinflusst. Die Gezeiten beeinflussen nicht nur die Rotation des Planeten. Auch der Stern selbst spürt die Gezeitenkraft des Planeten und dadurch dreht er sich immer schneller um seine Achse. Dadurch wird die magnetische Aktivität erhöht; es gibt viel mehr Sternflecken und Protuberanzen, also große Explosionen bei denen Sternmaterial ins All geschleudert wird.
Am Ende kann der Stern den Planet sogar komplett zerstören. Nicht immer sind die Bahnen der heißen Jupiter für lange Zeiten stabil. Wenn sie sich zu nahe sind, kann die Erhöhung der Rotationsgeschwindigkeit beim Stern so groß werden, dass er durch die Zentrifugalkräfte abgeplattet wird. Die veränderte Form des Sterns verstärkt den Einfluss, den er auf die Bewegung des Planeten hat sodaß der immer näher an den Stern heran rückt. Bis irgendwann beide miteinander kollidieren, verschmelzen und eine sogenannte leuchtkräftige rote Nova stattfindet. Rein theoretisch sollte so etwas in unserer Milchstraße ein paar Mal pro Jahrzehnt vorkommen; zweifelsfrei beobachtet hat man dieses Ereignis aber noch nicht.
Dafür haben wir noch nicht genug heiße Jupiter gefunden. Bei Sternen, die unserer Sonne ähnlich sind, machen sie zwar nur ungefähr 1 Prozent der Planeten aus. Bei anderen Sternen könnten sie dagegen häufiger sein. Ganz genau lässt es sich allerdings noch nicht sagen; dafür haben wir leider noch zu wenig Sterne und ihre Planeten beobachtet.
Dass es bei uns keine solchen heißen Jupiter gibt, ist dagegen ein Glücksfall. Bei seinem Weg durch das Sonnensystem hätte ein heißer Jupiter die junge Erde vermutlich zerstört oder aber aus dem Sonnensystem geschleudert. Das dachte man zumindest früher; neue Daten zeigen, dass das vielleicht doch nicht so sein muss. Die Wanderung heißer Jupiter in die Nähe ihrer Sterne könnte längst nicht so katastrophal für den Rest des Planetensystems sein, wie angenommen. Größere und kleinere Himmelskörper die zu diesem Zeitpunkt schon entstanden waren, könnten zwar tatsächlich darunter leiden. Aber anstatt komplett aus dem System geworfen zu werden, könnte die Wanderung des heißen Jupiters das ganze Material einfach nur ein wenig durchmischen. Wenn er seinen Weg zum Stern beendet hat, können aus dem ganzen Zeug wieder neue Planeten entstehen. Planeten, die durch die Durchmischung dann vielleicht sogar lebensfreundlicher sind als unsere Erde. Die Computersimulationen haben gezeigt, dass solche Planeten besonders viel Wasser enthalten könnten.
Ob heiße Jupiter ein Planetensystem nun aber wirklich lebensfeindlich oder erst besonders freundlich machen, können wir noch nicht sagen. Dazu müssen noch mehr Planeten entdeckt und beobachtet werden. Fest steht aber: Die Erforschung dieser seltsamen Himmelskörper hat uns in den letzten Jahrzehnten gezeigt, wie enorm vielfältig die Planeten im Universum sein können. Unser eigenes Sonnensystem ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was da draußen zu finden ist.
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