Spanien hat die letzten beiden Fußball-Europameisterschaften gewonnen. Dieses Mal sind sie schon ausgeschieden. Aber das ist nicht tragisch, denn: Ganz vorne dabei ist Spanien aber bei den Teleskopen. Das größte optische Teleskop der Welt steht in Spanien. Es gehört zum Observatorio del Roque de los Muchachos und dort gibt es noch jede Menge andere äußerst interessante Instrumente, mit denen Astronomen aus Europa den Himmel beobachten.
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Sternengeschichten Folge 188: Das Observatorio del Roque de los Muchachos
Früher gab es Sternwarten in jeder größeren Stadt. Die Gebäude existieren heute noch und beherbergen Museen, Planetarien oder Universitätsinstitute. Meistens sogar auch noch die alten Teleskope. Wissenschaftliche Forschung findet mit diesen Geräten aber so gut wie kaum noch statt. Dafür sind die modernen Städte viel zu hell und zu schmutzig. Im 19. und 20. Jahrhunderten haben die Astronomen die Zentren der Zivilisation verlassen und sich mit ihren Sternwarten in abgelegenen Gebieten angesiedelt. Auf hohen Bergen und in Wüsten, wo der Himmel klar und dunkel ist. In der Atacama-Hochebene in Chile stehen einige der größten Teleskope der Welt; genauso wie auf den Vulkanen von Hawaii oder der Karoo-Wüste in Südafrika.
Aber auch wenn die moderne Astronomie von den Beobachtungsstationen auf der südlichen Halbkugel der Erde dominiert wird: Das größte Teleskop der Welt befindet sich weiterhin auf der Nordhalbkugel und – zumindest aus politischer Sicht – immer noch in Europa. Es steht auf der kleinen Insel La Palma, vor der Küste von Marokko. La Palma ist eine der kanarischen Inseln und gehört zu Spanien. Die spanische Universität von La Laguna hat dort auch das Instituto de Astrofísica de Canarias gegründet, das zwei große Sternwarten betreibt. Das Observatorio del Teide auf Teneriffa und das Observatorio del Roque de los Muchachos auf La Palma.
“Roque de los Muchachos” bedeutet so viel wie “Felsen der Jünglinge” und bildet mit 2426 Meter den höchsten Punkt der gesamten kanarischen Inseln. Es handelt sich um einen alten Vulkan und knapp unter dem Gipfel findet man die Gebäude der Sternwarte. Das Observatorium wurde 1985 eröffnet. Damals taten sich Spanien, Schweden, Dänemark und Großbritannien zusammen, um auf dem Roque de los Muchachos zu forschen. Deutschland trat dem Abkommen ein paar Jahre danach bei; mittlerweile sind auch Italien, Norwegen, die Niederlande, Finnland, Island und die Vereinigten Staaten mit dabei.
Die offizielle Eröffnung der Sternwarte fand am 29. Juni 1985 statt und seitdem wird dort an einer Vielzahl von Teleskopen geforscht. Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaft betreibt dort zum Beispiel das SST, das Swedisch Solar Telescope. Es ist nicht besonders groß, aber das vor allem deswegen, weil es kein Spiegelteleskop ist, so wie die meisten anderen modernen Teleskope. Das SST ist ein Linsenfernrohr und mit einer Öffnungsweite von 98 Zentimetern das zweitgrößte Linsenfernrohr der Welt.
Es befindet sich in einem künstlichen Vakuum um nicht durch Temperaturschwankungen gestört zu werden die auftreten, wenn man tagsüber die Sonne beobachten will. Es besitzt außerdem eine adaptive Optik: Mit dem Gerät werden in jeder Sekunde 1000 Bilder der Sonne analysiert und dazu benutzt, die durch Luftunruhen entstehenden Fluktuationen in der Optik auszugleichen. Damit können Bilder der Sonne gemacht werden, die zu den besten und schärfsten gehören, die vom Erdboden aus möglich sind.
Eine internationale Kooperation betreibt auf La Palma die MAGIC-Teleskope. Das steht für “Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov”- Teleskope. Sie werden benutzt, um Gammastrahlung zu beobachten. Der Durchmesser der Spiegel beträgt enorme 17 Meter und die Gammastrahlung wird damit indirekt gemessen. Wenn Gammastrahlung aus dem All auf die Atmosphäre der Erde trifft, entstehen Schauer aus geladenen Teilchen die sich kurzfristig schneller bewegen, als es das Licht in unserer Lufthülle tun kann. Das ist kein Widerspruch zu Albert Einsteins Relativitätstheorie, die ja nur besagt, dass sich nichts schneller als Licht im Vakuum bewegen kann. Innerhalb von Materie – was auf die Atmosphäre der Erde ja zutrifft – ist Licht langsamer als im Vakuum und kann unter Umständen von anderen Teilchen “überholt” werden. Dann gibt es ein optisches Äquivalent zum Überschnallknall: Einen kurzen Lichtblitz, der “Tscherenkow-Strahlung” genannt wird. Das kann von den MAGIC-Teleskopen registriert werden und daraus kann man Informationen über die ursprüngliche Gammastrahlung gewinnen. Die wiederum liefert Informationen über hochenergetische Ereignisse im Kosmos: Gammablitze zum Beispiel, also die Explosion von Riesensternen am Ende ihres Lebens oder aber auch Material, das in die supermassereichen schwarzen Löchern in den Zentren ferner Galaxien fällt.
Vergleichsweise klein sind die optischen Instrumente des SuperWASP-Observatoriums. Die Abkürzung steht für “Super Wide Angle Search for Planets” und die autonome Beobachtungsstationen besteht aus acht Objektiven mit nur 200 Millimeter Durchmesser. Aber das reicht, um Nacht für Nacht 800 Bilder eines großen Bereichs des Himmels zu machen und die Helligkeiten der darauf befindlichen Sterne zu messen. Aus den Helligkeitsschwankungen will man auf die Existenz von Planeten schließen. Und das gelingt sehr hervorragend: Zusammen mit der zweiten SuperWASP-Beobachtungsstation in Südafrika sammelt man in jeder klaren Nacht knapp 100 Gigabyte an Daten und hat schon über hundert Planeten anderer Sterne gefunden.
Die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden, Island, Norwegen und Finland haben sich zusammengeschlossen um auf La Palma das Nordic Optical Telescope (NOT) zu bauen, eine Instrument mit einem 2,56 Meter durchmessenden Spiegel. Italien betreibt dort das Telescopio Nazionale Galileo (TNG) mit einem 3,58 Meter großen Spiegel.
Eine ganz besondere Geschichte hat das Isaac Newton Telescope (INT). Es wurde schon 1967 eingeweiht, stand aber damals noch in England, im Herstmonceux Castle. Das war zu dieser Zeit der Standort des aus London übersiedelten Royal Greenwich Observatory. Die königliche Sternwarte war aufgrund der Lichtverschmutzung aus der Hauptstadt aufs Land übersiedelt, aber auch dort war das Wetter nicht gut genug, um das Teleskop mit seinem 2,54 Meter großen Spiegel wirklich vernünftig einzusetzen. Also verschiffte man es nach der Gründung des Observatorio del Roque de los Muchachos auf die kanarischen Inseln, wo es seitdem bei wesentlich besseren Wetter den Himmel beobachtet. Und auch die Astronomen aus Großbritannien werden vermutlich viel lieber auf den kanarischen Inseln arbeiten, als in der verregneten englischen Provinz…
Das gilt allerdings nicht für die Wissenschaftler, die mit dem Liverpool Telescope (LT) arbeiten wollen. Mit seinem zwei Meter großen Spiegel bietet es zwar einen tollen Blick ins Weltall; betrieben wird es allerdings vollautomatisch vom Astrophysics Research Institute der Universität von Liverpool aus.
Belgien betreibt auf La Palma das 1,2 Meter große Mercator Teleskop. Die Niederlande und Großbritannien teilen sich ihr gemeinsam gebautes 1 Meter großes Jacobus Kapteyn Teleskop. Das kleine, nur 18 Zentimeter durchmessende Carlsberg Meridian Teleskop der Universität von Kopenhagen in Dänemark ist allerdings seit 2013 nicht mehr in Betrieb. Das Dutch Open Telescope der Universität Utrecht in den Niederlanden beobachtet allerdings immer noch die Sonne.
Zu den größten Instrumenten auf dem Roque de los Muchachos gehört das William Herschel Telescope (WHT). Es wird von Großbritannien, den Niederlanden und Spanien betrieben und war zum Zeitpunkt seiner Eröffnung im Jahr 1987 das drittgrößte optische Teleskop der Welt. Heute ist es mit seinem 4,2 Meter durchmessenden Spiegel nicht mehr ganz vorne zu finden aber immer noch ein wichtiges Instrument für die europäischen Wissenschaftler und immerhin noch das zweitgrößte Teleskop in ganz Europa.
Das größte Teleskop, das gleichzeit auch das größte optische Teleskop der ganzen Welt ist, steht gleich nebenan. Es handelt sich um das Gran Telescopio Canarias, oft auch GranTeCan genannt. Verschiedene Forschungseinrichtungen aus Spanien, Mexiko und den USA haben es seit 1987 geplant und 2009 fertig gestellt. Gekostet hat es knapp 130 Millionen Euro und sein Spiegel hat einen Durchmesser von 10,4 Metern. Damit ist es noch ein kleines bisschen größer als die 10-Meter-Spiegel der beiden Keck-Teleskope auf dem Mauna Kea auf Hawaii, übertrifft den 9,2 Meter großen Spiegel des SALT-Teleskops in Südafrika und die 8,2 Meter großen Spiegel des Very Large Telescopes der Europäischen Südsternwarte in Chile.
Früher oder später wird ein anderes Teleskop das GranTeCan von seinem Spitzenplatz stoßen. Aber auch wenn es dann nicht mehr das größte Teleskop der Welt ist, wird es trotzdem immer noch ein großes Teleskop sein und vor allem großartige Beobachtungsdaten liefern. So wie all die anderen großen und kleinen Instrumente des Observatorio del Roque de los Muchachos.
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