Am Himmel kann man jede Menge sehen. Zum Beispiel einen Kleiderbügel. Oder einen Teekessel. Nein, das sind keine offiziellen Sternbilder. Sondern sogenannte Asterismen. Aber die sind nicht weniger spannend – und man kann dabei die Fantasie so richtig spielen lassen!
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Transkription
Sternengeschichten Folge 190: Kleiderbügel und Teekessel: Asterismen am Himmel
Der Himmel ist voller Sterne. Für uns auf der Erde sieht das ganze aus wie eine große Kuppel an der lauter helle Punkte aufgemalt sind. In der Realität ist das natürlich nicht so; die Sterne sind alle unterschiedlich weit von uns entfernt, unterschiedlich groß und leuchten deswegen unterschiedlich hell. Nur weil zwei Sterne am Himmel nahe beieinander stehen, bedeutet das nicht, dass zwischen ihnen tatsächlich irgendeine konkrete Verbindung besteht. Im Allgemeinen wird es sich um komplett verschiedene Himmelkörper handeln die sich in völlig anderen Regionen des Kosmos befinden.
Und trotzdem können wir nicht anders, als die Sterne am Himmel zu Mustern, Gruppen und Figuren zu verbinden. Seit die ersten Menschen nachts zum Himmel geschaut haben, haben sie dort Geschichten gesehen. Götter und Helden, Tiere und Monster und all das, was sonst noch in ihren Religione, Mythen und Märchen vorkommt. Jede Kultur hat ihre ganz eigene Tradition an himmlischen Bildern und Geschichten und sie alle haben sich im Laufe der Zeit verändert. Die heute offiziellen 88 definierten Sternbilder – über die ich in Folge 48 der Sternengeschichten schon mehr erzählt habe, sind nur eine von vielen möglichen Variationen. Es handelt sich dabei auch nicht mehr um echte Figuren. Ein Sternbild im modernen Sinn ist eine klar definierte Region am Himmel. Jeder Stern der sich innerhalb der Grenzen dieser Region befindet ist Teil des Sternbildes, egal ob er sich mit anderen zu irgendeiner besonderen Figur verbinden lässt oder nicht.
Eine markante Gruppe von Sternen, die uns Menschen aus irgendeinem Grund besonders auffällt und kein eigenes und vollständiges Sternbild ist, wird Asterismus genannt. Und davon gibt es jede Menge. Der bekannteste Asterismus ist mit Sicherheit der “Große Wagen”. Diese Gruppe aus sieben Sternen ist so gut zu erkennen und so vielen Menschen bekannt, dass sie fälschlicherweise oft für ein echtes Sternbild gehalten wird. Nimmt man es genau, dann ist es aber eben nur ein Asterismus, der Teil des Sternbilds “Großer Bär” ist.
Die sieben Sterne des großen Wagens sind alle so hell, dass sie mit freiem Auge leicht zu sehen sind. Sie heißen Dubhe, Merak, Phecda, Megrez, Alioth, Mizar und Alkaid. Und obwohl sie so eine klar definierte Figur bilden, haben sie doch eigentlich nichts miteinander zu tun. Dubhe beispielsweise ist 124 Lichtjahre von der Erde entfernt; Alkaid 101 Lichtjahre. Die Distanz zu Megrez dagegen beträgt nur 58 Lichtjahre; die restlichen Sterne haben Entfernungen die irgendwo dazwischen liegen. Die Sterne bewegen sich außerdem alle in unterschiedliche Richtungen. Für unser menschliches Auge ist diese Bewegung zwar selbst im Verlauf vieler Jahrzehnte nicht sichtbar, aber wenn wir ein paar tausend Jahre warten würden, würden wir in der Gruppe der sieben Sterne sicherlich keinen Wagen mehr erkennen, da sich die Konstellation dann deutlich verformt hat.
Obwohl das mit dem Wagen ja sowieso nur eine Konvention unserer eigene Kultur ist. Im englischsprachigen Raum wird der Asterism “Big Dipper” genannt, also “großer Schöpflöffel”. In Frankreich ist auch die Bezeichnung “Grande Casserolle”, also “Große Stielpfanne” gebräuchlich. Die chinesischen Astronomen sahen dagegen wieder einen großen Löffel. Die zentralasiatischen Kirgisen interpretierten die Sterne als ein Rudel aus sieben Wölfe; in der arabischen Tradition erkannte man einen Sarg. In Indonesien war die Sternengruppe kein Wagen sonder ein Kanu und in Finnland ein Netz um Lachse zu fangen.
Allein die Fantasie ist hier die Grenze der Interpretation und der Himmel bietet viel Raum für Fantasie! Denn der große Wagen ist bei weitem nicht der einzige interessante Asterismus. Im Sternbild des Schützen findet man zum Beispiel einen waschechten Teekessel! Acht Sterne bilden dort eine Figur, in der man auch ohne viel Vorstellungskraft leicht einen Teekessel erkennen kann; komplett mit Deckel, Tülle und Henkel.
Vier Sterne – Kaus Media, Kaus Australis, Ascella und phi Sagittarius bilden ein Trapez, das den Teekessel selbst darstellt. Mit Kaus Borealis darüber wird ein Dreieck zum Deckel des Kessels gebildet. Hinten werden Nunki und Tau Sagittarius zum Henkel und vorne bildet Alnasl die Spitze der Tülle. Und da diese Spitze des Teekessels mitten im milchig weiß leuchtenden Band der Milchstraße liegt, kann man unter guten Beobachtungsbedingungen sogar ein wenig “Dampf” aus dem Teekessel entweichen sehen.
Einen weiteren Haushaltsgegenstand findet man im Sternbild Vulpecula, dem kleinen Fuchs. Nicht mit freiem Auge, aber schon in einem guten Fernglas kann man hier einen Kleiderbügel erkennen. Dieser Asterismus ist auch als Collinder 399 bekannt, benannt nach dem schwedischen Astronom Per Collinder. Kleiderbügel passt aber deutlich besser!
Früher hat man diese Gruppe aus 10 Sternen für eine echte Gruppe gehalten, also einen Sternhaufen, in dem die Sterne sich alle in der gleichen Region der Milchstraße befinden. Erst genau Satellitenmessungen Ende des 20. Jahrhunderts haben gezeigt, dass die Anordnung nur zufällig ist. Der fernste Stern des Asterismus ist 1340 Lichtjahre weit weg; der uns nächstgelegene immer noch fast 240 Lichtjahre
Wer den himmlischen Kleiderbügel selbst beobachten will, sollte zwischen Juli und August mit dem Fernglas einer Linie zwischen den beiden hellen Sternen Altair im Sternbild Adler und Wega im Sternbild Leier folgen. Nach einem Drittel der Weglänge sollte dann der Kleiderbügel im Blickfeld auftauchen.
Ohne Hilfsmittel und große Probleme zu finden ist dagegen das Sommerdreieck. Diese Figur ist zwar nicht so fantasievoll benannt wie Kleiderbügel und Teekessel – aber dafür um so prominenter und schon seit langer Zeit bekannt. Das Dreieck wird durch drei der hellsten Sterne am sommerlichen Nachthimmel gebildet: Altair im Adler, Wega in der Leier und Deneb im Schwan. Und wenn die Geometrie des dreieckigen Asterismus auch nicht sonderlich aufregend ist, so findet man dahinter doch jede Menge schöne Geschichten. Zum Beispiel die von der Prinzessin und dem Rinderhirten.
Es ist eine Geschichte aus Japan und sie handelt vom Rinderhirten Hikoboshi und Orihime, der Tochter des Himmelsgottes Tentei. Hikoboshi hat seine Kühe gehütet und Orihime hat fleissig Stoff für die Kleider der Götter gewebt. Tentei war – im Gegensatz zu vielen anderen Mythen und Märchen ein netter Vater und hat Orihime und Hikoboshi verkuppelt damit seine Tochter ein wenig Abwechslung bekommt. Aber wie das halt so läuft bei jungen Leuten haben sie vor lauter verliebt sein die Arbeit komplett vergessen. Es gab keinen Stoff mehr und die Kühe sind überall rumgelaufen. Also musste der Himmelsgott Tentei dann doch hart durchgreifen und hat die beiden auf verschiedene Seiten von Amanogawa, dem großen Himmelsfluss, verbannt. Aber natürlich hat das auch nicht viel geholfen – denn nun waren sie zu traurig, um ordentlich zu arbeiten. Also dürfen sich die beiden einmal im Jahr, am 7. Tag des 7. Monats treffen. Allerdings gab keine Brücke über Amanogawa. Als sie sich also das erste Mal treffen wollten klappte es nicht und Orihime weinte so sehr, dass ein großer Schwarm Elstern angeflogen kam und versprach, mit ihren Flügeln eine Brücke zu bilden. Das würden sie auch in Zukunft jedes Jahr tun – allerdings nur, wenn es an diesem Tag nicht gerade regnet.
Am Himmel wird die Prinzessin Orihime durch die helle Wega symbolisiert. Hikoboshi ist Altair im Sternbild Adler. Amanogawa, der Fluss der die Verliebten trennt ist natürlich das helle Band der Milchstraße. Und sogar die von den Elstern gebildete Brücke kann man unter guten Bedingungen erkennen. Manche Stellen im Band der Milchstraße sind dunkel; das sind die Dunkelwolken des nördlichen Kohlensacks – große Regionen voller Gas und Staub durch die kein Sternenlicht dringt.
Das Sommerdreieck kann man – wie der Name schon sagt – im Sommer am besten sehen. Und im Sommer wird in Japan auch heute noch das Fest des “siebten Abends” gefeiert oder “Tanabata”, wie es auf japanisch heißt. Jedes Jahr am siebten Tag des siebten Monats, also am 7. Juli macht man sich dort eine schöne Zeit mit bunter Dekoration, Paraden, Essen und Trinken und freut sich gemeinsam mit Orihime und Hikoboshi über das himmlische Wiedersehen.
Der Himmel hat noch viel mehr Geschichten parat. Asterismen kann man ganz nach Lust und Laune bilden und die Menschen haben das in den letzten Jahrtausenden mit Begeisterung getan. Und warum auch nicht! Mit der wissenschaftlichen Erforschung des Universums haben diese himmlischen Mythen und Geschichten zwar nicht viel zu tun. Aber die Sterne sind für alle da, nicht nur für die Astronomen. Und die Astronomen würden den Kosmos auch sicherlich nicht mit so großer Faszination erforschen, wenn sie von der Schönheit der Sterne und ihrer Geschichten nicht ebenso gefesselt wären wie der Rest der Menschheit.
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