Ich verbringe das Wochenende gerade in Göttingen. Das ist eine schöne kleine Universitätsstadt und mir gefällt es sehr gut hier. Es gibt auch viel zu sehen: Die Universität Göttingen war früher besonders in der Mathematik einer der wichtigsten Orte der Welt. Die ganz großen Mathematiker des 19. und 20. Jahrhunderts haben hier gearbeitet, aber auch viele Physiker und andere Wissenschaftler von Weltruhm waren hier tätig. Aber weil das doch schon ein bisschen her ist, findet man die großen Forscher vor allem auf den Friedhöfen der Stadt und dort habe ich mich heute ein wenig umgesehen.
Zuerst war ich natürlich am Grab eines meiner absoluten Lieblingswissenschaftler: Carl Friedrich Gauss. Über Gauss kann man viel und lange erzählen (ein wenig habe ich das hier schon getan; es gibt kaum jemanden, der so wie er auf so vielen verschiedenen Gebieten so viel Fundamentales geleistet hat. Sein Grab findet man auf dem historischen Friedhof der Albanikirche, der heute nach der Partnerstadt Göttingens Cheltenham-Park heißt:
Einen ganzen Haufen weiterer großer Namen kann man am außerhalb der Innenstadt gelegenen Göttinger Stadtfriedhof besuchen. Obwohl mich ja beim Eingang erstmal nur nackte Haufen ohne Namen erwartet haben. Keine Ahnung ob da gerade Gartenarbeiten stattfinden, Göttingen Riesenmaulwürfe beherbergt oder vielleicht gerade eine Zombie-Epidemie stattfindet…
Ob der vielen berühmten Toten hat man am Friedhof sogar ein “Nobel-Rondell” angelegt, bei dem man über alle acht dort begrabenen Nobelpreisträger informiert wird:
Alle acht habe ich aber nicht geschafft; der Friedhof ist recht groß. Aber ich war bei Max von Laue, Nobelpreisträger von 1914 für seine Arbeit in der Kristallografie:
Und natürlich am Grab von Otto Hahn, Entdecker der Kernspaltung und Nobelpreisträger des Jahres 1944. Sein Grabstein war auch einer von vielen die mathematische Formeln bzw. physikalische Symbole enthielten:
Auch bei Max Planck war ich, dem Nobelpreisträger von 1918 und Pionier der Quantenmechanik; ebenfalls mit einer schönen physikalischen Inschrift am Grabstein:
Einen Nobelpreis für Mathematik gibt es ja nicht, aber wenn es ihn gäbe, dann hätte David Hilbert auf jeden Fall einen bekommen müssen. Er ist vermutlich der wichtigsten Mathematiker der Neuzeit und hat mit seinem Hilbertprogramm den Kurs der Mathematik beeinflusst wie kein anderer:
Und sein Wahlspruch “Wir müssen wissen, und wir werden wissen” fasst die Motivation der Wissenschaft wunderbar zusammen:
Eine weitere Formel findet man am Grabstein des Nobelpreisträgers von 1954 und Quantenmechanikers Max Born:
Der einzige der Wissenschaftler auf dessen Grabstein auch “Gott” erwähnt wird, ist der Kollege von Gauss, der Physiker Wilhelm Weber, nach dem heute immerhin die physikalische Einheit für die magnetische Flussdichte benannt ist:
Zwei weitere Mathematiker habe ich dann noch besucht. Zuerst Felix Klein
Und dann Theodor Kaluza:
Kaluza kennt man ja vor allem von seiner Kaluza-Klein-Theorie; dem Versuch die Relativitätstheorie mit dem Elektromagnetismus durch die Einführung von zusätzlichen Dimensionen zu vereinheitlichen. Das hat zwar nicht geklappt, war aber eine große Inspiration für die moderne Stringtheorie. Der “Klein” aus dieser Theorie war übrigens nicht der vorhin erwähnte Felix, sondern der Schwede Oskar Klein (der in Stockholm begraben liegt).
Als Astronom hab ich dann natürlich auch noch dem Grab von Karl Schwarzschild einen Besuch abgestattet. Immerhin war er es, der als erster die grundlegenden Eigenschaften Schwarzer Löcher mathematisch beschreiben konnte:
Der Göttinger Stadtfriedhof ist übrigens wirklich sehr schön; man kann dort auch wunderbar spazieren gehen und die Ruhe genießen wenn man nicht an toten Wissenschaftlern interessiert ist.
Danach war ich noch kurz am historischen Bartholomäusfriedhof. Dort findet man das Grab von Georg Christoph Lichtenberg, der im 18. Jahrhundert auf vielen Gebieten grundlegende neue Erkenntnisse gewonnen hat – unter anderem war er es, der Ernst Chladni dazu brachte seine Theorie über die wahre Natur der Meteore auszuarbeiten durch die das erste Mal vernünftig gezeigt werden konnte, dass es sich bei den Leuchterscheinungen am Himmel um Felsbrocken aus dem All handelt.
Und zum Abschluss war ich noch beim Grab von Peter Gustav Lejeune Dirichlet, dem Nachfolger von Gauss und Lehrer von so berühmten Mathematikern wie Bernhard Riemann:
Sein Grab ist allerdings ein klein wenig verwildert – so wie der ganze Friedhof.
Ich fand das aber ganz nett. Der Stadtfriedhof ist noch aktiv und dort herrscht natürlich auch die nötige Friedhofsruhe. Aber der Cheltenham-Park und der Bartholomäusfriedhof bestehen nur aus historischen Gräbern und es ist in Göttingen anscheinend üblich, dass man die Wiesen zwischen den Grabsteinen für Picknicks, zum Grillen oder einfach nur zum Entspannen nutzt. Der Gegensatz zwischen alten Gräbern und jungen Menschen ist sehr reizvoll – wenn ich länger in der Stadt gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht auch unter das Grab von Gauss gesetzt seiner großen Leistungen mit ein paar Bratwürsten und einem Bier gedacht…
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