Schwarze Löcher sind faszinierend. Schwarze Löcher sind für unseren Alltagsverstand kaum zu verstehen. Und schwarze Löcher sind der Ursprung jeder Menge Missverständnisse. Man stellt sie sich ja gerne als “Monster” vor, die nur irgendwo auftauchen müssen und dann alles gnadenlos “ansaugen” und vernichten – was definitiv nicht stimmt. Schwarze Löcher sind auch keine “Löcher”; es handelt sich dabei um extrem kompakte Überreste großer Sterne. Nachdem die Kernfusion in diesen Sternen zum Erliegen gekommen ist, kollabieren sie unter ihrem eigenen Gewicht.
Derzeit kennen wir keine Kraft oder keinen Effekt der diesen Kollaps aufhalten kann – was nicht heißt das es so eine Kraft nicht geben kann und ein schwarzes Loch tatsächlich ein singulärer Punkt ist. Auf jeden Fall aber ist die Materie eines schwarzen Lochs so sehr verdichtet, das seine gravitative Anziehungskraft enorm stark ist. So stark, dass die Geschwindigkeit die nötig ist um seine unmittelbare Umgebung zu verlassen größer wird als die Lichtgeschwindigkeit. Überschreitet man eine gewisse Grenze – den sogenannten Ereignishorizont – dann kann nichts dem Einflussbereich entkommen. Auch kein Licht, weswegen das Loch ja auch “schwarz” genannt wird.
Nur dass das genaugenommen auch nicht stimmt. Das vermuten wir zumindest. Stephen Hawking entdeckte in den 1970er Jahren ein Phänomen, das heute seinen Namen trägt: Die Hawking-Strahlung. Die Quantenmechanik sagt voraus, dass der leere Raum nicht komplett leer ist. Immer wieder entstehen dort spontan Teilchenpaare die sich unmittelbar danach gegenseitig vernichten und verschwinden. Passiert das allerdings in der Nähe des Ereignishorizontes eines schwarzen Lochs, passieren seltsame Dinge. Anstatt sich zu vernichten kann ein Teilchen des Paares hinter dem Horizont verschwinden. Das andere bleibt übrig und kann ins All entkommen. Im Endeffekt sieht das ganze genau so aus wie eine schwache Strahlung, die vom Ereignishorizonts eines schwarzen Loches ausgeht. Schwarze Löcher sind also nicht schwarz, sie “leuchten”.
Allerdings nur extrem schwach. So schwach, dass es so gut wie unmöglich ist, diese Strahlung mit unseren Messinstrumenten nachzuweisen. Wenn das was wir über schwarze Löcher, die Quantenmechanik, die Relativitätstheorie etc wissen richtig ist (und bis jetzt deutet nichts auf das Gegenteil hin), dann muss es diese Strahlung geben. Nur ihre Beobachtung liegt außerhalb unserer Reichweite. Schwarze Löcher lassen sich generell nur schwer im Detail studieren. Sie sind weit entfernt im All und sie sind eben – so gut wie – schwarz und quasi unsichtbar. Deswegen haben sich Wissenschaftler schon seit einiger Zeit überlegt, wie man die Eigenschaften dieser Objekte mit anderen Methoden im Labor studieren kann.
Dazu entwickelt man “Schwarze Loch Analogien”; also Systeme, die keine schwarzen Löcher sind, sich aber so verhalten. Anstatt Licht im Weltraum kann man zum Beispiel Schall in Flüssigkeiten betrachten. Je nach Flüssigkeit bewegt sich der Schall unterschiedlich schnell fort. Man kann nun aber auch die Flüssigkeit selbst bewegen – und überschreitet die Fließgeschwindigkeit der Flüssigkeit die der lokalen Schallgeschwindigkeit, entsteht quasi ein “Ereignishorizont”, also eine Grenze, hinter die keine Schallwellen gelangen können. Das ist ungefähr so, als wolle ein Schwimmer in einem Fluss gegen die Strömung anschwimmen. Schafft er es nicht schneller als die Fließgeschwindigkeit zu schwimmen, kann er ihr nicht entkommen.
Eine besonders ausgeklügelte Variante so eines Analogie-Systems hat nun kürzlich Jeff Steinhauer vom Israel Institute of Technology in Haifa vorgestellt. Seine Arbeit baut auf früheren und ähnlichen Versuchen auf; Steinhauer behauptet aber zu deutlich beeindruckenderen Ergebnissen gekommen zu sein. Er will mit seiner Forschung (“Observation of quantum Hawking radiation and its entanglement in an analogue black hole”) die Existent der Hawking-Strahlung belegt haben.
Steinhauer hat Rubidium-Atome verwendet und sie extrem stark abgekühlt. Bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt ändert sich das Verhalten solcher Gruppen von Teilchen. Sie bilden ein Bose-Einstein-Kondensat: Das bedeutet, dass sich alle Teilchen im selben quantenmechanischen Zustand befinden und sich – vereinfacht gesagt – wie ein einziges Teilchen verhalten. In diesem Kondensat ist die Schallgeschwindigkeit sehr langsam und beträgt nur einen halben Millimeter pro Sekunde. Steinhauer hat nun ein paar Atome beschleunigt (auf etwa einen Millimeter pro Sekunde). Dadurch hat er einen “akustischen Ereignishorizont” erzeugt.
Der nächste Schritt ist ein wenig knifflig. Die Quantenfluktuationen, die im Vakuum des Alls für das spontane Auftauchen der Teilchenpaare sorgen, sollte es auch im Bose-Einstein-Kondensat geben. Hier entstehen aber keine Teilchen, sondern Phononen. Die kann man sich als “Quanten der Schallwellen” vorstellen, als Verdichtungen im Kondensat die sich wie ein Teilchen verhalten und bewegen (und deswegen auch “Quasiteilchen” genannt werden). Wenn sich die Phononen hinter dem akustischen Ereignishorizont gebildet haben, also dort, wo sich die Atome schneller als der Schall bewegt haben, waren sie gefangen und konnten aus dieser Region nicht mehr entkommen. Soweit passt die Analogie zum echten schwarzen Loch also – nur das es sich hier eher um ein “stilles Loch” handelt, aus dem kein Schall entkommen kann. Steinhauer hatte allerdings auch die Phononen außerhalb des Ereignishorizontes analysiert und dabei Paare gefunden, deren Eigenschaften darauf hindeuten, dass sie quantenmechanisch verschränkt sind. Es gab also anscheinend Paare von Phononen von denen sich eines hinter und das andere vor dem Ereignishorizont befand. Das eine wurde eingefangen, das andere konnte entkommen. Das stille Loch war also nicht komplett still: Die Quantenfluktuationen sorgten für eine geringe Menge an Phononen, also Schalwellen, die von seinem Ereignishorizont abgestrahlt werden.
Das klingt beeindruckend. Das ist auch beeindruckend. Das Experiment ist für sich genommen eine enorme Leistung und wissenschaftlich absolut wertvoll. Aber ob es wirklich ein “experimenteller Nachweis” der Hawking-Strahlung ist, bleibt vorerst fraglich. Es ist zum Beispiel noch nicht klar, ob die Phononen wirklich quantenmechanisch verschränkt waren. Es ist fraglich, ob der Zustand von Steinhauers Bose-Einstein-Kondensat tatsächlich echte Quantenfluktuationen erlaubt oder ob da irgendwelche anderen Effekte aufgetreten sind. Und es ist vor allem fraglich, wie sehr so ein analoges System geeignet ist, um daraus Aussagen über reale schwarze Löcher abzuleiten.
Ich gehe davon aus, dass andere Forscherinnern und Forscher in den nächsten Jahren das Experiment mit den “stillen Löchern” wiederholen und verbessern. Und das wir irgendwann wissen, ob das was dort am akustischen Ereignishorizont abläuft wirklich vergleichbar der Hawking-Strahlung ist. Aus der Untersuchung dieses Phänomen werden die Physiker mit Sicherheit viele gute Idee für die Analyse echter schwarzer Löcher bekommen. Aber ich bezweifle, ob man daraus wirklich verlässliche Aussagen über die schwarzen Löcher im Universum ableiten kann. Denn ein schwarzes Loch ist ein schwarzes Loch. Ein toter Stern ist kein Einstein-Bose-Kondensat im Labor. Ein akustischer Ereignishorizont ist keine absolute Grenze im Kosmos. Schwarze Löcher werden ihre Geheimnisse nicht so schnell aufgeben…
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