Den Paranuss-Effekt hat sicherlich jeder schon mal erlebt: Öffnet man zum Beispiel eine Packung Müsli, dann liegen die größten Stücke (oft eben Paranüsse) alle ganz oben. Das widerspricht auf den ersten Blick der Intuition: Die Packung wurde sicherlich oft geschüttelt und je mehr man etwas schüttelt, desto besser sollte der Inhalt vermischt sein. Das ist aber nicht nur nicht der Fall sondern auch abseits des Frühstücks relevant. Zum Beispiel, wenn man verstehen will, wie Asteroiden funktionieren.
Paranüsse, Rosinen, Haferflocken und andere Müsli-Zutaten findet man auf Asteroiden eher selten. Dafür aber Felsbrocken in allen Größen. Man stellt sich die Asteroiden ja gerne als kompakte Objekte vor; als massive Gesteinsbrocken die durchs All fliegen. Aber das ist nicht der Fall, sie ähneln viel mehr fliegenden Geröllhaufen die nur lose durch Gravitation und andere Kräfte zusammengehalten werden. Wenn, was ab und zu vorkommt, dann ein Asteroid mit einem anderen (kleineren) kollidiert kann so ein Einschlag diesen Geröllhaufen ebenso “durchschütteln” wie eine Packung Müsli.
Mit den gleichen Folgen? Genau das wollten Viranga Perera von der Arizona State University und seine Kollegen herausfinden (“The spherical Brazil Nut Effect and its significance to asteroids”). Physikalisch erklärt man den Paranuss-Effekt durch die unterschiedliche Dynamik und Dichte der unterschiedlichen Müsli-Bestandteile. Wenn sich beim Schütteln kleinere Lücken im Müsli auftun, rutschen dort zuerst die kleineren Objekte hinein. Die großen Nüsse, die dort nicht hineinpassen bleiben übrig und wandern so stetig nach oben.
Ganz geklärt ist der Vorgang aber noch nicht, da auch Effekte wie die Oberflächenbeschaffenheit der Objekte, das Ausmaß der Reibung usw eine Rolle spielen. Es lohnt sich also, das ganze bei den Asteroiden im Rahmen einer Computersimulation zu betrachten was Perera und seine Kollegen auch getan haben. Sie haben verschieden starke Einschläge und “Schüttelgeschwindigkeiten” getestet und nachgesehen, was mit einem Asteroid dabei passiert. In ihrem Modell haben sie sich den Asteroid als anfangs gut durchmischten kugelförmigen Geröllhaufen der aus großen und kleinen Brocken besteht gedacht. Wie sich die Zusammensetzung im Laufe der Zeit verändert hat, kann man in diesen Bildern sehen:
In rot sind die großen Brocken (ca 80 Meter Durchmesser) eingezeichnet; in gelb die kleinen (40 Meter). Die obere Reihe von Bildern zeigt die Ansicht des Asteroiden von außen; die unteren einen Schnitt durch seine Mitte. Die ersten drei Bilder zeigen wie sich der Asteroid unter einem Impakt verhält, wenn man die Reibung zwischen den Brocken ignoriert; rechts sieht man den Effekt mit Reibung.
Was man sofort sieht: Am Ende, nach jeweils 102 Tagen, sind in beiden Fällen die großen Brocken oben gelandet. Eine genauere Analyse ergab, dass die Reibung die Wanderung der großen Brocken nach außen zuerst behindert hat. Ist eine gewisse Schwelle bei der “Schüttelgeschwindigkeit” aber überschritten, funktioniert es mit Reibung sogar besser; dann können sich die Brocken quasi aneinander “krallen” und so besser nach oben heben.
Man sieht ebenfalls, dass das Zentrum der Asteroiden in beiden Fällen nicht durchmischt ist. Dort tut sich im Laufe der Zeit kaum etwas. Perera und seine Kollegen haben festgestellt, dass sich das nur ändern ließe, wenn man die Einschläge so heftig ausfallen lässt, dass der Asteroid dabei komplett auseinander bricht.
Genauere Untersuchungen über das Innere von Asteroiden haben wir an realen Objekten bis jetzt noch nicht durchgeführt. Wir sind ja gerade erst dabei zu lernen, sie von außen aus der Nähe zu betrachten und hoffen, ein paar Proben von ihrer Oberfläche nehmen zu können. Bis wir die Geröllhaufen auch anbohren können um zu sehen, was dort wirklich vor sich geht, wird es wohl noch ein wenig dauern.
Aber es ist interessant zu sehen, dass die gleichen Vorgänge die wir jeden Tag beim Frühstück erleben können, auch weit draußen im Weltall stattfinden. Obwohl: So überraschend ist das auch wieder nicht. Wir existieren ja nicht getrennt vom Universum und sowohl das Müsli als auch die Asteroiden müssen den gleichen Naturgesetzen gehorchen…
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