Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier.
Das sagt der Autor des Artikels, Christoph Staffl über sich:
Mein Name ist Christoph Staffl und studiere seit zwei Semestern Medienwissenschaften an der Uni in Tübingen. Mitte 2014 habe ich das Blog https://geek-planet.net gestartet. Dort schreibe ich mehrmals die Woche Reviews und andere Artikel zum Thema Comics. Aber auch Filme, Serien und Bücher finden Erwähnung.
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Alex, Ada und die Suche nach Identität
Bei “Alex + Ada” handelt es sich um einen 15-teiligen Comic aus dem Hause Image. Alex ist ein Einzelgänger, der täglich seiner Arbeitsroutine nach geht und gerade eine Beziehung hinter sich hat. Seine andauernde melancholische Stimmung besorgt nicht nur Kollegen, sondern auch seine Großmutter. Deshalb hat sie sich dazu entschieden, ihm einen Androiden zu schenken, der ihm Gesellschaft leisten soll. Sie selbst hat ebenfalls einen und ist sehr zufrieden damit. So steht, gegen Alex Willen, eines Tages Ada vor seiner Tür. Schnell stellt sich aber ein Bedürfnis nach mehr ein, ein Bedürfnis, Adas Persönlichkeit kennen zu lernen. Er entscheidet sich für einen für in dieser Welt illegalen Schritt: er macht Ada empfindungsfähigen, zu einem fühlenden Wesen oder “sentient”, wie man im Englischen so schön sagt.
- Story, Script: Sarah Vaughn
- Story, Illustrations, Letters, Design: Jonathan Luna
“Now is the time to stay together and not let fear drive us apart.”
Zuvor der steife Androide, der jeden Befehl ausführen musste, der ihr gegeben wird, kann sie nun für sich selbst entscheiden. Doch das ist leichter als gedacht, denn dazu muss Ada erst einmal herausfinden was sie möchte. Welche Themen interessieren sie? Was will sie mit ihrem neu gewonnen Leben oder besser gesagt mit ihrer neuen Freiheit machen? Für uns Menschen mögen dies zwar auch schwierige Fragen sein, doch wir wachsen langsam in die Gesellschaft hinein und können uns mit ihr und diesen Fragen auseinandersetzen.
Betrachten wir einmal diese Androiden. Sie kommen, metaphorisch gesprochen, vom Fließband. Jeder wird mit individuellen Eigenschaften ausgestattet, genau so, wie es ihre zukünftigen Meister wie haben wollen. Wenn man diese Kreationen nun mit der Fähigkeit ausstattet selbst zu entscheiden, muss man sich in diesem Zusammenhang auch immer bewusst werden, dass sie eigentlich Kinder sind. Auf der einen Seite körperlich komplett entwickelt, auf der anderen Seite mit einem neugierigen Geist, der sich ständig weit entwickelt und heranreift. Eine äußerst interessante Frage die damit aufgeworfen wird ist, ob sie schon voll Zurechnungsfähig sein kann? Zwar mit viel Wissen ausgestattet, doch keinerlei Lebenserfahrung. Ab wann kann man solche Androiden auf die Welt loslassen, ohne von jemand kompetenten geleitet zu werden, wie in einer Art Schule? Was mich in diesem Zusammenhang auch noch viel beschäftigt ist, dass manche erst nach Jahren der “Gefangenschaft” ihre Selbstständigkeit geschenkt bekommen. Natürlich werden viele ordentlich behandelt werden, was auch immer dies bedeuten mag, doch wie sieht es mit denen aus, die misshandelt und missbraucht werden. Androiden nehmen ihr gesamtes vergangenes Wissen und Erfahrungen mit. Wenn einem nun plötzlich tatsächlich bewusst wird, was der Besitzer angestellt hat, muss dies ein immenser Schock sein. Wäre es an dieser Stelle nicht besser, wenn Androiden ihre Freiheit mit einem weißen Blatt anfangen könnten, ohne Vorbelastung?
Eine weitere wichtige Komponente, die sie lernen bzw. entdecken muss ist, was es überhaupt bedeutet ein Mensch zu sein. Ist diese Frage für sie als Androide überhaupt interessant? Muss sie nicht eher entdecken was es bedeutet sie selbst zu sein. Nur weil sie menschlich konstruiert wurde, muss sie nicht so agieren wie ein Mensch. Diese Problematik hat mich äußerst begeistert, als ich den Comic gelesen habe, da man sich eigentlich nie darüber Gedanken macht, dass ein Roboter Individualisierungen vornehmen möchte – über sich selbst bestimmen. Im Prinzip eine ganz menschliche Eigenschaft. Sie ändern ihr Geschlecht, ihre äußere Erscheinung und wollen oft gar nicht so aussehen, wie ein Mensch. Auch mit wem ein Androide eine Beziehung eingehen möchte spielt eine zentrale Rolle und spiegelt sich auch in dem Verhältnis zwischen Alex und Ada wider. Wir Menschen spielen uns als Götter auf und diktieren diesen Wesen ob sie männlich, weiblich oder überhaupt wie Menschen aussehen sollen. Immerhin sind es unsere Kreationen und sollen so handeln und auftreten, wie wir das wollen, oder nicht?
Sarah Vaughn geht aber noch einen Schritt weiter und schafft eine Welt in der fühlende, freie Androiden verboten sind. Grund ist ein Vorfall, bei dem ein Amoklauf eines eben solchen Androiden dazu geführt hat, dass Menschen ihr Leben verloren haben. Als Folge wurde diese Funktion standardmäßig deaktiviert, obwohl sie stets im Programm vorhanden ist. Dies bedeutet, dass Alex und Ada vom ersten Schritt den sie in diese Richtung machen, Verbrecher sind. Verfolgt von der Regierung, von vielen Menschen verachtet, darunter auch Freunden. Sie müssen sich verstecken und Ada so tun, als wäre sie ein “normaler” Roboter vom Band, der tut, was man ihr sagt. Wenn dies nicht an gewisse Situationen in der realen Welt erinnert.
Kommen wir aber noch einmal zurück zur Programmierung. Der Teil des Codes, dass Androiden empfindungsfähig sind, ist in allen vorhanden. Und es gibt viele tausend, wenn nicht Millionen dieser Kreationen. Hat man dann nicht die moralische Pflicht, diesen Schalter umzulegen und so diesen fantastischen Wesen eine Chance zu bieten, ihr eigenes Leben zu entdecken? Oder stellen wir uns diese Frage nur, weil Ada und viele andere (nicht alle!) genauso aussehen wie Menschen? Würde das gleiche Bedürfnis in uns wach werden, wenn sie nicht Menschenähnlich wären?
Da fällt mir eine gewisse Episode aus “Star Trek: The Next Generation” ein, die sich genau mit dieser Thematik auseinandersetzt (Titel: Measure of a man). Darin steht ein Wissenschaftler kurz davor das Geheimnis hinter Datas Gedächtnis zu entdecken, doch für den letzten Schritt muss er diesen in seine Bestandteile zerlegen, ohne Garantie, dass er danach noch funktioniert. Daraufhin will Data aus der Föderation austreten, da dies die einzige Möglichkeit ist, der Prozedur zu entgehen – doch dieser Schritt wird ihm verwehrt. Im Folgenden wird verhandelt, ob Data eigenständig entscheiden darf oder ob er nicht viel mehr ein Besitz der Föderation ist. Guinan, dargestellt von der wunderbaren Whoopi Goldberg, berät Captain Picard, der Data in der Verhandlung vertritt. Sie eröffnet dabei den entscheidenden Punkt, indem sie eine Frage stellt: Wenn man vor hat viele weitere Datas zu schaffen, sodass jedes Föderationsschiff und viele Stationen einen bekommt, was erhält man dann? Genau, eine neue Rasse. Eine Rasse, die dazu geschaffen wurde als Sklaven zu arbeiten.
“Alex + Ada” schafft es gekonnt, diese Fragen aufzuwerfen, ohne konkrete Handlungsvorschläge zu liefern. Es ist lediglich ein Anreiz, sich damit auseinander zu setzen. Denn schließlich müssen wir uns als Gesellschaft früher oder später mit solchen und ähnlichen Fragen auseinandersetzen. Ansätze kann man schon in diversen Science-Fiction Werken finden. Am bekanntesten sind wohl die Robotergesetze von Isaac Asimov:
- 1 Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit (wissentlich) zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
- 2 Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
- 3 Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.
Doch diese sind auch wieder sehr auf den Menschen zentriert und nicht unbedingt auf die Freiheit unserer Kreationen.
Als Abschluss will ich aber nochmal auf den konkreten Inhalt zu sprechen kommen und nicht nur auf die philosophischen Fragen eingehen, die aufgegriffen werden. Die Welt, die Sarah Vaughn und Jonathan Luna schaffen, ist äußerst glaubwürdig. Kleine Erfindungen, die das Leben einfacher machen und zum Beispiel die Kommunikation erleichtern, könnten in greifbarer Nähe sein. Am meisten begeistern allerdings die Dialoge zwischen den einzelnen Charakteren. Sie wirken echt und nachvollziehbar, konzentrieren sich auf das wesentliche und werden durch Handlungen unterstrichen. Besonders gut funktionieren die Storyelemente, die die Loyalität von so manchen Freunden und Familienmitgliedern in Frage stellen. Doch trotz der spannend erzählten Geschichte, wirkt das Ende etwas zu gehetzt. Ein großer Zeitsprung spielt dabei eine zentrale Rolle und wie in der Situation Alex Charakter behandelt wird, finde ich nicht nachvollziehbar.
Die Zeichnungen sind, im Gegensatz zur mitreißenden Geschichte, eher zurückhaltend gestaltet. Sie versprühen ein bisschen den Eindruck eines Unterstatements. Einzelne kleine Bewegungen oder Augenblicke Laufen über mehrere Panels und bringen eine Ruhe in die Handlung. Auch die Hintergründe, die unaufgeregt, fast schon steril aussehen, führt dazu, dass man sich mehr auf die Mimik und Gestik der Charaktere konzentriert.
Alex + Ada ist ein herausragender Comic, der auf allen Ebenen überzeugt. Ein bisschen enttäuschend ist zwar das Ende, aber ist nicht bekanntlich „die Reise das Ziel“?
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