Im Dezember 2012 habe ich die erste Folge des Sternengeschichten-Podcasts veröffentlicht. Jetzt, fast vier Jahre später bin ich schon bei Folge 200 angelangt. Was in den 199 Folgen der Vergangenheit passiert ist, kann man nachlesen und nachhören aber nicht mehr ändern. Was in den Folgen der Zukunft passieren wird, weiß ich noch nicht. Vergangenheit und Zukunft sind nicht mehr und noch nicht real. Aber die moderne Physik eine viel seltsamere Vorstellung vom Verlauf der Zeit. Im “Blockuniversum” gibt es zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht nur keinen Unterschied; alle sind auch gleichzeitig real und existent…
Und wie immer gibt es weiter unten eine Transkription des Podcasts.
Die Folge könnt ihr euch hier direkt als YouTube-Video ansehen oder direkt runterladen.
Den Podcast könnt ihr unter
abonnieren beziehungsweise auch bei Bitlove via Torrent beziehen.
Am einfachsten ist es, wenn ihr euch die “Sternengeschichten-App” fürs Handy runterladet und den Podcast damit anhört.
Die Sternengeschichten gibts natürlich auch bei iTunes (wo ich mich immer über Rezensionen und Bewertungen freue) und alle Infos und Links zu den vergangenen Folgen findet ihr unter https://www.sternengeschichten.org.
Und natürlich gibt es die Sternengeschichten auch bei Facebook und bei Twitter.
Transkription
Sternengeschichten Folge 200: Das Blockuniversum und die Illusion der Zeit
Vor fast 4 Jahren habe ich die erste Folge der Sternengeschichten veröffentlicht. Seitdem gab es jede Woche eine neue Geschichte und es wird auch in Zukunft jede Menge neue Geschichten geben. Was in den 199 Folgen der Vergangenheit passiert ist, kann ich jederzeit nachlesen und nachhören. Was ich in den Folgen der Zukunft erzählen werde, weiß ich noch nicht. So ist das eben mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Die Gegenwart passiert gerade jetzt. Die Vergangenheit ist längst vorbei und nicht mehr real und die Zukunft noch unbestimmt und ungewiss und ebenso wenig real wie die Vergangenheit.
So erscheint es uns zumindest. Die moderne Physik hat dagegen eine etwas andere Sicht auf die Dinge. Im Rahmen des sogenannten “Blockuniversums” werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft völlig anders beschrieben. Die Vergangenheit ist nicht vorbei. Die Zukunft ist nichts, was erst noch passieren muss. Die Vergangenheit des einen ist die Zukunft eines anderen und umgekehrt. ALLES ist quasi Gegenwart; jeder Zeitpunkt ist real und nichts je wirklich vergangen.
Das klingt enorm verwirrend, das ist auch enorm verwirrend und vor allem widerspricht es massiv unserer alltäglichen Erfahrung. Aber wenn man ein wenig genauer darüber nachdenkt, dann ist die Sache mit dem Blockuniversum nicht so absurd wie sie auf den ersten Blick erscheint.
Um zu verstehen worum es geht muss man sich mit dem Problem der Gleichzeitigkeit beschäftigen. Stellt euch vor, ihr sitzt auf einer großen Wiese. 100 Meter links von euch steht eine Lampe; 100 Meter rechts von euch ebenfalls. Die Lampen werden eingeschaltet und ihr sollt herausfinden, ob das gleichzeitig geschieht oder nicht. Das ist kein großes Problem: Wenn ihr beide Lichter im gleichen Moment aufleuchten seht, dann wurden sie zum gleichen Zeitpunkt eingeschaltet. DAMIT ihr sie aufleuchten sehen könnt, muss sich aber das Licht der Lampe erstmal bis zu eurem Standpunkt bewegen. Das ist ein wichtiger Punkt der nicht übersehen werden darf!
Um 100 Meter zurück zu legen, braucht das Licht mit Lichtgeschwindigkeit 333,6 Nanosekunden. Wenn die beiden Lampen links und rechts beide tatsächlich exakt 100 Meter entfernt sind und beide exakt im gleichen Moment eingeschaltet werden, dann kommt das Licht beider Lampen auch exakt nach 333,6 Nanosekunden bei auch an. Und ihr werdet feststellen: Beide Lampen wurden gleichzeitig eingeschaltet.
So weit ist noch alles ziemlich klar. Kompliziert wird es erst, wenn man die spezielle Relativitätstheorie von Albert Einstein berücksichtigt. Hier kann man nun Raum und Zeit nicht mehr unabhängig voneinander betrachten. Beides hängt zusammen und damit verändert sich auch der Blick auf das, was wir “Gleichzeitigkeit” nennen.
Wenn zum Beispiel die Lampe links von euch 100 Meter entfernt ist und die rechts von euch 110 Meter, dann braucht das Licht der rechten Lampe ein wenig länger bis es euch zu gelangt. Auch wenn beide Lampen “gleichzeitig” eingeschaltet werden, seht ihr doch zuerst die linke aufleuchten und dann, 33,6 Nanosekunden später, die rechte. Aus eurer Sicht sind sie also NICHT gleichzeitig eingeschaltet worden. Und man muss sich klar machen, dass es sich hier nicht um irgendein technisches Problem handelt, sondern ein fundamental physikalisches. Keine Information kann sich schneller als das Licht ausbreiten.
Was bei den 100 Meter entfernten Lampen noch seltsam klingt wird nicht mehr ganz so seltsam, wenn man die Distanzen ein wenig vergrößert. Was ist mit einem Stern, der fern im Universum gerade sein Leben beendet und als Supernova explodiert. Das Licht der Explosion bewegt sich durch den Weltraum und braucht viele Jahre, Jahrhunderte oder Jahrtausende bis es bei auch angelangt ist. Und erst dann hat dieses Ereignis auch für euch stattgefunden. Bevor das Licht nicht angekommen ist, gibt es absolut keine Möglichkeit für euch irgendetwas über die Existenz dieser Supernova zu erfahren. Man kann vielleicht nachträglich beobachten und berechnen, wie lange das Licht unterwegs war. Vielleicht ist die Supernova 5000 Lichtjahre entfernt und dann hat das Licht auch 5000 Jahre gebraucht um bis zu euch zu kommen. Dann könnte man sagen: “In Wahrheit hat die Supernova nicht jetzt stattgefunden, sondern schon vor 5000 Jahren”. Aber physikalisch macht das eben nicht viel Sinn. Denn vor 5000 Jahren hattet ihr keinen blassen Schimmer, dass da irgendwo im Universum ein Stern explodiert und auch ganz fundamental keine Möglichkeit davon zu wissen. Das, was damals passiert ist, war kein Teil des Universums der euch damals zugänglich war; es war aus eurer Sicht nicht existent.
Die einzige sinnvolle Möglichkeit, Gleichzeitigkeit zu definieren ist die oben beschriebene. “Gleichzeitig” oder “Jetzt” passiert für euch all das im Universum von dem Licht bzw. allgemein “Informationen” in diesem Moment zu euch gelangen. Wenn man das Beispiel der beiden Lampen von vorhin verallgemeinern will, dann kann man sich jede Menge Lampen in allen möglichen Entfernungen vorstellen. All diejenigen, deren Licht im gleichen Moment bei euch ankommt, sind Teil des Bereichs der Raumzeit, der die für diesen Moment und für euch gültige “Fläche der Gleichzeitigkeit” definiert. Dieser Bereich ist eure Gegenwart. Alle Lampen deren Licht vor diesem Moment bei euch ankam gehören zur Vergangenheit; alle Lampen deren Licht erst noch ankommen muss, sind Teil des Zukunftsbereichs der Raumzeit.
Das ist zwar schon ein wenig verwirrend, aber noch nicht das, worum es eigentlich geht. So richtig knifflig wird es erst, wenn man zwei unterschiedliche Beobachter betrachtet. Stellt euch jetzt wieder die Wiese mit den beiden jeweils 100 Meter entfernten Lampen vor. Nun seid ihr aber nicht alleine. Ihr steht unbewegt genau in der Mitte zwischen den beiden Lampen. Eine andere Person bewegt sich aber nun entlang der Linie zwischen den beiden Lampen; sagen wir von der linken Lampe hin zur rechten. Jetzt sollt ihr beide bestimmen, ob die Lampen gleichzeitig eingeschaltet werden oder nicht.
Bei euch bleibt alles so wie es war. Ihr bewegt euch nicht, die Lampen bewegen sich nicht und das Licht kommt sowohl von links als auch von rechts nach genau 333,6 Nanosekunden bei euch an. Ihr stellt fest: Beide Lampen wurden gleichzeitig angeschaltet; beide Einschaltereignisse gehören also zu eurer momentanen Gegenwart. Was sieht aber die Person, die sich bewegt. Sie steht nicht still sondern bewegt sich von der linken Lampe weg und auf die rechte Lampe zu. Das Licht der linken Lampe muss also einen etwas längeren Weg zurück legen, das der rechten Lampe einen Weg der ein bisschen kürzer ist. Die Person die sich bewegt sieht also zuerst die rechte Lampe aufleuchten und danach erst die linke Lampe. Aus ihrer Sicht haben die beiden Ereignisse nicht gleichzeitig stattgefunden!
Das ist erst einmal nur das, was Albert Einstein in seiner speziellen Relativitätstheorie festgestellt hat: Die Zeit vergeht für Beobachter die sich unterschiedlich schnell bewegen auch unterschiedlich schnell. Es gibt keine absolute Zeit. Bei näherer Betrachtung ergeben sich daraus aber seltsame Konsequenzen.
Für einen bewegten Beobachter passieren andere Dinge “genau jetzt” als für einen ruhenden Beobachter. Beide haben unterschiedliche Auffassungen der Gegenwart und damit auch unterschiedliche Ansichten von Zukunft und Vergangenheit. Es kommt ganz auf die Bewegung an. Zwei Ereignisse – wie das Einschalten der beiden Lampe auf der Wiese – können gleichzeitig geschehen, so wie ihr das beobachtet wenn ihr in Ruhe zwischen den Lampen steht. Ein bewegter Beobachter kann aber je nach Art der Bewegung auch die linke Lampe vor der rechten oder die rechte vor der linken Aufleuchten sehen. Wenn sich auf der Wiese also jede Menge Personen mit verschiedenen Geschwindigkeiten in verschiedene Richtungen bewegen, dann werden sie alle zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen über die Zeit und die Abläufe kommen.
Das was für den einen schon Vergangenheit ist, kann für den anderen noch in der Zukunft liegen. Das was für manche “gerade jetzt” passiert, ist für andere schon längst geschehen und muss für wieder andere erst passieren. Es läuft alles darauf hinaus, dass es keine Möglichkeit gibt, einen bestimmten Beobachter oder einen bestimmten Zeitpunkt objektiv als “Gegenwart” zu bestimmen. Es hängt immer von der Perspektive des jeweiligen Beobachters ab. Wenn nun aber alle Beobachter und alle Perspektiven gleichwertig sind, dann folgt daraus auch, dass eben keine eindeutige “Gegenwart” GIBT. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht klar und objektiv voneinander getrennt!
Unsere Vergangenheit, die uns als fix bestimmt, schon längst abgelaufen und nicht mehr existent erscheint, ist aus Sicht eines anderen Beobachters noch gar nicht passiert. Umgekehrt ist unsere Zukunft, von der wir noch nichts wissen und wissen können die Gegenwart oder die Vergangenheit eines anderen Beobachters irgendwo im Universum.
Genau das ist das Konzept des “Blockuniversums”. Man stellt sich die komplette Raumzeit – alle Orte und alle Zeitpunkte des gesamten Universums – als großen, vierdimensionalen Block vor. Das was wir momentan als “Gegenwart” empfinden ist ein bestimmter Schnitt durch diesen Block (und ein Schnitt durch einen vierdimensionalen Block ist dann logischerweise ein dreidimensionaler Raum). Aber wie genau dieser Schnitt im vierdimensionalen Block ausgewählt wird, hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der wir uns bewegen! Wir mögen zwar nur die Gegenwart als “real” empfinden. Aber da eben alle Perspektiven gleichwertig sind und es keine Möglichkeit, eine einzige davon objektiv als “die richtige” zu bestimmen, sind eben auch ALLE Perspektiven und ALLE daraus erwachsenden Gegenwarten real.
Das gesamte Universum, in Raum UND Zeit ist gleichermaßen real. Die Vergangenheit ist nicht weniger real als die Zukunft. Nichts ist wirklich “vergangen”. Und das was aus unserer Sicht noch erst in der Zukunft passieren muss, ist für andere schon längst Vergangenheit. “Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist eine Illusion.” sagte Albert Einstein. “Wenn auch eine sehr hartnäckige…”
Kommentare (33)