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Das sagt der Autor des Artikels, Marcus über sich:
Keine Angabe
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Das 3-Zonen-Modell – Ein Mobilitätskonzept für die Stadt der Zukunft mit der Technologie von heute
Städte sind heute für viele Menschen so attraktiv wie nie. Dies belegen die stetig wachsenden Bevölkerungszahlen in unseren Großstädten. Die Gründe sind hierbei vielfältig: Ein gute Infrastruktur, ein reichhaltiges Angebot an Unterhaltungs- und Bildungsmöglichkeiten, kurze Wege und vielfältige Shopping- und Einkaufsmöglichkeiten können hier beispielhaft genannt werden.
Aber unsere Städte werden auch durch diverse Umweltprobleme geplagt. Mehrmals jährlich ist z.B. in Stuttgart Feinstaubalarm. In den Sommermonaten kühlen die Innenstädte kaum noch ab, weshalb immer mehr vor allem ältere Leute Kreislaufprobleme bekommen. Das Verkehrsaufkommen wächst, und damit verbunden die Belastung mit Abgasen. Der immanente Verkehrslärm führt zu weiterem Stress. Zusätzlich werden riesige Fläche für Straßen, Parkplätze und andere Infrastruktur benötigt. Das Radfahren ist aufgrund der vielen PKW und LKWs gefährlich und Fußgänger müssen teils große Umwege nehmen, um eine vierspurige Hauptstraße sicher überqueren zu können.
Um diese Probleme zu lösen, sind radikalere Änderungen als nur Umweltzonen oder Tempolimits notwendig. Genau aus diesem Grund möchte ich hier das 3-Zonen-Modell für Großstädte vorstellen. Hierbei handelt es sich um ein (Verkehrs-)Konzept, wie die Stadt der Zukunft aussehen kann, um den genannten Problemen effektiv entgegenzuwirken. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf die Möglichkeiten, welche die Elektromobilität bietet.
Das Besondere am 3-Zonen-Modell ist, dass sämtliche, dafür benötigten Technologien heute bereits verfügbar sind. Es handelt sich also keinesfalls um Science-Fiction, sondern um die konsequente Ausnutzung heute real existierender Lösungen. Um dies zu belegen, werde ich immer auch vorhandene Fahrzeuge benennen, die bereits heute oder in naher Zukunft erworben werden können. Jede Zone weist dabei eine typische Infrastruktur auf, welche wiederum bestimmte Transportmittel erfordert.
Der graue Bereich, also die Umgebung einer Stadt bzw. „Surrounding Area“, ist nicht Teil des 3-Zonen-Modells, weshalb für dieses Gebiet keine Einschränkungen gelten. Hier handelt es sich z.B. um umliegende Dörfer, Kleinstädte oder Industriegebiete. Diese sind über Bahnlinien, Landstraßen und Autobahnen mit der Stadt verbunden. Typisch für diese eher ländlichen Gegenden werden auch weiterhin PKW mit Verbrennungsmotoren sein, wobei es sich idealerweise um Hybridfahrzeuge oder andere umweltfreundliche Fahrzeuge handelt. Gleiches gilt für Busse und LKW. Dennoch könnten gerade Brennstoffzellenfahrzeuge aufgrund ihrer hohen Reichweite und relativ geringen Betankungszeit ebenfalls in diesen Gebieten eine wichtige Rolle spielen.
Die grüne Zone oder „Suburban Area“ umfasst vor allem Wohn- und Gewerbegebiete am Stadtrand. Hierfür typisch sind beispielsweise Reihenhaussiedlungen, ausgedehnte Gewerbefläche oder Neubausiedlungen mit Hochhäusern. Da diese Gebiete relativ jung sind, sind sie häufig bereits auf den Platzbedarf von Autos ausgelegt. Die Abstände zwischen Wohnungen, Einkaufsmöglichkeiten oder dem Arbeitsplatz sind vergleichsweise hoch, sodass die Individualmobilität hier eine hohe Relevanz hat. Für diese Zone gelten bereits erste Einfahrbeschränkungen. PKW dürfen in dieser Zone nicht mehr nur über einen Verbrennungsmotor verfügen. So muss es sich bei den PKW zwingend um einen Hybrid, Plug-In-Hybrid (PHEV), oder noch besser, um ein reines Elektroauto handeln. Zusätzlich sind Erdgasfahrzeuge (aufgrund des sehr geringen Schadstoffausstoßes und der im Vergleich zum Dieselmotor geringen Geräuschentwicklung) erlaubt. Dies gilt ebenso für Busse, Transporter und LKW. Exemplarisch seien hier folgende Modelle genannt:
- PKW: Toyota Prius, VW Passat GTE, Mercedes-Benz B 200 c
- Transporter: Fiat Ducato Natural Power, VW Caddy TGI
- Busse: Volvo 7900 Hybrid, Mercedes-Benz Citaro NGT
- LKW: Mercedes-Benz Econic NGT, Fuso Canter Eco Hybrid
Wer vom Umland in die rote Zone einfahren möchte, der muss entweder über ein oben genanntes Fahrzeug verfügen oder am Stadtrand in ein Carsharing-Fahrzeug umsteigen. Alternativ gibt es S-Bahn-Stationen mit Park+Ride-Möglichkeiten sowie Fahrradautobahnen in die Innenstadt. Da verständlicherweise nicht jeder sein Fahrrad bei einem Stadtbesuch in sein Auto laden kann, gibt es natürlich auch E-Bike-Sharing-Stationen am Stadtrand. Roller, Motorräder oder Quads mit Zweitaktmotor sind dagegen komplett verboten – ähnlich so, wie es in China bereits seit einigen Jahren in vielen Städten der Fall ist.
Kommen wir zur gelben Zone – der „Inner City“. Diese zeichnet sich durch eine relativ enge Bebauung aus, wobei auch hier noch vergleichsweise breite Straßen dominieren. Da meist die Parkplatzfläche knapp ist, wird für diese Zone eine City-Maut verlangt, um das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Um die Einfahrt zusätzlich zu beschränken, sind hier ausschließlich Fahrzeuge mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb erlaubt. Dazu zählen auch PHEVs, die dann aber im Elektromodus gefahren werden müssen.
Die Inner City verfügt dafür über ein umfassendes ÖPNV-Angebot, bestehend aus S-, U- und Straßenbahn. Elektro- und Brennstoffzellenbusse ergänzen die Transportmöglichkeiten. Waren werden über Elektrotransporter und –LKWs transportiert. Das Aufkommen an Pedelecs, E-Bikes und Elektrorollern ist in dieser Zone bereits deutlich höher als in der roten Zone, da es für diese Fahrzeuge auch viele Ladestationen und Sharing-Angebote gibt. Gleiches gilt für das Car-Sharing mit Elektroautos. Bestimmte Bereiche werden zusätzlich bereits für Autos gesperrt und sind nur für Fußgänger und Fahrradfahrer zugänglich. Typische Fahrzeuge für diese Zone sind z.B.:
- Roller, Quads: BMW C evolution, Renault Twizy
- PKW: BMW i3, Toyota Mirai, smart fortwo electric drive
- Transporter: Renault Kangoo Z.E., Nissan e-NV200 Evalia, StreetScooter Work
- Busse: BYD ebus, Mercedes-Benz Citaro FuelCELL-Hybrid
- LKW: Orten E 75 AT, Mercedes-Benz Urban eTruck
Die grüne Zone – oder das „City Center“, weist im 3-Zonen-Modell die radikalsten Veränderungen auf. Die Devise ist hier: Keine Autos in der Stadtmitte! Die Straßen werden zurückgebaut und in breite Fußgängerzonen und Radwege verwandelt. Parkplätze können zu Grünanlagen und Spielplätzen transformiert werden. Ehemalige Hauptstraßen werden zu grünen Promenaden. Die Innenstadt wird so zu einer riesigen, ruhigen und sauberen Fußgängerzone. Die Lebensqualität in diesem Gebiet kann somit enorm gesteigert werden.
Da natürlich auch hier der Bedarf nach Mobilität und Warentransport besteht, gibt es gut ausgebaute Radwege. Für Transportaufgaben werden vermehrt Lastenfahrräder eingesetzt. Segways, Elektroscooter und andere Kleinstfahrzeuge mit oder ohne Elektromotor ergänzen das Potpourri an Mobilitätslösungen. Für größere Lasten dürfen emissionsfreie LKW und Transporter zu bestimmten Zeiten das City Center ansteuern und die Läden beliefern – so, wie es heute bereits in Fußgängerzonen der Fall ist.
Neben dem ÖPNV-Schienennetz fahren elektrische Kleinstbusse durch das City Center – in naher Zukunft vielleicht auch schon autonom. Typische Fahrzeuge für diese Zone sind daher:
- Kleinstfahrzeuge: Segway i2, Pedalpower E-Harry, Revoluzzer 2.0
- Kleinstbusse: Navya Arma
- Kleintransporter: mia K
Für alle Zonen gelten natürlich auch bestimmte Ausnahmen: Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei sind von den Beschränkungen ausgenommen, wobei auch hier sukzessive auf umweltfreundliche Fahrzeuge umgestellt werden sollte. Ausnahmen soll es ebenso für Menschen mit eingeschränkter Mobilität geben. Oldtimerbesitzer dürfen mit ihren Fahrzeugen zumindest noch in die gelbe Zone vordringen.
Das 3-Zonen-Modell scheint auf den ersten Blick einen enormen Bauaufwand nach sich zu ziehen. Doch das Konzept versteht sich nicht als Revolution, sondern als Evolution der Stadt. Ein Beispiel: Anstatt die Straßen im City Center zu erneuern, könnte hier sukzessive mit dem Rückbau begonnen werden. Eine zunächst noch kleine Fußgängerzone könnte nach und nach wachsen und eine immer größer werdende Fläche einnehmen. Um die Autos aus der Innenstadt zu entfernen, können höhere Parkgebühren, Sonntagsfahrverbote oder eine City Maut eingeführt werden. In Städten wie Berlin, in denen viele Innenstadtbewohner bereits heute auf ein eigenes Auto verzichten, wären die Auswirkungen vermutlich geringer als man zunächst befürchten würde. Zeitgleich muss der ÖPNV entsprechend an Attraktivität gewinnen, um eine akzeptable Alternative zu schaffen. Eine bessere Pünktlichkeit, geringe Taktzeit und andere Maßnahmen müssen dafür umgesetzt werden. Auch preislich muss der ÖPNV an Attraktivität zulegen. Weiterhin ist ein massiver Ausbau an Lademöglichkeiten erforderlich, vor allem in der gelben Zone, um die Vielzahl an Elektrofahrzeugen laden zu können. Auch hierfür gibt es bereits viele Technologien, die dies ermöglichen, wie bspw. Steckdosen an Laternen oder Stationärspeicher als Puffer für Gebiete mit einem zu schwachen Stromnetz.
Die Technik ist also vorhanden – jetzt kommt es auf die Umsetzung an! Mit dieser kann sofort begonnen werden, damit in 10, 20 oder 30 Jahren unsere Innenstädte noch lebenswerter als bereits heute sind.
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