Das Sternbild Orion lässt sich am Nachthimmel kaum übersehen. Der linke Schulterstern Beteigeuze ebenfalls nicht. Der rote Riesenstern gehört zu den interessantesten Objekten des Himmels. Und er könnte in Zukunft vielleicht bald noch viel interessanter werden. Dann nämlich, wenn er in einer gewaltigen Explosion sein Leben beendet…
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Transkription
Sternengeschichte Folge 204: Der rote Riese Beteigeuze
Vor allem am winterlichen Himmel ist das Sternbild Orion von Europa aus kaum zu übersehen. Neben dem großen Wagen gehört es zu den markantesten und bekanntesten Konstellationen am Nachthimmel. Es fällt tatsächlich nicht schwer, in den Sternen des Orion das Bild des Jägers aus der griechischen Mythologie zu erkennen. Die drei Sterne, die seinen Gürtel ausmachen fallen besonders stark ins Auge. Genau so aber auch der eine Stern, der die linke Schulter der Figur bildet. Dieser Stern leuchtet hell und deutlich rot. Sein Name ist Beteigeuze.
Der Name stammt aus dem arabischen und bedeutet so viel wie “Hand der Riesin” und mit Riesen liegt man bei Beteigeuze gar nicht schlecht. Der Stern ist immerhin fast 640 Lichtjahre von der Erde entfernt und trotzdem der zehnthellste Stern an unserem Nachthimmel. Das liegt daran, dass er wirklich groß ist. Seine Masse ist zwanzig Mal größer als die unserer Sonne, sein Radius sogar mehr als 1000 Mal größer. Und seine Leuchtkraft entspricht dem 55.000fachen unseres Sterns. Dabei ist Beteigeuze aber deutlich kühler und hat mit einer Oberflächentemperatur von 3450 Kelvin nur etwa die Hälfte der Temperatur unserer Sonne.
Beteigeuze ist ein sogenannter Roter Überriese. So nennt man bestimmte Sterne, die schon am Ende ihrer Entwicklung angekommen sind. Wie Beteigeuze ausgesehen hat, als er sein Leben als Stern begonnen hat, ist heute schwer zu sagen. Es muss sich auf jeden Fall um einen großen und massereichen, sehr heißen Stern gehandelt haben. Vermutlich einen Stern vom Spektraltyp O, also einen blau leuchtenden Riesenstern der Temperaturen von einigen 10.000 Grad an der Oberfläche erreicht. So ein Stern verbrennt den Wasserstoff in seinem Kern enorm schnell; O-Sterne werden nicht alt.
Auch Beteigeuze ist gerade mal 10 Millionen Jahre alt und damit noch enorm jung verglichen mit den 4,5 Milliarden Jahre die unsere Sonne schon existiert. Die letzten paar zehntausend Jahre seines Lebens hat Beteigeuze aber nicht als O-Stern sondern als roter Überriese verbracht. Als der Wasserstoff in seinem Kern aufgebraucht war, fiel der Stern unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen. Dadurch wurde der Druck im Kern enorm hoch und auch die Temperatur dort stieg stark an. So stark, dass der Stern nun auch in der Lage war, Helium- und Kohlenstoffatome zu fusionieren. Durch diese neue Energiequelle begann er sich wieder auszudehen und zwar stärker als zuvor. Beteigeuze blähte sich weiter und weiter auf. Wirklich WEIT.
Würde man die Sonne durch Beteigeuze ersetzen, dann würde der Stern den gesamten Raum bis fast zur Umlaufbahn des Jupiters ausfüllen. Natürlich ist das Gas aus dem Beteigeuze besteht viel weniger dicht als das der Sonne. Und im Laufe der Zeit würde er auch wieder schrumpfen. Die hohen Temperaturen des Sterns erzeugen einen enorm starken Sternwind. Die Gravitationskraft seiner eigenen Masse reicht nicht um der aus dem heißen Kern entweichenden Strahlung etwas entgegen zu setzen. Der Stern bläst ständig große Mengen an Material hinaus ins All.
Und er verändert seine Helligkeit. Mit einer Periode von etwa 2070 Tagen wird er ein wenig heller und dunkler. Noch kann man ihn am Himmel beobachten aber in naher Zukunft könnte Beteigeuze völlig verschwinden. Ein roter Überriese kann nicht dauerhaft überleben. In seinem Kern gibt es nicht genug Helium, Kohlenstoff und andere Atome die er fusionieren kann. Irgendwann ist alles verbraucht und dann hört die Energieproduktion dort auf. Dann wird Beteigeuze tatsächlich unter seiner eigenen Gravitationskraft kollabieren und wegen seiner gewaltigen Masse wird das auch ein gewaltiges Ereignis werden. Eine der kosmischen Explosionen die man “Supernova” nennt.
Wenn das passiert, wird der Schulterstern des Orions definitiv unübersehbar sein. Er ist jetzt schon einer der hellsten Sterne am Himmel, aber wenn zur Supernova wird, wird er für einige Zeit so hell leuchten wie der Mond! Man wird ihn nicht nur in der Nacht sehen können, sondern auch am Tag. Die Explosion wird so gewaltig sein, dass theoretisch auch die Erde in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Strahlung die bei der Explosion frei wird könnte auf die Atmosphäre unseres Planeten treffen und dort die Ozonschicht zerstören, mit all den unangenehmen Folgen für das Leben auf der Erde die das mit sich bringt. Bis sich die Ozonschicht neu gebildet hat, wären wir der kosmischen Strahlung aus dem All schutzlos ausgeliefert und müssten zum Beispiel mit erhöhten Krebsraten rechnen. Aber nur theoretisch, denn in der Realität wird das nicht passieren. Die Strahlung bei so einer Explosion wird nicht in alle Richtungen gleichmäßig abgegeben sondern hauptsächlich entlang der Rotationsachse um die sich Beteigeuze dreht. Diese Achse zeigt aber nicht auf die Erde sodass hier keine Gefahr besteht.
Es ist auch noch lange nicht klar, wann Beteigeuze genau explodieren wird. Der Stern steht kurz vor dem Ende aber “kurz” kann in der Astronomie durchaus auch ein wenig länger dauern. Es könnte theoretisch morgen passieren, aber auch erst in tausend oder hunderttausend Jahren. So oder so: Am Ende wird von dem roten Riesen kaum etwas übrig bleiben. Vermutlich ein nur wenige Kilometer großer Neutronenstern, also die seltsamen Objekte über die ich schon in Folge 142 der Sternengeschichten gesprochen habe. Oder aber vielleicht auch ein schwarzes Loch.
Bis es so weit ist, sollten wir die Gelegenheit nutzen und so ein interessantes Objekt wie Beteigeuze noch ausführlich erforschen. Beteigeuze gehört zu den ganz wenigen Sternen, bei denen wir von der Erde aus mehr als nur einen simplen Lichtpunkt sehen können. Wir können Beteigeuze aufgelöst darstellen, also den Stern tatsächlich als kleines Scheibchen sehen. Sogar einige Strukturen hat man dort schon beobachtet, Bereiche die heller sind als ihre Umgebung und bei denen man davon ausgeht, dass es sich um sehr große Konvektionszellen handelt, also Regionen in denen heißes Material aus dem Inneren des Sterns an die Oberfläche steigt. Langzeitbeobachtungen haben außerdem gezeigt, dass der Stern zwischen 1993 und 2009 um 15 Prozent geschrumpft ist, ohne dabei aber seine Helligkeit merkbar zu verändern.
Auch die weniger dichten äußeren Schichten der Sternatmosphäre werden immer intensiver erforscht. Beteigeuze ist in eine gasförmige Sphäre aus Kohlenmonoxid gehüllt; weiter draußen existieren Schichten in denen man Sauerstoff- und Stickstoffatome nachgewiesen hat.
Der rot leuchtende Schulterstern im Sternbild Orion wird mit Sicherheit noch Anlass zu weiteren interessanten Entdeckungen bieten. Wir können dort erforschen, wie sich große Sterne entwickeln und ihr Leben beenden. Und wenn wir ein bisschen Glück haben, können wir dieses Ende vielleicht sogar live miterleben. Obwohl es irgendwie auch ein klein wenig schade wäre, wenn ein so schönes Sternbild wie der Orion einen seiner markantesten Sterne verlieren würde…
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