Die Erde wackelt ständig. Nein, es geht nicht um Erdbeben. Es geht um kosmische Wackelei, ausgelöst von Sonne und Mond. Das Wackeln um das es geht bemerkt auch niemand. Ausgenommen natürlich die Astronomen. Die müssen sich ganz genau mit dem Wackeln von Präzession und Nutation beschäftigen, wenn sie das Universum verstehen wollen!
Und wie immer gibt es weiter unten eine Transkription des Podcasts.
Die Folge könnt ihr euch hier direkt als YouTube-Video ansehen oder direkt runterladen.
Den Podcast könnt ihr unter
abonnieren beziehungsweise auch bei Bitlove via Torrent beziehen.
Am einfachsten ist es, wenn ihr euch die “Sternengeschichten-App” fürs Handy runterladet und den Podcast damit anhört.
Die Sternengeschichten gibts natürlich auch bei iTunes (wo ich mich immer über Rezensionen und Bewertungen freue) und alle Infos und Links zu den vergangenen Folgen findet ihr unter https://www.sternengeschichten.org.
Und natürlich gibt es die Sternengeschichten auch bei Facebook und bei Twitter.
Transkription
Sternengeschichten Folge 211: Präzession und Nutation
Es lohnt sich immer, den Mond zu beobachten. Man muss ihn nicht lange suchen, er sieht sowohl als Vollmond als auch als Mondsichel immer schön aus und wenn man das ganze auch noch mit wissenschaftlicher Exaktheit macht, kann man jede Menge entdecken. Denn der Mond ist der Himmelskörper, der unserer Erde am nächsten ist und hat daher wenig überraschend auch einen großen Einfluss auf unseren Planeten.
Und damit ist nicht der ganze esoterische Unsinn gemeint, den man in den Mondkalendern finden kann. Unser Nachbar im All schafft es auch ganz ohne pseudowissenschaftlichen Beistand jede Menge Einfluss auf unseren Planeten zu haben. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass die Erdachse wackelt.
Unsere Erde dreht sich einmal am Tag um ihre Achse. Diese Rotation sorgt für den Wechsel zwischen Tag und Nacht, aber auch für den beständigen Ablauf der Jahreszeiten. Ich habe in Folge 135 der Sternengeschichten schon ein wenig genauer darüber gesprochen: Die Achse um die sich die Erde dreht steht nicht exakt senkrecht auf die Ebene, in der sich der Planet um die Sonne bewegt. Sie ist um etwa 23,5 Grad aus der Senkrechten geneigt und weil sie schief steht, ist der Winkel des einfallenden Sonnenlichts nicht konstant sondern ändert sich, während die Sonne um die Erde kreist. Das und die ebenfalls durch die Schiefe der Erdachse verursachte unterschiedliche Dauer von Tag und Nacht im Verlauf eines Jahres sorgen dafür, dass es im Winter kalt ist und im Sommer warm. Der Mond hat damit allerdings noch nichts zu tun. Er sorgt aber dafür, dass sic die Richtung ändert in der die Erdachse am Himmel zeigt.
Dabei muss man allerdings zwei Effekte unterscheiden. Am stärksten beeinflusst wird die Richtung der Rotationsachse durch die Präzession. Heute zeigt das nördliche Ende der Erdachse in etwa in die Richtung am Himmel in der wir auch den Polarstern sehen können weswegen dieser Stern auch dazu verwendet werden kann, sich Richtung Norden zu orientieren. Aber vor ein paar Jahrtausenden hätte das nicht geklappt und in ein paar Jahrtausenden wird das nicht mehr klappen. Der Punkt auf den die Erdachse zeigt ist nicht konstant, sondern beschreibt einen Kreis am Himmel. Für eine komplette Drehung braucht die Erdachse knapp 26.000 Jahre; dann zeigt sie wieder in genau die gleiche Richtung wie zuvor.
Für die Präzession ist der Mond verantwortlich, aber auch die Sonne. Und ein wenig auch die Erde selbst. Grundlage des Phänomens sind die zwischen den Himmelskörpern wirkenden Gezeitenkräfte. Die Gezeiten zu beschreiben ist wirklich knifflig und WIE knifflig das ist, habe ich in Folge 161 der Sternengeschichten zu erklären verursacht. Auf jeden Fall führen die auf die Erde wirkenden Gezeitenkräfte von Sonne und Mond nicht nur dazu, dass sich das Wasser in den Ozeanen zu Flutbergen auftürmt bzw. bei Ebbe von den Küsten zurückzieht. Die Gezeiten verformen nicht nur die Meere sondern auch den Planeten selbst. Zusätzlich sorgt die Fliehkraft bei der Rotation der Erde dafür, dass unser Planet keine perfekte Kugel ist. Rund um den Äquator ist die Erde ein wenig dicker. Der Unterschied ist ohne exakte Messungen kaum zu bemerken; der Abstand vom Erdmittelpunkt zum Äquator ist nur wenige Kilometer größer als der Abstand vom Erdmittelpunkt zu den Polen.
Aber der Unterschied reicht aus um die Erdachse zu einer Drehbewegung zu zwingen. Die Anziehungskräfte von Sonne und Mond finden am Äquatorwulst quasi mehr Angriffsfläche und die Erde versucht sich aufzurichten und sich mit ihrer Rotationsachse wieder in die Senkrechte zu bewegen. Da diese Kraft aber gegen die stabilisierende Kraft der Kreiselbewegung ankämpfen muss, bleibt die Erdachse geneigt, bewegt sich aber im Kreis herum. So entsteht die Kreiselbewegung der Präzession. Sie ist nicht leicht zu bemerken beziehungsweise nur dann, wenn man sich bei den Beobachtungen genug Zeit lässt.
Da sich mit der Erdachse auch die Richtung verändert, in der wir hinaus ins All blicken, beeinflusst die Präzession natürlich auch die scheinbare Position all der Sterne am Himmel. Wenn wir heute einen Katalog mit Sternpositionen anlegen, müssen wir diese Positionen auf irgendeinen speziellen Punkt beziehen. In der Astronomie ist das der sogenannte “Frühlingspunkt”, also einer der beiden Punkte am Himmel, an dem die Ebene der Erdbahn die Äquatorebene der Erde schneidet. Wegen der Präzession bewegt sich aber auch der Frühlingspunkt langsam im Kreis herum und damit ändern sich auch alle auf ihn bezogenen Sternpositionen.
Der erste dem das aufgefallen ist, war der griechische Astronom Hipparch der vor mehr als 2000 Jahren selbst die Position von Sternen bestimmt und seine Ergebnisse mit den noch älteren Sternkatalogen der Babylonier verglichen hatte. Dabei entdeckte er eine systematische Abweichung die von der Präzession verursacht worden ist. Damals und in den folgenden Jahrhunderten war den Menschen aber noch nicht klar, dass das ganze mit den Gezeiten und der Drehung der Erde um ihre Achse zu tun hatte. Die meisten Menschen gingen ja noch davon aus, dass sich nicht die Erde dreht sondern der Rest des Universums um sie herum. Und auch die Gezeiten selbst hatte man lange nicht vernünftig verstanden. Erst Isaac Newton konnte im 17. Jahrhundert sowohl die Gezeiten als auch die Präzession korrekt erklären.
Und noch ein wenig länger hat es gedauert, bis man auch dem zweiten wichtigen Aspekt bei der Bewegung der Erdachse auf die Spur gekommen ist. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war der britische Astronom James Bradley ein Pionier der modernen Astrometrie, also der Disziplin die sich mit der Messung der Sternpositionen beschäftigt. Er vermass tausende Sterne genauer als man es bisher geschafft hatte; unter anderem mit dem Ziel die Parallaxe eines Sterns zu messen. Auch das ist eine scheinbare Veränderung ihrer Position die in diesem Fall von der Bewegung der Erde um die Sonne herum verursacht wird. Weil wir uns im Verlauf eines Jahres an unterschiedlichen Orten der Erdbahn befinden und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zum Himmel schauen, ändert sich die Position eines Sterns in Bezug auf die Hintergrundsterne. Der Effekt ist minimal, wäre aber zum damaligen Zeitpunkt nicht nur ein handfester Beleg für das heliozentrische Weltbild gewesen sondern hätte auch das erste Mal die Möglichkeit geboten, die Distanz zu den Sternen zu messen. Bradleys Instrumente waren allerdings noch nicht genau genug, um die Parallaxe zu messen; das gelang erst im 19. Jahrhundert. Dafür fand er aber überraschend einen anderen Effekt, der ebenso gut geeignet war die Bewegung der Erde um die Sonne herum zu beweisen – über diese Aberration des Sternenlichts habe ich in Folge 83 ausführlich gesprochen.
Bei all seinen Beobachtungen des Himmels fand Bradley aber auch ein paar interessante Dinge über den Mond heraus. Die Positionen der von ihm vermessenen Sterne änderten sich periodisch mit einer Periode von 18,6 Jahren. Zwar nur sehr minimal aber doch so, dass Bradley es nicht ignorieren konnte. Bei seinen Beobachtungen des Mondes fand er die Ursache. Die Ebene in der der Mond um die Erde kreist ist um etwa 5 Grad gegenüber der Ebene der Erdbahn geneigt. Die Linie in der sich die beiden Ebenen schneiden ist allerdings nicht konstant, sondern dreht sich während 18,6 Jahren einmal im Kreis herum. Auch das wird wieder von der etwas unförmigen Erde und den wirkenden Gezeitenkräften verursacht. Während sich die Mondbahn im Kreis herum dreht, ändert sich auch der Einfluss den er auf die Erde bzw. die Erdachse ausübt und erzeugt so ein zusätzliches Wackeln der Erdachse.
Die Erdachse beschreibt also im Laufe von 26.000 Jahren einen Kreis am Himmel. Diese Periode ist die Präzession aber der Kreis der Präzession ist selbst nur eine Näherung. Überlagert ist der Präzession das Wackeln mit einer Periode von 18,6 Jahren, die Nutation. Die Erdachse beschreibt also eine kreisförmige Schlangenlinie am Himmel, die das Resultat von Präzession und Nutation darstellt.
Wer Präzession und Nutation nicht berücksichtigt, kann keine genauen Sternpositionen angeben. Nur wenn wir verstehen, wohin die Erdachse zeigt und in welche Richtung wir zum Himmel blicken, können wir auch das Universum verstehen!
Kommentare (15)