Dieser Artikel ist Teil der blogübergreifenden Serie “Running Research – Denken beim Laufen”, bei der es um die Verbindung von Laufen und Wissenschaft geht. Alle Artikel der Serie findet ihr auf dieser Übersichtseite
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Es ist Sonntag Morgen. Und ich mache mich bereit, ein wenig zu laufen. Nichts neues, das mache ich seit mehr als zwei Jahren sehr regelmäßig. Neu ist allerdings, das mir das jetzt deutlich schwerer fällt. Schon auf den ersten Metern spüre ich wie schwer meine Beine sind und das ich mich richtig anstrengen muss. Normalerweise würde ich jetzt wie sonst auch immer in die Jenaer Kernberge hoch laufen aber ich weiß genau, dass ich die Berge nicht schaffen werde. Aber es ist Sonntag, also kann ich auch mal entlang der Straße laufen. Los geht es also nach Jena-Nord und das malerische Gewerbegebiet. Wie gesagt: Es ist anstrengend. Nach 2,5 Kilometer verspüre ich schon den Wunsch, anzuhalten und ein wenig Pause zu machen. Das war früher höchstens dann der Fall, wenn ich sehr lange bergauf gelaufen bin oder irgendwann gegen Ende eines Marathonlaufs. Aber heute schaffe ich nichtmal auf so einer kurzen Distanz die Geschwindigkeit, die ich sonst während eines Marathons problemlos laufen kann. Irgendwie geht gerade gar nichts.
Sowas kommt vor. Auch in der Wissenschaft: Die Forschung ist ein kreativer Prozess und man kann nicht immer und zu jeder Zeit erfolgreich nachdenken. Manchmal geht man Tag für Tag in die Universität ohne einen brauchbaren Gedanken zu haben. Nobelpreisträger Richard Feynman hat einmal gesagt, dass er in solchen Phasen besonders glücklich über seine Lehrverpflichtung war, denn anstatt zu forschen konnte er sich in solchen “schwierigen” Phasen einfach mit der Lehre auseinandersetzen und hatte trotzdem das Gefühl, er würde etwas sinnvolles tun (was er ja auch tat, Lehre ist höchst sinnvoll!).
Beim Sport ist es irgendwie frustrierender. Ich laufe jetzt seit bald drei Jahren regelmäßig und habe so etwas noch nie erlebt. Ich arbeite mich heute auf einer völlig ebenen Strecke vorwärts; zähle die Kilometer die mir noch fehlen bis ich nach 10km endlich wieder zuhause ankomme und bin währenddessen so langsam unterwegs wie nie zuvor auf einer 10km-Runde. Und heute ist nicht der erste Tag, an dem das so ist. Das geht schon ein paar Wochen so. Als ich Anfang Oktober beim 3-Länder-Marathon am Bodensee gelaufen bin, war alles noch mehr oder weniger ok. Ich hab den Marathon in einer Zeit von 3h35 geschafft, was zwar sieben Minuten über meiner Bestzeit liegt, aber angesichts der Tatsache, dass ich nicht gezielt für diesen Marathon trainiert habe durchaus ok war. Ich war zufrieden mit meiner Leistung und optimistisch, und habe Pläne für den Rest des Laufjahrs gemacht.
Aber unmittelbar nach dem Marathon hat mich eine fiese Erkältung erwischt (dem Open-Window-Effekt sei dank) und ich bin eine Woche lang gar nicht mehr gelaufen. Danach fing die intensive Phase der Herbstour der Science-Busters an, was einem regelmäßigen Training auch nicht unbedingt gut tut. Während so einer Tour verbringt man den Tag entweder damit, von A nach B zu reisen und kann nicht laufen. Oder man steht bis spät Nachts auf der Bühne und hat nur früh morgens am nächsten Tag Zeit für ein paar unausgeschlafene Laufkilometer.
Wo ich im Sommer noch 70 bis 90 Kilometer pro Woche gelaufen bin, waren es im November und Dezember nur noch 40 bis 60 Kilometer. Und dabei auch immer deutlich langsamer als zuvor. Ich hatte früher auch immer wieder mal Phasen, in denen ich aus verschiedensten Gründen nicht so viel trainieren konnte wie ich das normalerweise tue. Aber sobald ich wieder Zeit für mehr Läufe hatte, hatte ich auch schnell meine alte Form wieder. Davon bin ich heute weit entfernt. Wo ich am Anfang noch mit einer Pace von 5:30 min/km unterwegs war, laufe ich auf den letzten Kilometern knapp unter 6 min/km vor mich hin. Normalerweise schaffe ich die 10 Kilometer im Trainingsmodus mit einer Pace von um die 4:30 min/km; einen Marathon kann ich um die 5min/km laufen (und hab es schon mehrmals schneller geschafft). Aber dieses Tempo ist derzeit komplett außerhalb meiner Reichweite.
In der Wissenschaft habe ich solche Phasen in denen nichts mehr geht auch öfter erlebt. Aber früher oder später war es immer so, dass ein neuer Gedanke auftaucht, der die Forschungsarbeit wieder vorwärts treibt. So ein Gedanke fehlt mir jetzt. Seit ein paar Wochen komme ich beim Laufen nicht mehr voran und ich weiß nicht, woran es liegt. Ja, ich bin zur Zeit ein wenig gestresster als sonst; ich schlafe nicht so viel wie sonst und mir fehlt dank der Science-Busters-Tour ein geregelter Rhythmus. Aber das war auch früher schon so und wenn ich früher gemerkt habe, dass ich nicht mehr so fit und nicht mehr so schnell laufen kann, haben ein paar Tage Ruhe gereicht. Jetzt habe ich das Gefühl, nach jedem Ruhetag wird es schlimmer als zuvor.
Früher bin ich so gut wie jede Woche mindestens einmal eine Strecke zwischen 30 und 35 Kilometern gelaufen. In den letzten Wochen hat das auch nicht mehr so geklappt; zuerst aus Krankheits/Zeitgründen und jetzt, weil ich es vermutlich gar nicht mehr so weit schaffen würde. Vor drei Wochen habe ich einen 30-Kilometer-Lauf in Graz geschafft, aber in den letzten beiden Wochen nur jeweils 20 Kilometer bei den “langen” Läufen absolviert.
Vor dem Herbst habe ich an den meisten Tagen abends auch noch immer 30 bis 60 Minuten Training auf dem Heimtrainer eingelegt und bin beim Fernschauen ein wenig vor mich hin geradelt – etwas, zu dem mir in den letzten Monaten auch die Zeit gefehlt hat. Aber auch das war früher schon so; die Phasen in denen ich Zeit hatte, regelmäßig auf dem Rad zu strampeln kamen und gingen…
Ich bin tatsächlich langsam ein klein wenig frustriert. Laufen macht mir großen Spaß und ich habe diesen Sport mit Begeisterung betrieben; meine Urlaube und Reisen anhand schöner Laufstrecken geplant; mich auf lange Läufe gefreut… und jetzt ist schon eine 10-Kilometer-Runde anstrengend, die ich noch vor ein paar Wochen nur dann gelaufen, wenn ich einen Tag mit nicht allzu viel Aktivität einlegen wollte.
Ich weiß, dass ich viele begeisterte Läuferinnen und Läufer in meiner Leserschaft habe. Vielleicht habt ihr so etwas ja auch schon mal erlebt? Vielleicht habt ihr eine Ahnung, was der Grund dafür sein könnte? Übertraining? Aber das kann eigentlich nicht sein, denn ich habe ja in den letzten Wochen nicht mehr, sondern weniger trainiert. Oder ist das der Grund? Muss ich mich wieder auf einem niedrigeren Leistungsniveau einrichten und langsam in meine alte Form zurücktrainieren? Aber warum hat ein wenig Pause bzw. eine Phase verringerter Aktivität auf einmal so eine leistungsdrückende Wirkung, wo ich solche Probleme in der Vergangenheit nie gehabt habe? Werde ich etwa plötzlich alt? 😉
Wie gesagt: Ich wäre für Hinweise und eigene Erfahrungsberichte dankbar (und wer mehr über meine Trainingsläufe erfahren will, kann mir gerne bei Strava folgen). Immerhin steht ja 2017 vor der Tür und ich hätte da schon noch ein paar Ambitionen und nette Wettbewerbe, an denen ich teilnehmen möchte…
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