Die chinesische Mauer ist das einzige Bauwerk von Menschenhand, dass man mit freiem Auge aus dem Weltall sehen kann! Wird zumindest oft behauptet. Genau so oft hört man die Forderung von Verschwörungstheoretikern, dass die Mondlandungen nicht stattgefunden haben, weil Teleskope von der Erde aus nichts davon sehen können. Beide Aussagen lassen sich leicht aufklären, wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, was man alles sehen kann und warum. Genau das ist das Thema der aktuellen Folge der Sternengeschichten.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 216: Die chinesische Mauer und das All – was wir sehen können und was nicht
Teleskope sind super! Ohne Teleskope wäre die Astronomie längst nicht so weit wie sie ist und wir wüssten deutlich weniger über das Universum als wir es tun. Teleskope erlauben uns so viel mehr zu sehen als unsere Augen es können. Aber alles können wir damit natürlich auch nicht sehen. Was genau man sehen kann und wie das mit der alten Geschichte von der chinesischen Mauer ist, die man als einziges Bauwerk auch aus dem Weltall sehen können soll, ist das Thema der aktuellen Folge der Sternengeschichten.
Über die Funktionsweise von Teleskopen habe ich ja schon in Folge 107 der Sternengeschichten gesprochen. Wichtig ist vor allem zu verstehen, dass Astronomen Teleskope nicht benutzen, um Objekte zu vergrößern. Das ist wichtig, wenn man ein Fernrohr hier auf der Erde einsetzt, weil man zum Beispiel im Wald Tiere ganz aus der Nähe betrachten möchte. Aber die Sterne und Galaxien im Weltall sind viel zu weit entfernt als das irgendeine Vergrößerung hier einen Effekt hätte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen – zum Beispiel wenn es um vergleichsweise nahe Himmelskörper wie den Mond oder den Mars geht – nutzt man Teleskope nicht um mehr Details zu erkennen sondern um mehr Licht zu sammeln, damit man immer schwächere und ansonsten für das Auge unsichtbare Objekte noch erkennen kann.
Das alles ist für Astronominnen und Astronomen selbstverständlich, führt aber bei Leuten die mit der Technik von Teleskopen nicht so sehr vertraut sind, oft zu Missverständnissen. Und zum Beispiel zu der Frage, warum man nicht einfach die Überreste der bemannten Mondlandungen mit dem Teleskop fotografiert um so eindeutig zu beweisen, dass sie stattgefunden haben. Nun, abgesehen davon, dass es keine neuen Beweise für die Mondlandung braucht weil schon immer zweifelsfrei festgestanden hat, dass sie keine Erfindung sind: Es wäre auch gar nicht möglich.
Wie gut optische Instrumente ferne Details erkennen können, wird mit dem sogenannten Auflösungsvermögen beschrieben. So wird der Abstand zwischen zwei Punkten bezeichnet, der gerade noch groß genug ist, um die beiden Punkte auch als einzelne Punkte erkennen zu können. In der Astronomie wird dieser Abstand als Winkel angegeben. Das ist aber nicht zu schwer zu verstehen. Der Mond zum Beispiel nimmt am Himmel einen Winkelbereich von einem halben Grad ein. Anders gesagt: Ziehe ich eine gerade Linie von meinem Auge zur oberen Kante der Vollmondscheibe und eine zweite Linie von meinem Auge zur unteren Kante der Vollmondscheibe, dann liegt zwischen den beiden Linien ein Winkel von einem halben Grad. Oder noch einmal anders gesagt: Wenn ein Kreis der einmal um den gesamten Himmel herum führt 360 Grad hat, dann braucht man zwei Vollmonde pro Grad, also insgesamt 720 Vollmondscheiben, um die Linie rund um den Himmel komplett zu bedecken.
Hat man es mit kleineren Objekten zu tun, dann kann man das Grad auch noch in 60 Bogenminuten unterteilen und jede Bogenminute in 60 Bogensekunden. Und wenn man den Abstand zwischen dem optischen Gerät und dem Objekt das man beobachtet kennt, kann man die Winkelgrößen auch sehr einfach in absolute Distanzen umrechnen.
Am einfachsten ist das mit einem Beispiel zu verstehen. Das Auflösungsvermögen eines optischen Instruments wird im wesentlichen durch zwei Phänomene begrenzt. Einmal die Turbulenzen in der Luft: Je größer sie sind, desto schlechter wird das Bild und desto weniger Details kann man erkennen. Das lässt sich aber mit verschiedenen Techniken umgehen, zum Beispiel der adaptiven Optik von der ich in Folge 106 gesprochen habe. Viel wichtiger ist die Beugung: Trifft ein Lichtstrahl auf ein Objekt, wird er leicht abgelenkt und das begrenzt ebenfalls die Möglichkeit, Details zu sehen. Wie stark sich die Beugung auswirkt hängt von der Wellenlänge des Lichts ab, mit der man beobachtet und von der Öffnung des Beobachtungsinstruments, durch die das Licht fällt. Teilt man die Wellenlänge durch die Öffnungsgröße und multipliziert das Ergebnis noch mit 1,22, dann erhält man den Sinus des Winkels der das Auflösungsvermögen beschreibt.
Unser Auge ist ein optisches Instrument mit einer Öffnung – der Pupille – die etwa 2 Millimeter groß ist. Unser Auge kann sichtbares Licht wahrnehmen, das zum Beispiel eine Wellenlänge von 550 Nanometern hat. Führt man die entsprechende Berechnung nach der eben erklärten Formel durch, dann erhält man ein theoretisches Auflösungsvermögen unseres Auges von etwas mehr als einer Bogenminute. Der Mond hat ja – wie schon erwähnt – eine Winkelgröße von einem halben Grad, also 30 Bogenminuten. Unser Auge ist also durchaus in der Lage, Dinge am Himmel aufzulösen, die kleiner als der Mond sind. Und da wir auch wissen, wie weit der Mond von der Erde entfernt ist, können wir die Winkelgröße von einer Bogenminute umrechnen. In einer Distanz von 370.000 Kilometer – der durchschnittlichen Entfernung des Mondes – entspricht ein Winkel von einer Bogenminute einer Strecke von etwa 125 Kilometern. Mehr schafft unser Auge nicht: Alles was kleiner als diese 125 Kilometer ist, können wir ohne technische Hilfsmittel auf dem Mond nicht erkennen.
Mit der gleichen Formel kann man auch leicht berechnen, wie das mit den Überresten der Mondlandung ist. Die amerikanische Fahne die an allen Landestellen aufgestellt wurde ist zum Beispiel knapp einen Meter groß. Um mit einem Teleskop von der Erde aus ein entsprechendes Auflösungsvermögen zu erreichen müsste das einen Spiegel von knapp 250 Metern Durchmesser haben. Das ist technisch nicht zu realisieren und selbst dann würden die Störungen durch die Erdatmosphäre eine klare Beobachtung des Mondes schwierig machen. Es bringt auch nichts, wenn man ein Teleskop in eine Erdumlaufbahn schickt – die paar hundert Kilometer machen keinen Unterschied weswegen auch das Hubble-Weltraumteleskop nichts von den Mondlandungen sehen kann. Man muss den Abstand zum Mond schon deutlicher verringern und einen Satelliten hinschicken, der die Landestellen fotografiert. Genau das ist übrigens auch passiert; der Lunar Reconnaissance Orbiter hat das zwischen 2009 und 2011 getan und dabei auch die Landestellen der Apollo-Missionen so detailliert fotografiert, dass man sogar die Fußspuren der Astronauten sehen konnte.
Und wie sieht es umgekehrt aus? Was kann man auf der Erde vom Weltall aus erkennen? Eine alte Geschichte besagt ja, dass die Chinesische Mauer das einzige Bauwerk von Menschenhand ist, dass man vom Weltall bzw. sogar vom Mond aus mit freiem Auge erkennen kann. Die Behauptung geht auf den britischen Alterumsforscher William Stukeley zurück, der im 18. Jahrhundert darüber spekuliert hatte und seitdem taucht sie immer wieder auf. Dass sie auf jeden Fall falsch ist was den Mond angeht, sollte klar sein. Was für den Blick von der Erde in Richtung Mond gilt, gilt umgekehrt genau so. Auch vom Mond aus kann man auf der Erde keine Details erkennen, die kleiner als 130 Kilometer sind. Und die chinesische Mauer ist zwar ein paar tausend Kilometer lang, aber selbst an ihrer breitesten Stelle nur 9 Meter breit. Vom Mond sieht man also nichts davon – was die Apollo-Astronauten auch bestätigt haben.
Aber wie sieht es von etwas näher aus? Die Raumstation fliegt knapp 400 Kilometer über der Erdoberfläche. Aus dieser Höhe kann man mit freiem Auge auf der Erde Strukturen erkennen, die mindestens 134 Meter groß sind. Auch das reicht also nicht für die chinesische Mauer und tatsächlich berichten die Astronauten auch, dass sie nicht zu erkennen ist. Nur mit fotografischer Ausrüstung kann man sie – gerade so – fotografieren. Die Mauer ist ja nicht nur sehr schmal, sondern auch recht unscheinbar was den Kontrast angeht. Die Farbe ihres Baumaterials hebt sich nicht sonderlich von der Umgebung ab und wenn man nicht weiß wo sie ist und nicht gerade sehr spezielle Beleuchtungs- und Kontrastverhältnisse herrschen, ist sie nicht zu sehen.
Das heißt natürlich nicht, dass gar keine menschlichen Bauwerke aus dem All sichtbar sind. Städte, Straßen und Brücken sind von der Raumstation gut sichtbar; auch mit freiem Auge. Und mit entsprechenden Kameras und optischen Instrumenten kann man auch kleinste Details sehen – ansonsten würden sich ja auch nicht so viele Länder die Mühe machen und Spionagesatelliten ins All schicken. Am besten erkennt man die menschlichen Bauwerke aber natürlich auf der dunklen Nachtseite der Erde. Dort sind die Städte alle hell beleuchtet und das lässt sich kaum übersehen. Vom Weltall aus ist das sicherlich ein schöner Anblick; wer dagegen aus den hellen Städten in Richtung Himmel blickt hat vermutlich weniger Spaß und wird kaum etwas erkennen. Man kann eben nicht immer alles sehen…
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