Das Wetter künstlich zu beeinflussen ist ein alter Traum der Menschen. Es wäre toll, wenn wir Sonne und Regen haben könnten, wann immer wir das wollen. Und es ist kein Wunder, das sich auch Wissenschaftler immer wieder mit der Frage nach der Wettermanipulation beschäftigt haben. Während des kalten Kriegs gab es sogar ein regelrechtes Wettrüsten im “Wetterkrieg” zwischen Ost und West. Funktioniert hat das ganze nie – und heute sind von all den Bemühungen um die Wettermanipulation nur jede Menge Verschwörungstheorien übrig geblieben…
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Transkription
Sternengeschichten Folge 219: Wetterkrieg und Wettermanipulation
Meteorologie ist keine Astronomie. Aber eine gewissen Grundkenntnis über das Wetter muss man auch als Astronom besitzen. Ein Planet wie Jupiter ist zum Beispiel ein einziges riesiges Wettersystem; die Eigenschaften von unseren Nachbarn Mars und Venus können wir nur verstehen, wenn wir auch die Vorgänge in deren Atmosphären verstehen. Bei der Suche nach den lebensfreundlichen Planeten anderer Sterne müssen wir uns selbstverständlich auch Gedanken über das dortige Wetter machen. Und wenn die Astronomen in den Himmel blicken wollen, dann können sie das nur, wenn keine Wolken den Blick auf die Sterne versperren. Das Wetter ist also von großer Bedeutung für die Astronomie. Und wenn der Nachthimmel wieder einmal voll Wolken hängt, dann wünscht sich so mancher Astronom, dass man dem Wetter nicht nur passiv ausgeliefert ist, sondern es auch verändern kann.
Mit diesem Wunsch sind die Astronomen nicht alleine. Seit es Menschen gibt spielt das Wetter eine große Rolle in ihrem Leben und sie denken darüber nach, wie sie es beeinflussen können. Als man Donner und Blitz; Sonne und Regen noch dem Wirken der Götter zugeschrieben hat, hat man versucht das Wetter mit religiösen Ritualen und Opfergaben zu beeinflussen. Als man dann anfing die Vorgänge in der Atmosphäre der Erde ein wenig besser zu verstehen, ging man dazu über, sich auch auf wissenschaftliche Art und Weise Gedanken über die Wettermanipulation zu machen.
Den Beginn der wissenschaftlichen Erforschung der Wettermanipulation könnte man auf den 24. Juni 1942 datieren. Natürlich gab es auch schon früher diverse Leute (und sehr viele davon echte Scharlatane) die mit verschiedenen dubiosen Methoden probierten Regen zu machen oder Wolken zu vertreiben. Aber an diesem Tag demonstrierten Irving Langmuir und sein Assistent Vincent Schaefer vor einem Publikum aus Politikern und Militärangehörigen, dass sie in der Lage waren ein ganzes Tal hinter einer künstlichen Nebelwand zu verstecken. Es waren keine echten Wolken die sie erzeugt hatten; es war eine Art sehr frühe Nebelmaschine aber es war schnell klar, wozu man so etwas brauchen konnte. Immerhin herrschte damals Krieg auf der Welt und wenn man einen Angriff der eigenen Soldaten mit künstlichen Nebel vor dem Feind verstecken konnte, war das keine schlechte Sache. Langmuir und seine Kollegen beschäftigten sich von da an weiter mit der Erforschung von Wolken, deren Eigenschaften und der Frage, wie man das Wetter im militärischen Sinne beeinflussen kann.
Und Irving Langmuir war nicht irgendwer! Er war Chemiker und erfand zum Beispiel eine neuartige Vakuumpumpe. Er fand heraus, dass man die Lebensdauer von Glühlampen verlängern konnte, wenn man sie mit bestimmten Gasen füllte. Er entwickelte eine neue Schweißtechnik. Er arbeitete als einer der ersten Forscher überhaupt mit Plasma, also Gasen die so heiß sind, dass sich die Elektronen aus der Atomhülle von den Atomkernen trennen und er war derjenige, der das Wort “Plasma” geprägt hatte. Er trug zum Verständnis von Atomen bei und beschrieb die Oberflächen von Molekülen und Materialien auf eine ganze neue Weise. Und 1932 bekam er für seine „Entdeckungen und Untersuchungen zur Oberflächenchemie“ den Nobelpreis für Chemie. Langmuir war also einer der besten Chemiker seiner Zeit. Und überzeugt davon, dass er es schaffen könnte, das Wetter zu manipulieren.
Sein Kollege Vincent Schaefer entdeckte 1946, dass man mit Trockeneis das Wasser in der Luft dazu bringen kann, sich in Eiskristalle zu wandeln. Die Entdeckung war Zufall: Der Kuhlschrank mit dem Schaefer seine Experimente durchführte war nicht kalt genug und deswegen schmiss er einfach ein Stück gefrorenes Kohlendioxid hinein. Die Temperatur der Luft sank schlagartig und ebenso schlagartig entstanden jede Menge Eiskristalle. Schon ein winziges Stück Trockeneis reichte aus um eine große Anzahl an Eiskristallen zu erzeugen.
Langmuir und Schaefer wollten sofort wissen, was Trockeneis mit natürlichen Wolken anstellen würde. Wolken bestehen ja aus Wassertropfen (wie ich in Folge 105 der Sternengeschichten ausführlich erklärt habe). Wenn Trockeneis in der Luft dafür sorgen kann, dass sich das Wasser in Eiskristalle verwandelt, kann es das in Wolken vielleicht auch. Und wenn es in einer Wolke Eiskristalle gibt, können sich um diese Kristalle herum immer mehr Wassertropfen anlagern – es entsteht Schnee und wenn der tief genug fällt, wird aus dem Schnee Regen. Man müsste also nur ein wenig Trockeneis in die Wolken werfen und könnte sie so dazu bringen, abzuregnen und sich aufzulösen.
Entsprechende Versuche mit echten Wolken und Flugzeugen wurden durchgeführt. Und lieferten Ergebnisse, die nicht wirklich eindeutig waren. Langmuir und seine Kollegen waren überzeugt davon, dass sie tatsächlich Regen machen konnten. Andere Meteorologen wandten ein, dass man aus den Versuchen keine brauchbaren statistischen Daten ableiten könne. Man weiß ja nicht, was die Wolke gemacht hätte, wenn man sie nicht mit Trockeneis behandelt hätte.
Trotzdem: Die militärischen und wirtschaftlichen Verlockungen der Wettermanipulation waren zu groß. Langmuir forschte weiter. Immer wieder wurden Wolken mit Trockeneis behandelt. Man versuchte sogar, den Weg von Hurrikanen durch die Beigabe von Trockeneis zu verändern. 1947 entdeckte Bernard Vonnegut, ein weiterer Kollegen von Langmuir, dass man mit Silberjodid noch bessere Ergebnisse erreichen kann als mit Trockeneis. Es bildeten sich noch schneller und noch mehr Eiskristalle, da die Struktur der Silberjodidkristalle den Kondensationskernen von Schneeflocken sehr ähnlich war. Außerdem löste sich das Silberjodid nicht einfach auf, wie das Trockeneis sondern blieb lange in der Atmosphäre bestehen. Es gab weitere Versuche mit beeindruckenden Namen wie “Project Cirrus” oder “Operation Cumulus” und weiterhin keine eindeutigen Ergebnisse. Davon wollte Langmuir allerdings nichts hören. Er war zum Beispiel fest davon überzeugt, dass seine Experimente mit Trockeneis dazu geführt hatten, dass der Hurrikan King im Jahr 1947 seinen Kurs geändert hatte – und als Meteorologen ihn darauf hinwiesen, dass diese Kursänderung schon vor seinen Experimenten von ihnen prognostiziert wurde, wurde er nur wütend und beleidigte sie.
Das Problem an der Sache war die Statistik. Es war nicht möglich, irgendetwas verbindliches aus all den Experimenten mit Trockeneis und Silberjodid abzuleiten. Mal passierte etwas; mal passierte nichts und niemand wusste, was passiert oder nicht passiert wäre, wenn es keine Experimente gegeben hätte. Langmuir war ein guter Chemiker und seine Arbeit an der Wettermanipulation erfolgte nach wissenschaftlichen Maßstäben und mit wissenschaftlichen Methoden. Er war allerdings kein Experte für Meteorologie und er ließ sich bei der Interpretation der Ergebnisse von seinem Wunschdenken leiten und nicht der Realität der Daten. Andere und echte Experten für das Wetter wiesen darauf hin, dass die Vorgänge in der Atmosphäre komplex sind. Prozesse auf mikroskopisch kleinen Skalen beeinflussen das Wetter ebenso wie Prozesse in globalem Maßstab. Und alle treten miteinander in Wechselwirkung. Das ganze System des Wetters ist ein chaotisches System und es ist so gut wie unmöglich einen einzigen Faktor herauszugreifen und ihn für maßgebliche Veränderungen verantwortlich zu machen. Das, was Langmuir tat, war sogenannte pathologische Wissenschaft. Er verwendete wissenschaftliche Methoden um etwas zu erforschen, was unwissenschaftlich war. Andere erkannten das, Langmuir selbst aber nicht. Was umso tragischer war, da es niemand anderer als Langmuir selbst war, der 1953 den Begriff “Pathologische Wissenschaft” erfand und einführte um Dinge wie die Erforschung von fliegenden Untertassen oder Telepathie zu beschreiben. Dass auch seine Arbeit zur Wettermanipulation darunter fiel, merkte er nicht.
Vor allem auch, weil es immer noch genug einflussreiche Leute gab, die ihm sehr genau zuhörten. Während des Kalten Krieges gab es zwischen den USA und der UdSSR nicht nur ein Wettrüsten in Sachen Nuklearwaffen. Auch die militärische Wettermanipulation beschäftigte beide Nation. Man stellte sich vor, wie man mit gezielter Wettermanipulation eine Dürre über Feindesland auslösen könnte. Oder sintflutartigen Regen über der Armee des Gegners niedergehen lassen könnte um ihn so zu immobilisieren. Man könnte Hurrikans zum Feind umleiten, seine Schiffe in die Häfen und die Flugzeuge auf den Boden zwingen. Das alles klang zu verlockend für die Generäle und Politiker und niemand wollte das Risiko eingehen, beim “Wetterkrieg” ins Hintertreffen zu geraten. All die Experimente die schon früher durchgeführt worden sind, wurden weitergeführt und die Ergebnisse waren genau so wenig eindeutig wie zuvor.
Das hinderte aber zum Beispiel die USA nicht daran, in den Jahren von 1967 bis 1972 die “Operation Popeye” durchzuführen. Dieses damals und auch noch lange danach streng geheime Programm war dafür ausgelegt, das Wetter in Südostasien zu modifizieren, wo sich die USA gerade in ihrem tragischen Krieg mit Vietnam befand. Man wollte die Straßen und Wege des Ho-Chi-Minh-Pfades durch künstlich erzeugten Regen unpassierbar machen und so den Vietnamesen den Transport von Material und Truppen erschweren. Fünf Jahre lang gab man jedes Jahr 3,6 Millionen Dollar aus um während mehr als 2600 Flügen Wolken mit Silberjodid zu behandeln. Gebracht hat es nichts, weder gewannen die USA den Krieg noch gab es irgendwelche brauchbaren Daten die belegten, dass das ganze irgendeinen messbaren Effekt auf den Regen in der Region hatte.
Die Situation hat sich bis heute nicht geändert. Es gibt immer noch keinerlei Daten die belegen, dass man das Wetter tatsächlich gezielt und reproduzierbar beeinflussen kann. Was aber natürlich nichts daran ändert, dass es nicht immer noch probiert wird. Während der olympischen Sommerspiele des Jahres 2008 in Peking verkündete China zum Beispiel, dass es die Wolken manipulieren wolle um Regen während der Veranstaltungen zu verhindern. In Österreich, Deutschland und anderswo auf der Welt fliegen Kleinflugzeuge durch die Wolken um Hagelschäden in der Landwirtschaft zu verhindern oder Regen zu provozieren. Aber dass all diese Bemühungen auch funktionieren: Dafür gibt es keinen verlässlichen Nachweis.
Es ist immer noch ein wenig so wie früher: Damals haben wir den Göttern Opfer gebracht in der Hoffnung, dass sie uns Regen oder Sonnenschein schicken. Jetzt schießen wir aus Flugzeugen auf die Wolken und bilden uns ein, dass wir so Kontrolle über das Wetter haben könnten. Oder entwickeln Verschwörungstheorien über böse Regierungen oder Geheimorganisationen, die unser Wetter heimlich durch Chemtrails aus geheimen Chemie-Sprühflugzeugen manipulieren. Und mit großen Radioanlagen mysteriöse Strahlen in den Himmel schicken um so Wolken zu erzeugen oder zu vertreiben. Die Geschichte der Wettermanipulation ist voll von Scharlatanen, Betrüger und esoterischem Unsinn. Sie ist aber auch voll von echten Wissenschaftler die ihr bestes getan haben, um die chaotischen Vorgänge in unserer Atmosphäre zu verstehen und zu kontrollieren. Das mit der Kontrolle hat nicht geklappt, aber das Verständnis des Wetters wird immer besser. Am Ende müssen wir uns aber immer damit abfinden, dass das Chaos eben nunmal das Chaos ist. Es lässt sich verstehen, aber nicht beliebig genau vorhersagen. Und noch schwerer manipulieren. Auch wenn ich mir als Astronom durchaus manchmal wünschen würde, man könnte die Wolken einfach vom Nachthimmel blasen und den Blick auf die Sterne freigeben: Es wird weiterhin ein Wunsch bleiben.
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