Es ist immer noch höchst absurd, die aktuellen Nachrichten aus den USA zu verfolgen. Es ist absurd dass ein Mensch wie Donald Trump tatsächlich US-Präsident werden konnte. Nicht absurd ist dagegen die Tatsache, dass Trump nun exakt das macht, was er immer versprochen hat zu machen. Das ist bedenklich; das ist verstörend. Der fast schon beiläufige Rassismus und die so offen demonstrierte Fremdenfeindlichkeit die hinter Entscheidungen wie dem Einreiseverbot für Menschen aus sieben afrikanischen/arabischen Ländern steht ist höchst erschreckend. Und es ist gut, dass so viele Menschen das nicht einfach kommentarlos hinnehmen. Zu den Menschen die dagegen protestieren gehören auch und vor allem die Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftlern. Forschung ist schon längst eine internationale Disziplin geworden in der Menschen aus allen Ländern und über alle Grenzen und nationalen Streitigkeiten hinweg miteinander kooperieren. Diese Kooperation wird allerdings durch Aktionen wie das Einreiseverbot massiv boykottiert. Und auch wenn die Richter in den USA der Fremdenfeindlichkeit von Donald Trump derzeit noch etwas entgegensetzen und eine Aussetzung des Banns erwirken konnten ist es noch lange nicht sicher, dass das auch in Zukunft so bleibt. Deswegen möchte ich gerne den Gastbeitrag der Astronomin Christina Thöne veröffentlichen. Lest ihn.
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Wissenschaft ohne Grenzen – Forscher in aller Welt protestieren gegen das US Einreiseverbot
Seit Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde, stehen die Medien in aller Welt Kopf und man fragt sich jeden Morgen, was hat er denn gerade wieder angestellt hat. Am 27. Januar hat er das bisher wohl umstrittenste und am meisten diskutierte Dekret erlassen, einen 90-tägigen kompletten Einreisestop für Staatsangehörige aus 7 Staaten, Iran, Irak, Lybien, Somalia, Sudan, Syrien und dem Jemen. Von heute auf morgen und auch für Doppelstaatler, d.h. ein Iraner, der mit 5 Jahren nach Deutschland geflohen ist und auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat gilt als genauso „böse“ (Anm: Angeblich wurde das Verbot für Doppelstaatler schon vor einigen Tagen aufgehoben, aber nur wenn die 2. Staatsbürgerschaft aus der EU ist, also ersetzen wir einfach Deutschland mit Australien und das Problem besteht weiterhin). Dummerweise gibt es Staatsangehörigkeiten wie die iranische (aber auch die griechische und mexikanische und bestimmt noch ein paar mehr), die wird man nicht einmal los wenn man es möchte, einmal Iraner immer Iraner.
Dies hat nicht nur irgendwelche Touristen getroffen, sondern auch Personen mit gültiger Aufenthaltserlaubnis, Leute die teilweise ihr gesamtes Leben dort haben, inklusive Arbeit, Familie, Haus und Hund. Wer gerade außer Landes war durfte auch nicht mehr zurück. Man muss sich das einmal vorstellen, man fliegt in Urlaub nach Thailand oder auf Geschäftsreise nach Peking, aber auf dem Rückflug über Dubai heißt es plötzlich, nee, Sie dürfen nicht weiter in den Flieger nach München, Sie sind österreichischer Staatsbürger und die Österreicher können kein Hochdeutsch, deswegen wollen wir die nicht mehr bei uns haben. „Aber… ich hab mein Auto am Flughafen, der Hundesitter ist ab morgen auch nicht mehr da… Und mein Chef erwartet mich zurück… Was zur Hölle mach ich jetzt…?!“
Wer mit einem gültigen temporären Visum einreisen wollte wurde am Flughafen festgehalten und zurückgeschickt, Bürger aus den 7 Staaten konnten nicht mehr ausreisen sonst würde ihnen auf der Rückreise dasselbe widerfahren. Zwischen 60.000 und 100.000 Visa wurden angeblich widerrufen. Extreme Beispiele gab es viele, Menschen die ihre schwerkranken Eltern im Ausland nicht mehr besuchen konnten, ein Fünfjähriger der stundenlang in Handschellen festgehalten wurde wobei dieses Vorgehen auch noch vom Sprecher des Weißen Hauses verteidigt wurde, was sich derzeit abspielt erinnert irgendwie leider sehr an Begebenheiten vor mehr als 70 Jahren. Jede dieser Geschichten für sich alleine macht einen traurig, aber ich will hier ein weiteres Problem dieses Einreisestops erwähnen, das der Wissenschaftler.
Wissenschaftler sind eine der Berufsgruppen, die häufig und viel in die USA reisen, auch weil die USA (noch) immer eines der forschungsstärksten Länder der Welt ist. Konferenzen, Kollaborationen, Beobachtungsnächte an einem Teleskop oder die Nutzung sonstiger Großforschungseinrichtungen, all das war den Staatsangehörigen aus diesen 7 Ländern plötzlich versagt. Und diejenigen, die in den USA leben können nicht mehr ausreisen weil sie ja nicht wissen ob sie überhaupt wieder zurück nach Hause können. Zu allem Überfluss werden, zumindest in der Astronomie, auch noch derzeit die jährlichen Jobangebote gemacht. Besagte Staatsbürger können nun nicht einmal mehr zum Interview reisen geschweige denn wissen sie ob sie im Falle eines Jobangebots überhaupt ein Arbeitsvisum bekommen könnten, da der 90-tägige Einreisestop auch verlängert werden kann.
Als global lebende Menschen haben wir Wissenschaftler rasch beschlossen dass man dagegen etwas machen muss. Jeder von uns hat Kollegen aus aller Herren Länder, wie kann man mit diesem kompletten Verbot jetzt noch guten Gewissens auf eine Konferenz in den USA fahren wenn der Kollege mit dem „falschen“ Pass dies plötzlich nicht mehr darf?
Nur ein paar Tage nach Inkrafttreten des Dekrets begannen sich verschiedene Boykottbewegungen zu formieren, eine davon ist “Science undivided” auf Deutsch “Wissenschaft ohne Teilung” (unter “News” gibt es den gesamten Text der Selbstverpflichtung auch auf Deutsch), initiiert von Till Sawala, einem deutschen Astronomen in Finnland. Darin verpflichten sich die Unterzeichner des Boykotts solange keine Konferenzen mehr in den USA zu besuchen, bis dies Bürgern aller Staaten erlaubt ist. Beispiele von Kollegen, die direkt betroffen sind machen das ganze noch deutlicher.
Alle betonen dass Wissenschaft von Natur aus keine Landesgrenzen kennt. Der wissenschaftliche Austausch steht und fällt mit dem freien globalen Austausch von Wissen und Erkenntnissen und profitiert ausdrücklich von verschiedenen Denkweisen. In vielen Disziplinen ist es längst schon aus finanziellen Gründen nicht möglich nur alleine in seinem eigenen “stillen Kämmerlein”, sprich Labor oder Teleskop zu forschen, Einrichtungen wie das CERN, Gravitationswellendetektoren, Großteleskope oder eine Satellitenmission sind längst globale Unterfangen. Große Konferenzen sind so multinational dass es fast schon einfacher ist zu zählen welche Länder nicht vertreten sind und deswegen ist die Verkehrssprache natürlich überall Englisch. Die Internationale Astronomische Union (IAU) hat sogar ein eigenes “office for development” für die Entwicklung von Astronomie in Ländern, die bisher wenig Wissenschaft hatten.
Mehr als 500 Unterstützer zählt unsere Bewegung schon, aber wir sind nicht die einzigen. Ein ähnlicher Boykottaufruf aus den USA hat 4500 Unterschriften gesammelt, worüber auch Scientific American berichtet hat. Auf einer anderen Seite haben sich mehrere zehntausend Wissenschaftler, unter ihnen einige Nobelpreisträger, gegen das Dekret ausgesprochen und 500 wissenschaftliche Organisationen haben einen Brief an Trump unterzeichnet das Verbot auszusetzen. Die großen Berufsorganisationen wie die IAU und die Amerikanische Astronomische Gesellschaft haben Stellungnahmen veröffentlicht, die sich deutlich gegen das Einreiseverbot aussprechen, eine Kommission der IAU ist sogar so weit gegangen keine Konferenzen in den USA mehr mit IAU Fördermitteln zu unterstützen. Wir alle wissen dass dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist und dass dies den Kollegen in den USA nicht hilft die derzeit aus demselben Grund nicht ausreisen können. Aber irgendwo muss man anfangen, vom Nichtstun bewegt sich bestimmt nichts.
Nun ist am Freitagabend das Verbot zumindest vorläufig für verfassungswidrig erklärt worden, und auch ein Einspruchsversuch von Trump war erfolglos. Aber niemand traut dem Frieden, diejenigen, die im Ausland gestrandet waren eilen jetzt zurück in die USA, das Zeitfenster könnte kurz sein. Neue Visa werden derzeit angeblich auch nicht ausgestellt, das Konferenzproblem besteht also weiterhin. Mit dieser Unsicherheit wird sich niemand ein Flugticket in die USA kaufen auf dem man am Ende selber sitzenbleibt. Und es war ja nicht der erste Angriff auf die Wissenschaft, die Klimawissenschaftler in den USA dürfen derzeit nicht mit der Presse reden oder ihre Ergebnisse veröffentlichen ohne Trump zu fragen und haben bereits nach Trumps Wahlsieg aus Angst Daten auf ausländische Server kopiert. Wer weiss was als nächstes kommt, Gerüchte sprechen von einer Attacke (Neusprech “Reform”) auf die Arbeitsvisa in den USA, was vor allem wen wieder trifft? Genau, die Wissenschaftler. Der Konferenzboykott wird vielleicht leider nicht der letzte Trumpboykott der Wissenschaftler sein.
Christina Thöne (deutsche Astronomin in Spanien)
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