Dieser Artikel ist Teil der blogübergreifenden Serie “Running Research – Denken beim Laufen”, bei der es um die Verbindung von Laufen und Wissenschaft geht. Alle Artikel der Serie findet ihr auf dieser Übersichtseite
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Es ist bestes Wetter in Jena. Die Sonne scheint endlich wieder und der große Uniturm im Zentrum der Stadt strahlt vor einem blauen Himmel. Während ich laufe, habe ich den Turm ständig im Blickfeld. Und warm ist es noch dazu! Denn ich laufe heute nicht im Freien sondern auf einem Laufband im Fitnesscenter. Das ist neu; damit habe ich erst vor ein paar Wochen angefangen. Im Fitnesscenter war ich zwar früher auch schon ab und zu aber so richtig hat es mich nie begeistert. Aber im letzten Artikel dieser Serie habe ich ja über mein massives Leistungstief geschrieben. Da möchte ich gerne wieder rauskommen und deswegen habe ich in den letzten Wochen wieder verstärkt auf Alternativtraining geachtet. Ich sitze mehrmals die Woche zuhause auf meinem Heimtrainer und radle vor mich hin. Und gehe eben nun auch regelmäßig ins Fitnessstudio, wo ich nicht nur die diversen Kraftgeräte benutze, sondern auch das Laufband.
Im großen und ganzen bin ich positiv überrascht. Ich habe mir das laufen auf dem Laufband viel unangenehmer vorgestellt. Aber irgendwie ist es ganz nett! Mir gefällt vor allem, dass man das Tempo komplett unter Kontrolle hat. Ich kann die Geschwindigkeit fix einstellen und dann gibt es auch kein “Schummeln” mehr wie in der freien Natur, wo man dann vielleicht doch mal unkonzentriert und langsamer wird obwohl man eigentlich schneller laufen könnte und wollte.
“Aber laufen am Laufband ist doch kein richtiges Laufen!” – wird zumindest oft behauptet. Und weil es hier ja nicht nur um das Laufen geht, sondern auch um die Wissenschaft, hab ich mir mal angesehen, was die Forschung zu dem Thema zu sagen hat. Wenn man die ganzen Ausdauergeräte im Fitnessstudio selbst vergleicht ist das Laufband auf jeden Fall das, bei dem am meisten Energie verbraucht wird, wie eine Studie aus dem Jahr 1996 herausgefunden hat (“Energy expenditure with indoor exercise machines.”). Aber wie sieht der Vergleich zwischen Laufen am Band und Laufen in der Natur aus? Auch dazu gibt es eine Studie: “A kinematics and kinetic comparison of overground and treadmill running”, aus dem Jahr 2008. Das Ergebnis ist in etwa so, wie ich es mir gedacht habe:
“The features of the kinematic and kinetic trajectories of treadmill gait were similar to those of overground gait. Statistically significant differences in knee kinematics,the peak values of GRF, joint moment, and joint power trajectories were identified.”
Die kinematischen Abläufe sind auf dem Laufband und in der Natur im Wesentlichen identisch; mit ein paar kleinen Unterschieden wenn man Details betrachtet. Aber das überrascht mich nicht: Es macht ja auch einen Unterschied ob man draußen auf einer Straße läuft, einem Waldweg oder einem holprigen Pfad irgendwo im Gebirge. Es macht einen Unterschied ob man schnurgeradeaus läuft oder einen felsigen Wanderweg den Berg hinunter. Es macht einen Unterschied ob man Asphalt unter den Füßen hat oder – wie jetzt gerade so oft im Wald – komplett vereiste Wege. Die Unterlage eines Laufbandes ist da nur eine weitere Variation unter vielen.
Muss man sich denn auf einem Laufband auch genau so anstrengen wie bei einem “echten” Lauf? Natürlich: Wenn ich draußen laufe, muss ich Kraft aufwenden und meine Füße vom Boden abstoßen um vorwärts zu kommen. Laufe ich auf dem Laufband, dann muss ich ebenso Kraft aufwenden, meine Füße vom Band abstoßen – nur bewegt sich hier halt der Boden unter mir weg und ich nutze die Kraft nicht um vorwärts zu kommen sondern auf der Stelle zu bleiben. Aber rein von der Physik her ist da kein großer Unterschied. Bis auf ein Detail: Laufe ich draußen, wo ich mich tatsächlich vorwärts bewege, dann muss ich gegen den Widerstand der Luft arbeiten. Auf dem Laufband bin ich gegenüber der mich umgebenden Luft im wesentlichen in Ruhe und ich muss keinen entsprechenden Widerstand überwinden. Deswegen hört man auch sehr oft, dass man die Neigung des Laufbandes auf eine 1%ige Steigung einstellen soll, um den gleichen Effekt wie bei einem Lauf in der Natur zu erreichen.
Auch dazu gibt es eine Studie aus dem Jahr 1996. Sie heißt “A 1% treadmill grade most accurately reflects the energetic cost of outdoor running.” und der Titel scheint ziemlich eindeutig zu sein. Er ist aber ein wenig irreführend, wenn man die Details betrachtet. Die Forscher haben die Unterschiede zwischen Laufband und Outdoor-Lauf bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten verglichen. Und kamen zu dem Ergebnis, dass ein signifikanter Unterschied bei der Effizienz erst dann auftritt, wenn man schneller als 4:58 min/km ist. Wer langsamer läuft spürt keinen Unterschied in der nötigen Kraft.
Ich jedenfalls bin momentan in etwa an genau dieser Schwelle angelangt. Denn tatsächlich hat sich meine Form in den letzten Wochen deutlich verbessert. Ich weiß immer noch nicht genau, was das Formtief verursacht hat. Aber ich habe seit Anfang des Jahres auf Konstanz im Training geachtet und komme wieder auf 75-85 Kilometer, die ich pro Woche laufe. Ich schaffe den wöchentlichen 30km-Lauf wieder ohne Konditionsprobleme und die 10 Kilometer auch wieder unter 50 Minuten ohne mich dabei so komplett zu verausgaben wie das noch vor wenigen Wochen der Fall ist. Ich bin zuversichtlich, dass ich die 10 Trainingskilometer bald wieder in den üblichen 43-45 Minuten schaffen kann und auch mein Tempo auf den langen Distanzen steigern kann. Und wenn ich dann auch wieder ohne allzu große Verausgabung die Berge hinauf und hinunter laufen kann, bin ich zufrieden.
Ins Fitnessstudio werde ich aber auch weiterhin gehen. Ein bisschen Krafttraining schadet dem Laufen sicher nicht und das Laufband ist eine schöne Ergänzung zu den anderen Läufen die ich so absolviere. Ich werde vermutlich nie große Lust haben, einen Marathon am Band zu laufen – aber ein paar Kilometer vor und nach dem Krafttraining machen Spaß!
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