Heute vor sieben Jahren habe ich über die wichtige Forschungsarbeit der Astronomin Jocelyn Bell Burnell geschrieben. Ihre Entdeckungen in der Radioastronomie und zu den pulsierenden Resten toter Sterne hat sie in den 1960er-Jahren gemacht; Jocelyn Bell Burnell hat aber auch heute noch interessante und wichtige Dinge zu sagen. Zum Beispiel in diesem Vortrag, den ich euch heute gerne zeigen möchte:
Einen Satz aus diesem Vortrag finde ich besonders wichtig: “We need all the talent”, sagt Bell Burnell und hat damit völlig recht! Egal wie viele sehr gute Gründe es sonst noch gibt (und es gibt sehr viele sehr gute Gründe!) dafür zu sorgen dass mehr Frauen die Möglichkeit haben eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen: Allein aus diesem Grund ist es eigentlich offensichtlich, dass der Status Quo immer noch nicht gut genug ist. Es ist einfach absurd, so viel potentielles Wissen einfach zu ignorieren!
Ich bin einmal bei einem Interview gefragt worden, was die großen offenen Fragen der Wissenschaft sind und was man tun kann, um sie zu beantworten. Bei einigen (zum Beispiel bei der Identifikation der Dunklen Materie) ist das vergleichsweise leicht zu beantworten; hier ist mittlerweile ziemlich klar, in welcher Richtung man die Antworten suchen muss und welche Forschungszweige man verstärkt verfolgen sollte. Bei anderen Fragen ist es schwieriger. Eine der größten offenen Fragen ist vermutlich die nach der Zusammenführung von Gravitationstheorie und Quantenmechanik in einer übergeordneten Theorie. Daran arbeiten Forscherinnen und Forscher seit Jahrzehnten und sind noch nicht wesentlich voran gekommen. Ohne so eine Theorie wird die Naturwissenschaft aber irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Was soll man also tun? In welche Richtung soll man forschen?
Ich habe damals keine Antwort auf diese Frage gehabt und habe auch heute keine. Wie so eine Theorie der Quantengravitation wirklich aussehen kann, ist immer noch so unklar, dass sie irgendwo her kommen könnte. Die einzige Antwort die ich habe: Wir müssen dafür sorgen, dass wesentlich mehr Menschen Interesse an der Wissenschaft haben als heute! Und vor allem müssen wir dafür sorgen, dass wesentlich mehr Menschen die Möglichkeit haben, wissenschaftliche Karrieren zu verfolgen!
Die Wissenschaft hat schon so enorm viel erreicht. Wir haben so enorm viel über unser Universum herausgefunden; unsere Welt und unseren Alltag so enorm verändert. Und trotzdem sind die Ergebnisse der Wissenschaft fast ausschließlich von europäischen/nordamerikanischen Männern gefunden worden. Die stellen aber nur einen kleinen Teil der gesamten Weltbevölkerung dar. Wie anders könnte unsere Welt heute aussehen, wenn wir all das geistige Potential so vieler anderen Menschen nicht so lange ignoriert hätten und heute immer noch viel zu sehr ignorieren? Was hätten wir schon alles entdecken und herausfinden können, wenn von Anfang an die Frauen einen gleichberechtigten Zugang zur Wissenschaft gehabt hätten? Wenn nicht so große Teile der Welt (zum Beispiel in Afrika) unter so vielen anderen Problemen zu kämpfen haben?
Vielleicht hat man der Person, die unsere Energiekrise lösen hätte können eine wissenschaftliche Karriere ausgeredet, weil das “nichts für Frauen” ist? Vielleicht ist die Entdeckerin der Quantengravitation in irgendeinem afrikanischen Land verhungert? Welche Chancen haben wir verpasst, weil unsere Gesellschaft nicht allen die gleichen Chancen bietet? Jocelyn Bell Burnell hat völlig Recht, wenn sie sagt dass wir das ganze Talent der Menschheit brauchen. Eine andere Strategie können wir uns schlicht und einfach nicht leisten.
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