Asteroiden gibt es überall im Sonnensystem. Im Jahr 1977 hat man den ersten Asteroiden einer ganz besonders seltsamen und interessanten Asteroidengruppe entdeckt: Die Zentauren bewegen sich zwischen den Bahnen der Gasriesen im äußeren Sonnensystem und wie sie dorthin gekommen sind, weiß man heute immer noch nicht genau. Wir wissen aber generell noch recht wenig über diese Himmelskörper und das ist schade. Denn es gäbe dort sehr viel zu entdecken!
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Sternengeschichten Folge 224: Die Zentauren
Der amerikanische Astronom Charles Kowal hatte schon einige Entdeckungen gemacht. Anfang der 1970er Jahre hatte er die Asteroiden Midas, Loretta und Napolitania gefunden; außerdem noch die Jupitermonde Leda und Themisto. Am 18. Oktober 1977 stand er wieder an seinem Teleskop am Mount Palomar Observatorium und machte Aufnahmen, die einen ganz besonderen Himmelskörper zeigten. Es war ein großer Asteroid mit einem Durchmesser von ein wenig mehr als 200 Kilometer. Asteroiden kannte man damals zwar schon viele – aber keinen wie diesen. Das Objekt, das heute den Namen Chiron trägt hatte eine Umlaufbahn die von der Bahn des Uranus bis zur Bahn des Saturn reichte. Für eine Runde um die Sonne braucht Chiron 50 Jahre und vier Monate.
Die damals bekannten Asteroiden befanden sich fast ausschließlich im inneren Sonnensystem. Mit Ausnahme der Trojaner-Asteroiden über die ich in Folge 31 der Sternengeschichten mehr erzählt habe, befanden sie sich im Hauptgürtel der Asteroiden zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter beziehungsweise im Bereich der inneren Planeten zwischen den Bahnen von Mars und Venus. Chiron war nicht nur viel weiter entfernt als die meisten der damals bekannten Asteroiden, seine Bahn kreuzte auch die Bahnen von Uranus und Saturn.
Damit war klar, dass dieser Himmelskörper nicht schon von Anfang an dort gewesen sein konnte, wo man ihn entdeckte. Asteroiden die die Bahnen großer Planeten kreuzen, sind nicht stabil. Auf ihrem Weg um die Sonne kommt es immer wieder zu nahen Begegnungen mit den Planeten und die dabei auftretenden gravitativen Störungen verändern ihre Bahnen. Früher oder später landen sie so auf einem Kollisionskurs mit einem der großen Planeten beziehungsweise werden in die Sonne oder aus dem Sonnensystem geschleudert. Ein paar hunderttausend Jahre; höchstens ein paar Millionen Jahre – länger kann ein Objekt wie Chiron sich nicht dort aufhalten, wo er gefunden wurde.
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten entdeckten die Astronomen weitere Objekte die sich auf ähnlichen Umlaufbahnen wie Chiron bewegten. So viele, dass sie die ganze Gruppe mit dem Namen “Zentauren” bezeichneten. Heute definiert man offiziell alle Asteroiden als Zentauren, deren Umlaufbahn zwischen denen von Jupiter und Neptun liegen. Damit stellen sie eine Verbindung zwischen den anderen bekannten Asteroidenpopulationen des Sonnensystems dar. Die Mehrheit der bekannten Asteroiden findet man immer noch in den beiden großen Asteroidengürtel: Dem Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter und dem Kuipergürtel hinter der Bahn des Neptun. Schon früher kannte man die Erdnahen Asteroiden die den Bereich der inneren Planeten innerhalb der Bahn des Mars bevölkerten. Und jetzt hatte man auch eine Asteroidengruppe gefunden, die sich im Bereich der äußeren Planeten aufhält und quasi die Lücke zwischen Kuiper- und Hauptgürtel schließt.
Aber wenn die Zentauren nicht für lange Zeiträume stabil sind: Wo kommen sie her? Das Sonnensystem ist 4,5 Milliarden Jahre alt und wenn sie nur ein paar Millionen Jahre überleben und wir heute immer noch solche Objekte finden, dann muss es einen Mechanismus geben, der immer wieder für Nachschub sorgt. So viel ist klar; wie genau der Mechanismus aussieht wissen wir heute aber immer noch nicht. Man geht davon aus, dass die Zentauren aus dem Kuipergürtel stammen. Wenn dort Asteroiden miteinander kollidieren beziehungsweise sich ihre Bahnen durch gravitative Störungen größere Objekte verändern, können sie in den Bereich der äußeren Planeten gelangen. Die besten Kandidaten sind derzeit ehemalige “Plutinos” also Asteroiden die sich auf sehr ähnlichen Umlaufbahnen um die Sonne bewegen wie der große Asteroid Pluto. So wie Pluto befinden sich die Plutinos aber in einer 2:3-Resonanz mit Neptun. Das bedeutet: Während der Neptun die Sonne dreimal umkreist machen Pluto und die Plutinos genau zwei Runden um unseren Stern. In dieser speziellen Konfiguration sollten die Plutinos eigentlich auch besonders gegenüber äußeren Störungen geschützt sein. Sie sollten sich also gerade nicht auf den Weg Richtung Uranus, Saturn und Jupiter machen.
Die Plutinos passen aber von ihren äußeren Eigenschaften am besten zu den Zentauren. Die Beobachtungen zeigen, dass man die Zentauren in zwei Gruppen einteilen kann: Das von der ersten Gruppe reflektierte Sonnenlicht ist eher rötlich; das von der zweiten Gruppe – zu der auch Chiron gehört – eher bläulich. Genau so eine farbliche Zweiteilung findet man auch bei den Plutinos. Es kann aber auch sein, dass die Zentauren keinen gemeinsamen Ursprung haben und die farblichen Unterschiede auf zwei unterschiedliche Quellen hindeuten. Oder aber die unterschiedliche Farbe weist auf einen Unterschied im Verhalten beziehungsweise der Entwicklung der Zentauren hin. Denn auch hier sind die Zentauren sehr seltsam.
Der Asteroid Chiron wird nämlich auch als Komet klassifiziert. 1991 hat man um den 200 Kilometer großen Felsbrocken eine Koma entdeckt, also genau die Hülle aus Gas und Staub, die man normalerweise bei Kometen erwartet. Auch andere Zentauren zeigen Eigenschaften von Kometen was vermuten lässt, dass sie sehr viel mehr Eis enthalten als es Asteroiden normalerweise tun. Sie kommen daher vielleicht aus den äußersten Regionen des Sonnensystems die noch hinter dem Kuipergürtel liegen.
Ein Teil der Zentauren könnte auch aus einer ganz anderen Quelle stammen. So wie der Jupiter hat auch der äußerste Planet Neptun seine eigene Gruppe von Trojaner-Asteroiden. Diese Asteroiden befinden sich auf der gleichen Umlaufbahn um die Sonne wie Neptun selbst, nur halten sie sich immer ein Stück vor beziehungsweise hinter ihm auf. Wir wissen, dass diese Konfiguration sehr stabil ist und die Trojaner-Asteroiden sich Milliarden Jahre lang auf solchen Bahnen aufhalten können. Trotzdem können durch äußere Störungen immer wieder ein paar Asteroiden die Trojaner-Konfiguration verlassen. Im Jahr 2010 haben Astronomen mit Computersimulationen untersucht was mit diesen Neptuntrojanern passiert, wenn sie den Neptun verlassen. Das Ergebnis: Ein Teil von ihnen wird zu Zentauren. Wie viele das sind, ist allerdings unklar. Je nach Modell könnten die Neptun-Trojaner zwischen 6 und 60 Prozent aller Zentauren ausmachen.
Wo die Zentauren herkommen, wissen wir also noch nicht mit letzter Gewissheit. Dazu haben wir noch nicht genug von ihnen entdeckt und aus der Nähe beobachtet. Genaugenommen haben wir noch gar keinen Zentauren aus der Nähe beobachtet. Dass es sich lohnen würde, eine Raumsonde zu diesen Himmelskörpern zu schicken zeigen die Entdeckungen der letzten Jahre allerdings eindeutig. Da ist zum Beispiel der größte bekannte Zentaur: Chariklo, der 1997 entdeckt wurde und einen Durchmesser von 260 Kilometern hat.
Im Jahr 2013 tat Chariklo etwas, was nicht besonders oft vorkommt: Von der Erde aus gesehen zog er genau vor einem Stern vorüber. Das hat die Aufmerksamkeit der Astronomen geweckt, denn mit so einer Sternbedeckung kann man die Größe eines Asteroiden sehr genau bestimmen. Man misst einfach, wie lange der Asteroid das Sternenlicht verdunkelt; die Geschwindigkeit mit der er sich bewegt ist ja bekannt und daraus kann man dann seinen Durchmesser berechnen. Chariklo aber hat sich seltsam verhalten. Das Licht des Sterns wurde nicht einfach nur dunkler und heller. Auch knapp vor der eigentlich Bedeckung wurde der Stern kurz dunkler und knapp nach der Bedeckung passierte das gleiche. Der Schluss der Astronomen: Chariklo ist von einem Ring umgeben! Beziehungsweise von zwei Ringen, die insgesamt 20 Kilometer breit sind, mit einer 8 Kilometer großen Lücke dazwischen. Wie der Ring von Chariklo genau entstanden ist, weiß man allerdings noch nicht. Möglichkeiten gibt es einige und Kollisionen sind immer eine gute Quelle für Ringteilchen. Es könnte zu Beispiel ein anderer Asteroid mit Chariklo zusammengestoßen sein und dabei Eis von seiner Oberfläche ins All geschleudert haben, wo es dann einen Ring gebildet hat. Oder der einschlagende Asteroid bestand selbst aus Eis und hat sich aufgelöst. Viele Asteroiden sind aber auch generell nur ein Haufen lose zusammengehaltener Schutt und wenn die schnell genug rotieren, kann sich Material ablösen. Es kann sich um einen Doppelasteroiden gehandelt haben, die sich zu nahe gekommen sind. Oder es war ein ganz anderer und bisher unbekannter Prozess.
Es gibt also noch jede Menge über die Zentauren herauszufinden. Eine nähere Untersuchung würde mit Sicherheit nicht nur sehr beeindruckende Bilder liefern sondern auch wichtige Erkenntnisse über die Zustände und die Dynamik der Gasriesen in der Frühzeit des Sonnensystems. Dazu müssen wir aber eine Raumsonde zu Chiron, Chariklo oder einem der anderen Zentauren schicken. Und das steht derzeit leider nicht auf dem Programm der Raumfahrtorganisationen…
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