Manchester gehört nicht unbedingt zu den bevorzugten Touristenzielen in Großbritannien. Aber in der Industriestadt in Englands Norden gibt es ein paar coole Sachen zu sehen. Zum Beispiel eine Rolle Klebeband!
Nachdem ich am Tag zuvor schon das größte Teleskop der Insel besucht habe, hat mich mein Weg nun in das Stadtzentrum von Manchester geführt. Dort gibt es vor allem Kanäle und Brücken:
Mein Ziel war aber das Museum of Science and Industry. Und von beidem hat Manchester jede Menge! Vor allem die Textilverarbeitung hat früher eine große Rolle spielt und tut das immer noch in der Ausstellung des Museums.
Übrigens: Wie in Großbritannien üblich ist der Eintritt in das Museum kostenlos. Und wenn man ohne zu bezahlen das Gelände betreten hat, dann muss man auf jeden Fall dieses Gebäude besuchen:
Das ist nicht einfach nur irgendein “Station Building”. Es ist der Bahnhof Manchester Liverpool Road. Eröffnet wurde er am 15. September 1830. Dort kam der Zug aus Liverpool an und der Bahnhof war der Endpunkt der ersten städteverbindenden Zugstrecken für den Personenverkehr. Und der älteste zu besichtigende Passagierbahnhof. Das Gebäude ist innen drin sehr schön renoviert und eine ebenso schöne Ausstellung zeigt die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in England. Und wenn man sieht, wie grandios und komfortabel damals alles angefangen hat, dann wird einem der grauenhafte Zustand der britischen Eisenbahnen der Gegenwart nur umso bewusster.
Dieser Bahnhof ist auch aus anderer Sicht ein wirklich wichtiger Ort für unsere Zivilisation. Durch das Aufkommen von schnellen Eisenbahnverbindungen zwischen unterschiedlichen Städten kam man mit der Lokalzeit nicht mehr zurecht. Bis dahin hat jeder Ort seine eigene Zeit bestimmt; je nachdem wo dort gerade die Sonne am Himmel stand. Das war auch kein Problem – die Uhrzeit anderswo war sowieso nicht interessant und wenn man mal weit gereist ist, dann hat das so lange gedauert, dass die Unterschiede auch keine Rolle gespielt haben. Aber plötzlich hatte man Eisenbahnen zwischen den Städten; brauchte genaue Uhrzeiten für Fahrpläne; musste die Zeiten von an der Strecke liegenden Städten aufeinander abstimmen – und so weiter (ich hab hier mehr dazu geschrieben). So kam es zu dem was wir heute haben: Zeitzonen, innerhalb derer die gleiche Zeit gilt unabhängig von der “wahren” astronomischen Zeit. Hier in Manchester liegt quasi der Ursprung der modernen Uhrzeit!
Hier liegt aber auch noch anderes: zum Beispiel diese Rolle Klebeband herum!
Und das ist nicht irgendein Klebeband. Es ist DAS Klebeband. Das Klebeband, das Konstantin Novoselov und Andre Geim von der Uni Manchester im Jahr 2009 den Nobelpreis für Physik eingebracht hat und das die Zukunft unserer Welt vielleicht noch auf dramatische Weise verändern wird. Das Klebeband, mit dem Graphen entdeckt wurde!
Graphen ist ja eigentlich nichts anderes als schnöder Kohlenstoff. Aber Kohlenstoff in einer ausschließlich zweidimensionalen Struktur – was in diesem Fall bedeutet, dass Graphen eine Verbindung von Kohlenstoffatomen ist, die sich zwar in Längs- und Querrichtung erstrecken, aber nur eine einzige Atomschicht “dick” ist. Eigentlich dachte man, so etwas könne nicht existieren weil solche Schichten nicht stabil sind. Dass sie es doch sein können und das es “metastabile” Zustände gibt weiß man erst seit der Entdeckung von Novoselov und Geim.
Und die Eigenschafte des Graphen werden immer noch erforscht. Es hat die höchste Zugfestigkeit aller bekannten Materialien; ist elektrisch leitfähig und hat jede Menge andere seltsame und vielversprechende Eigenschaften die es zu einem “Wundermaterial” machen. So zumindest wird es gerne bezeichnet; wie viele Wunder die Nutzung des Graphens in Zukunft tatsächlich bringen wird, muss sich erst noch zeigen.
Wie ein Wunder klingt auf jeden Fall die Methode, mit der man Graphen isolieren konnte. Man hat im Prinzip nichts anderes gemacht als einen Klebestreifen auf einen Graphitblock zu pappen und wieder abgezogen. Ein paar Kohlenstoffatomschichten blieben haften und deren Dicke mit weiteren Klebestreifen weiter reduziert wurde. Dann noch ein paar chemische Prozesse um den Klebestreifen weg und den Kohlenstoff auf ein Wafer zu übertragen und fertig ist die grandiose Entdeckung!
Ok, ganz so simpel war der Prozess nicht. Aber er war erfolgreich und im Museum kann man sich ansehen wie das alles abgelaufen ist und was sich die Welt und die Wissenschaft von Graphen erwartet. Hab ich allerdings alles nicht fotografiert sondern nur das Laborbuch von Geim und Novoselov.
Zu sehen gab es dort noch mehr; aber auch außerhalb des Museums. Zum Beispiel blauen Himmel über dem Rathaus – angeblich etwas, was in Manchester nicht so oft vorkommt, wie ich mir sagen habe lassen.
Ich habe mich besonders über die Entdeckung der “Newton Street” gefreut und die Gelegenheit gleich genutzt. “Hätten Sie vielleicht fünf Minuten Zeit um über Isaac Newton zu sprechen?”
Über Newton wollte aber niemand sprechen – und ich eh auch nicht, weil ich noch zum Manchester Institute for Science and Technology wollte. Dort, so behauptet eine nicht mehr wirklich aktuelle Internetseite, gibt es Sprößlinge des Apfelbaums aus dem Garten von Newtons Wohnhaus (der Apfelbaum mit dem Apfel und der Gravitation!). Vor Ort fanden wir dann tatsächlich Bäume – aber wesentlich größer als auf der Homepage und auch viel weniger. Ich hab keine Ahnung ob es noch die selben sind oder einfach irgendwelche anderen Bäume. So oder so – ein paar Fotos hab ich auf jeden Fall gemacht!
Zum Abschluss des Tages kann man dann noch “The Temple” besuchen. Ein viktorianisches Pissoir das heute in ein kleines Pub transformiert wurde. Berühmt ist es nicht nur wegen seines Ursprungs und seiner (nicht vorhandenen) Größe sondern auch, weil Alan Turing dort verhaftet worden sein soll (was ich auf die schnelle aber nicht verifizieren konnte). Der Pionier der Computertechnologie und Informatik lehrte ab 1948 an der Uni Manchester – ist aber in der Stadt bei weitem nicht so prominent vertreten wie er es angesichts seiner Leistung sein sollte (ich habe aber auch bei weitem nicht alles und alle Museum gesehen; kann mich also auch irren).
Und am Ende des Tages macht man dann natürlich das, was man in England immer am Ende eines Tages macht: Man setzt sich ins Pub und trinkt ein Ale!
Prost! Und morgen gibt es dann den letzten Teil meines Reiseberichts von einer weiteren coolen astronomischen Location!
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