Heute geht es in der Serie “Fragen zur Astronomie” um eine ganz praktische Frage: Wieso entsorgen wir unseren Müll nicht einfach in der Sonne?. Besonders beim nervigen Atommüll wäre das doch eine gute und elegante Alternative. Anstatt das Zeug irgendwo bei uns zu verbuddeln wo es dann früher oder später doch wieder Probleme schafft bringen wir den Müll ins All, schmeißen ihn in die Sonne und sind das Problem ein für alle Mal los. Das klingt verlockend – ist aber nicht so einfach wie das klingt.
Ich habe diese Frage kürzlich schon einmal beantwortet. Ich habe für ZDFinfo eine Reihen von astronomisch/physikalische Fragen beantwortet. Hier ist die zur solaren Müllentsorgung:
Ich habe mich bei der Beantwortung vor allem auf das simpelste Gegenargument beschränkt: Es wäre einfach viel zu teuer und aufwendig. Etwas per Rakete ins All zu bringen kostet wahnsinnig viel Geld und die Mengen die man transportieren kann sind gering. Und selbst wenn man das ganze Geld für die Entsorgung aufbringen kann und will, muss man immer noch damit rechnen, dass einem die Rakete um die Ohren fliegt und den ganzen strahlenden Müll in der Erdatmosphäre verteilt.
Zu dem Video gab es dann aber noch einige weiterführende Fragen, am häufigsten diejenige nach dem genauen Grund warum es so schwer ist, Müll zur Sonne zu fliegen. Wenn wir irgendwann bessere und sichere Raketen haben, müssen wir dem Zeug im All doch nur einen kleinen Schubs in Richtung Sonne geben und der Rest geht von selbst, oder? Leider nicht. Wenn man im All ist, fangen die Schwierigkeiten erst so richtig an. Die Himmelsmechanik ist da leider gnadenlos…
Die Sonne übt zwar tatsächlich eine starke Gravitationskraft aus. Aber die Sonne ist kein Staubsauger! Das merkt man zum Beispiel an der Tatsache, dass die Erde nach 4,5 Milliarden Jahren immer noch da ist, wo sie sein soll und nicht in die Sonne gefallen ist. Sie befindet sich 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt und bewegt sich um sie herum. Das wird sie auch weiterhin tun, so wie es das Gravitationsgesetz und die Keplerschen Gesetze zur Planetenbewegung vorsehen. Die Erde bewegt sich mit knapp 30 Kilometern pro Sekunde und diese Geschwindigkeit sorgt auch dafür, dass sie eine Umlaufbahn einnimmt. Sie fällt nicht auf die Sonne, sondern um die Sonne herum. Vereinfacht gesagt: Immer wenn sie sich ein Stückchen bewegt hat, zieht sie die Gravitationskraft der Sonne wieder ein Stückchen an. Anstatt einer geraden Linie folgt die Erde einer (annähernden) Kreisbahn. Und das gilt auch für alles, was wir mit einer Rakete in eine Erdumlaufbahn bringen. Jeder Satellit, die Raumstation – alles bewegt sich mit der Erde und den erwähnten 30 km/s um die Sonne herum. Will man daran etwas ändern muss man eine Kraft aufwenden – das besagen die Newtonschen Gesetze der Mechanik.
Damit man tatsächlich auf die Sonne fallen kann, muss man die 30 Kilometer pro Sekunde irgendwie loswerden. Um etwas von der Erde so weit zu beschleunigen das man überhaupt erst ins All gelangt muss man aber schon eine Geschwindigkeit von 11 Kilometern pro Sekunde aufbauen (die “Fluchtgeschwindigkeit”). Insgesamt muss man also eine Geschwindigkeitsänderung von 40 Kilometern pro Sekunde erreichen – und das passiert nicht von selbst. Das passiert nur wenn man einen passenden Antrieb hat der entsprechend viel Treibstoff benötigt. Und da sind wir jetzt beim großen Problem der konventionellen Raumfahrt: Je mehr Masse man bewegen will, desto größer die Kraft und desto mehr Treibstoff ist nötig. Je mehr Treibstoff, desto größer die Masse, desto größer die Kraft, desto mehr Treibstoff… Am Ende müsste man eine Rakete bauen, die fast komplett aus Treibstoff besteht und nur etwa 0,1 Prozent der Gesamtmasse der Rakete könnten für die Beladung verwendet werden. Um eine Tonne Müll ins All zu transportieren bräuchte man 1000 Tonnen Treibstoff und das alles muss von der Erde ins All. Die stärkste bisher gebaute Rakete – die Saturn V mit der die Amerikaner zum Mond geflogen sind – war knapp 3000 Tonnen schwer. Selbst wenn dort ausreichend Platz gewesen wäre, hätte man damit also mal gerade 3 Tonnen Müll ins All gebracht werden. Ein einzelner Castor wiegt aber schon mindestens 100 Tonnen; würde als mehr als 30 Saturn-V-Raketen benötigen um ins All gebracht zu werden.
Wird die Sache besser, wenn wir uns eine neue Methode der Raumfahrt denken? Einen Weltraumlift zum Beispiel? Vielleicht – dann könnte man großen Mengen an Material billig ins All bringen. Aber müsste dort immer noch eine (negative) Beschleunigung von 30 km/s aufbringen um zur Sonne zu gelangen. Das braucht immer noch absurde Mengen an Treibstoff. Aber sollten wir irgendwann mal so weit sein, um so ein futuristischen Teil wie den Weltraumlift zu bauen, dann haben wir vielleicht auch schon ganz andere Probleme gelöst und müssen uns hoffentlich um den Atommüll gar nicht mehr kümmern…
Ob es uns gefällt oder nicht: Der Müll bleibt vorerst hier bei uns auf der Erde. Anstatt darüber zu spekulieren wie man das Zeug in die Sonne fallen lassen kann (was der Müll sowieso nicht tun würde – er würde schon in den äußersten Schichten der Sonnenatmosphäre verdampfen und per Sonneneruption vielleicht wieder zurück ins All geschleudert werden) sollte man sich lieber überlegen, wie man es vermeidet, noch mehr davon zu produzieren. Und an Methoden arbeiten, den Müll irgendwie zu verwerten so dass er nicht mehr gefährlich ist. Der Weltraum ist viel: Als Müllhalde eignet er sich aber in diesem Fall nicht.
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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