Ich habe letzte Woche in Wien einen Workshop über Wissenschaftsblogs gehalten und den Teilnehmern angeboten, ihre dort verfassten Texte als Gastbeitrag in meinem Blog zu veröffentlichen um “echtes” Feedback sammeln zu können. Dieser Artikel ist einer der Gastbeiträge und wurde von Claudia Eder verfasst, die auch schon ihr eigenes Blog gestartet hat.
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Bild: Public domain

Bild: Public domain

Momentan läuft bei mir das Telefon heiß. Seit es unser Versuch, Körperfett in gesundes  Bandscheibengewebe umzuwandeln, in die Kronen Zeitung geschafft hat, stehen hoffnungsvolle Patienten bei uns Schlange. Dass unsere Miniatur-Bandscheiben maximal dafür geeignet wären, ein Kaninchen von seinen Schmerzen zu befreien, geht aus dem Artikel allerdings nicht hervor Aber haben Kaninchen überhaupt Kreuzschmerzen ?

Geht es nach Bruce Latimer, Anthropologe an der Case Western University, ist dies nämlich ein rein menschliches Problem. Wir sind schließlich die einzige Spezies, die sich aufrecht fortbewegt. Und da die Natur den aufrechten Gang ursprünglich nicht vorgesehen hat, haben wir uns damit zahlreiche Probleme eingefangen. Von lästigen Weisheitszähnen, Plattfüßen bis hin zum Kreuzschmerz – die Evolution ist Schuld ! Und die Wirbelsäule – so Latimer – ist ein einziger evolutionärer Albtraum.

Ganz schön groß: Die Wirbelsäule eines Blauwals. Bronwen Lea, BlueWhaleSkeleton, CC BY-SA 3.0

Ganz schön groß: Die Wirbelsäule eines Blauwals. Bronwen Lea, BlueWhaleSkeleton, CC BY-SA 3.0

Autsch … für mich als Orthopädin ist sie ja eher ein kleines Wunderwerk. Ich liebe den Wirbelsäulen-OP, das gedämpfte Licht, den Blick durchs Mikroskop und das zarte Präparieren der anatomischen Strukturen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich meine eigene Wirbelsäule meldet, weil das stundenlange Stehen mit Bleischürze nicht gerade den Richtlinien für ergonomisches Arbeiten entspricht. Aber hat Latimer recht ? Sind  Kreuzschmerzen der Preis, den wir für die Errungenschaft des aufrechten Ganges zu bezahlen haben ? Auf den ersten Blick klingt das sehr plausibel.  Dann allerdings fällt mir ein Besuch in der Tierklinik ein, als ich mit dem Kollegen von der Veterinärmedizin ins Plaudern kam. Und schon bald in ein Gespräch über Wirbelsäulenoperationen beim Hund vertieft war …                                                                                                 

Und hier ein Modell der menschlichen Wirbelsäule - oder zumindest eines Teils davon. Designit.sk, Facetové klouby, CC BY-SA 4.0

Und hier ein Modell der menschlichen Wirbelsäule – oder zumindest eines Teils davon. Designit.sk, Facetové klouby, CC BY-SA 4.0

Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, was geplagte Hundebesitzer schon längst wissen: Bandscheibenleiden sind bei manchen Hunderassen genau so häufig wie beim Menschen. Und auch in der Therapie gibt es kaum Unterschiede: Von Medikamenten, Akupunktur über Chiropraktik bis hin zur High-Tech Operation – der Gesundheitssektor macht kaum Unterschiede zwischen zwei- und vierbeinigen Patienten. Aber es sind nicht nur Hunde betroffen – auch Katzen, Pferde und Esel finden sich in den Krankenakten der Tierkliniken. Und die gehen ja bekanntermaßen nicht aufrecht ! Ein Blick in diverse Kaninchenforen zeigt, dass auch hier Bandscheibenvorfälle kein seltenes Problem sind.

Hat Latimer also unrecht ? Handelt es sich beim Bandscheibenvorfall nicht um ein evolutionäres Versagen, das durch den aufrechten Gang des Menschen bedingt ist, sondern viel mehr eine Life-Style-Erkrankung, die auch unsere Haustiere befällt ? Schließlich trage auch Übergewicht und Bewegungsmangel zum Verschleiß der Bandscheibe bei.

Auch gefehlt ! Der Knoxville Zoo  hat nämlich die Krankenakten seiner Bewohner aufgearbeitet und bei zahlreichen Löwen und Tigern Bandscheibenvorfälle gefunden. Auch Berichte von Bären, Wölfen und Affen mit Bandscheibenleiden finden sich im Internet. Wenn es an der Schwerkraft läge, müssten doch zumindest die aquatischen Lebewesen frei von Kreuzschmerzen sein – im Wasser ist die Schwerkraft ja nahezu aufgehoben. Aber auch beim Pinguin, Delfin und bei Fischen sind Bandscheibenvorfälle beschrieben – bei den Zebrafischen sogar so häufig, dass überlegt wird, sie als Modellorganismen für die medizinische Forschung heranzuziehen.

Was sind eure Erfahrungen mit euren euren Haustieren ? Leiden sie unter Kreuzschmerzen ? Oder sind es doch eher wir Menschen, denen das Kreuz mit dem Kreuz zu schaffen macht ?

Kommentare (13)

  1. #1 Anja
    16. Mai 2017

    Ich habe mal ein völlig über- und quergezüchtetes Angora-Widder-Stallkaninchen aus dem Tierheim übernommen, dass nicht nur taub und blind war/wurde, sondern auch große Probleme mit dem Rücken hatte, die irgendwann auch auf die Hinterläufe übergingen. Da er schon ein Senior war, haben wir nur versucht, die Schmerzen zu lindern und ihn eingeschläfert, als er sich nicht mehr richtig bewegen konnte. Wie bei Hunden denke ich, dass es auch von der jahrelangen Zucht kommt, dass der Rücken nicht mehr tut, was er soll. Das war damals entweder nebensächlich (Kaninchen wurden jung gegessen, also waren solche Folgeschäden egal) oder wurde in Kauf genommen, um ein bestimmtest Erscheinungsbild zu erzielen (Dackel passt in Kaninchengänge).
    Zucht ist nicht Evolution, beim Menschen greifen andere Vorgänge. Wenn wir noch einige hundert Jahrtausende abwarten sind wir vielleicht ein bisschen besser dran. Vorausgesetzt, die Regeln der Evolution lassen sich heute noch auf den Menschen anwenden. Das kann ich nicht beurteilen.

  2. #2 alex
    16. Mai 2017

    Da Feedback explizit erwünscht ist, Kurzfassung: Sehr gut. Ich habe weder Haustiere, noch selber Kreuzschmerzen und als sonderlich interessant hatte ich es bisher auch nicht auf dem Schirm. Dennoch hab ich den Artikel sehr gerne gelesen.

    Einige Fragen stellen sich mir allerdings trotzdem:
    Bei Hunden habe ich schon recht häufig gehört, dass diese teilweise kaputt gezüchtet wurden, daher also möglicherweise auch die Kreuzschmerzen kommen.
    Zwar die Möglichkeit, dass der Mensch seine Haustiere kaputt gezüchtet hat und es nur daher auch Tiere mit Kreuzschmerzen gibt, mit den nicht domestizierten Tieren im Anschluss implizit widerlegt. Aber das hätte vielleicht deutlicher gemacht werden können.

    Der zweite große Frage, woher weiß ich bei bestimmten Tieren (ich denke da insbesondere an die Fische), dass sie diese Beschwerden haben?
    Das ist zwar nicht der Fokus des Artikels aber sofern man da ein, zwei Sätze zur Erläuterung hat oder einen Link angibt, wäre das sehr hilfreich.

    Stammen alle Beispiele aus Gefangenschaft oder gibt es Kreuzschmerzen auch in der freien Wildbahn?
    Der Punkt wird nicht ganz klar.

    Pinguine scheinen mir kein gutes Beispiel zu sein, stehen diese doch auch recht viel rum 😉

  3. #3 siskin
    Wien
    16. Mai 2017

    Vielleicht ist das ein Problem des Alters???
    Haustiere werden älter als Wildtiere
    Menschen älter als andere Primaten
    Zoo-Tiere älter als ihre wilden Verwandten …
    Dadurch können Schäden, die evolutiv keine Rolle spielen (denn die Lebewesen pflanzen sich als junge Tiere fort) bei allen Wirbeltieren zeigen.

  4. #4 Dampier
    16. Mai 2017

    Artikel gefällt; nette Formulierungen und locker geschrieben. Aber eines geht gar nicht: Leerzeichen vor Ausrufe- und Fragezeichen! Die Franzosen dürfen das, aber wir nicht. Man nennt es “plenken” (vom englischen “blank” für Leerzeichen) und es kommt bei vielen, speziell etwas gebildeteren Lesern, nicht gut an. Da würde ich wirklich drauf achten, weil es auch den schönsten Artikel entwerten kann. Manche finden das nicht so schlimm, aber es gibt genügend Interessierte potenzielle Leser da draußen, für die sowas ein wichtiges Kriterium ist.

    Das Thema ist ganz spannend und ich hätte gern noch mehr erfahren. Speziell auf einem Scienceblog könntest du gern noch tiefer in die Materie einsteigen.

    Dein Ton und dein Stil gefallen mir und ich wünsche dir viele interessierte Leser und einen regen Ideenaustausch für dein Blog.

    Grüße
    Dampier

  5. #5 Dampier
    16. Mai 2017

    Ergänzung:

    Speziell auf einem Scienceblog könntest du gern noch tiefer in die Materie einsteigen.

    Z.B. hätte ich, wie Alex, auch gern erfahren, wie man einen Bandscheibenvorfall bei einem Zebrafisch diagnostiziert. : )

  6. #6 Tobias
    16. Mai 2017

    Schließe mich alex und Dampier an, sehr schön geschrieben, hatte mich eigentlich für die Frage gar nicht interessiert, nach dem Lesen dann aber doch. Deswegen fände auch ich einige zusätzliche Details gut, z.B. zur Frage “Woher weiß man das eigentlich?”

    Die Leerzeichen vor Satzzeichen stören schon ein wenig beim Lesen, vor allem, wenn das Satzzeichen dadurch in die nächste Zeile umgebrochen wird.

    Mein Gesamturteil: Gut. 😉

  7. #7 Tobias
    16. Mai 2017

    Ach entschuldige, jetzt fällt mir grade wieder auf, dass du ja auch noch eine Frage am Schluss gestellt hattest. Leider kann ich dazu keine gute Antwort geben, da ich kein Haustier habe. Ich weiß lediglich, dass das Pferd einer Bekannten im hohen Alter Knieprobleme hatte. Passt natürlich nicht ganz zum Thema Wirbelsäule.

  8. #8 rolak
    16. Mai 2017

    Aus evolutionstechnischen Gründen hat meine scharf auf Mücken dressierte Hausspinne keinerlei Bandscheibenprobleme.
    Bei mir stören eher zwei Paar nicht 100% sichertrainierbare Gleitwirbel…

  9. #9 bruno
    16. Mai 2017

    Als Blogpost sehr gut gemacht!
    Aber ich hätte es fast nicht über den ersten Absatz geschafft, der in extrem hakeligem deutsch verfasst ist und den Lesefluss extrem ausbremst… aber schön mit Bildern und Links garniert und die eher harmlosen Kommatatata an falschen Stellen stören kaum.
    Und ja – wie diagnostiziert man LWS u.ä. bei Fischen?

    Schaut man sich einen jagenden Geparden in SloMo an, wundert man sich ohnehin, dass die nicht ständig beim Chiropraktiker sind…

  10. #10 spinenotes
    17. Mai 2017

    Als Nachtrag noch die Sache mit den Zebrafischen:
    https://spinenotes.blog/2017/05/17/die-sache-mit-den-zebrafischen/

  11. #11 spinenotes
    17. Mai 2017

    scheinbar ist mein erster Kommentar nicht durchgegangen – lag wohl an der Länge :-). Ich probiers noch mal fraktioniert…

    Vielen Dank für euer Feedback und vor allem auch an Florian fürs Veröffentlichen! Mir ist erst nachträglich wie Schuppen vor die Augen gefallen, dass man sich wohl auch bewusst sein sollte, für welche Zielgruppe man schreibt. Ich hatte für meine Erstversuch eher schmerzgeplagte PatientInnen (womit sich gleich die nächste Frage auftut: Gendern im Blog — soll man / oder nicht / oder ganz egal …?)als eine wissenschaftlich interessierte Community vor Augen, Deshalb auch nicht mehr Science, aber die liefere ich gerne nach! Das Plenken (danke an Dampier für die Hintergrundinfo – wieder was dazugelernt ☺ !) werd ich mir wohl abgewöhnen müssen … mal sehen, wie schnell man alte Gewohnheiten vor die Tür setzen kann!

    @Anja: Züchten ist natürlich ein Punkt, allerdings nicht der einzige. Alle Chordaten, zu denen ja die Wirbeltiere gehören, haben während ihrer Embryonalentwicklung einen zentralen Achsenstab, die Chorda dorsalis. Ein Rest davon bleibt dem adulten Tier als Bandscheibenkern erhalten. Die Spezies, bei denen auch die Stammzellen des Notochords erhalten bleiben, haben ein signifikant geringeres Risiko für Bandscheibenschäden. Deshalb eignet sich nicht jede Art für einen Tierversuch gleich gut (was den Medizinern leider nicht immer bewusst ist …). Wir Menschen verlieren unsere notochordalen Stammzellen mit ca. 25 Jahren, beim Hund gibt es beide Varianten:Rassen,die diese Zellen behalten,und andere,die sie verlieren.

  12. #12 spinenotes
    17. Mai 2017

    @Alex: Die Schwierigkeit mit der Epidemiologie ist ja grundsätzlich, dass wir davon abhängig sind, welche Daten überhaupt generiert werden. Je näher uns das Haustier steht, desto eher gehen wir im Fall des Falles zum Tierarzt. Daher gibt es über Hund, Katze und Pferd eine recht gute Datenlage. Bei Wildtieren ist die Datenlage schon dünner, und die Berichte stammen in erster Linie von Zoologischen Gärten mit entsprechender Veterinärmedizinischer Versorgung. Es gibt aber Fossilienfunde von Sauriern mit degenerativen Wirbelsäulenveränderungen – da kann man die Domestizierung wohl ausschließen☺! Pinguine stehen zwar im Zoo gerne rum, zählen aber in freier Wildbahn eher zu den Langstreckenschwimmern (https://www.niwa.co.nz/news/penguins-reveal-unknown-swimming-talents) und legen bis zu 12.000 km zurück. Ich glaube die kann man gelten lassen …

    @siskin: Definitiv! Zum einen summieren sich kleine Schäden im Lauf der Zeit, zum anderen nimmt im Alter die Gefäßversorgung ab. Die Bandscheibe ist ja die größte nicht durchblutete Struktur im Körper und wird nur durch Diffusion über zarte Poren am benachbarten Wirbelkörper ernährt. Und die verstopfen im Laufe der Zeit…

    @Dampier: Merci ☺! Und auch vielen Dank für die Anregung! Über die Zebrafischdiagnostik schreibe ich gerne noch – aber damit dieser Kommentar kein Roman wird, wohl besser in einem eigenen Beitrag.

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