Ich habe letzte Woche in Wien einen Workshop über Wissenschaftsblogs gehalten und den Teilnehmern angeboten, ihre dort verfassten Texte als Gastbeitrag in meinem Blog zu veröffentlichen um “echtes” Feedback sammeln zu können. Dieser Artikel ist einer der Gastbeiträge und wurde von Claudia Eder verfasst, die auch schon ihr eigenes Blog gestartet hat.
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Momentan läuft bei mir das Telefon heiß. Seit es unser Versuch, Körperfett in gesundes Bandscheibengewebe umzuwandeln, in die Kronen Zeitung geschafft hat, stehen hoffnungsvolle Patienten bei uns Schlange. Dass unsere Miniatur-Bandscheiben maximal dafür geeignet wären, ein Kaninchen von seinen Schmerzen zu befreien, geht aus dem Artikel allerdings nicht hervor Aber haben Kaninchen überhaupt Kreuzschmerzen ?
Geht es nach Bruce Latimer, Anthropologe an der Case Western University, ist dies nämlich ein rein menschliches Problem. Wir sind schließlich die einzige Spezies, die sich aufrecht fortbewegt. Und da die Natur den aufrechten Gang ursprünglich nicht vorgesehen hat, haben wir uns damit zahlreiche Probleme eingefangen. Von lästigen Weisheitszähnen, Plattfüßen bis hin zum Kreuzschmerz – die Evolution ist Schuld ! Und die Wirbelsäule – so Latimer – ist ein einziger evolutionärer Albtraum.
Autsch … für mich als Orthopädin ist sie ja eher ein kleines Wunderwerk. Ich liebe den Wirbelsäulen-OP, das gedämpfte Licht, den Blick durchs Mikroskop und das zarte Präparieren der anatomischen Strukturen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich meine eigene Wirbelsäule meldet, weil das stundenlange Stehen mit Bleischürze nicht gerade den Richtlinien für ergonomisches Arbeiten entspricht. Aber hat Latimer recht ? Sind Kreuzschmerzen der Preis, den wir für die Errungenschaft des aufrechten Ganges zu bezahlen haben ? Auf den ersten Blick klingt das sehr plausibel. Dann allerdings fällt mir ein Besuch in der Tierklinik ein, als ich mit dem Kollegen von der Veterinärmedizin ins Plaudern kam. Und schon bald in ein Gespräch über Wirbelsäulenoperationen beim Hund vertieft war …
Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, was geplagte Hundebesitzer schon längst wissen: Bandscheibenleiden sind bei manchen Hunderassen genau so häufig wie beim Menschen. Und auch in der Therapie gibt es kaum Unterschiede: Von Medikamenten, Akupunktur über Chiropraktik bis hin zur High-Tech Operation – der Gesundheitssektor macht kaum Unterschiede zwischen zwei- und vierbeinigen Patienten. Aber es sind nicht nur Hunde betroffen – auch Katzen, Pferde und Esel finden sich in den Krankenakten der Tierkliniken. Und die gehen ja bekanntermaßen nicht aufrecht ! Ein Blick in diverse Kaninchenforen zeigt, dass auch hier Bandscheibenvorfälle kein seltenes Problem sind.
Hat Latimer also unrecht ? Handelt es sich beim Bandscheibenvorfall nicht um ein evolutionäres Versagen, das durch den aufrechten Gang des Menschen bedingt ist, sondern viel mehr eine Life-Style-Erkrankung, die auch unsere Haustiere befällt ? Schließlich trage auch Übergewicht und Bewegungsmangel zum Verschleiß der Bandscheibe bei.
Auch gefehlt ! Der Knoxville Zoo hat nämlich die Krankenakten seiner Bewohner aufgearbeitet und bei zahlreichen Löwen und Tigern Bandscheibenvorfälle gefunden. Auch Berichte von Bären, Wölfen und Affen mit Bandscheibenleiden finden sich im Internet. Wenn es an der Schwerkraft läge, müssten doch zumindest die aquatischen Lebewesen frei von Kreuzschmerzen sein – im Wasser ist die Schwerkraft ja nahezu aufgehoben. Aber auch beim Pinguin, Delfin und bei Fischen sind Bandscheibenvorfälle beschrieben – bei den Zebrafischen sogar so häufig, dass überlegt wird, sie als Modellorganismen für die medizinische Forschung heranzuziehen.
Was sind eure Erfahrungen mit euren euren Haustieren ? Leiden sie unter Kreuzschmerzen ? Oder sind es doch eher wir Menschen, denen das Kreuz mit dem Kreuz zu schaffen macht ?
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