Ich habe letzte Woche in Wien einen Workshop über Wissenschaftsblogs gehalten und den Teilnehmern angeboten, ihre dort verfassten Texte als Gastbeitrag in meinem Blog zu veröffentlichen um “echtes” Feedback sammeln zu können. Dieser Artikel ist einer der Gastbeiträge und wurde von Thomas Weninger verfasst.
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Dass Wasser nicht gleich Wasser ist, wird einem spätestens dann klar, wenn man unfreiwillig einen Schwall Adriawasser schluckt und sich denkt, dass der erfrischende Schluck aus dem Gebirgsbach bei der letzten Wanderung doch eine ganz andere Wirkung hatte. Gut, klar, da ist Salz drin. Abseits davon soll auch jedes Leitungswasser zum Allheilmittel werden, wenn es in richtig energetisierter und belebter Form eingenommen wird. Nicht erwiesen, möglicherweise esoterische Geschäftemacherei? Wissenschaftlich etwas fundierter wird nach einer neuen These das Wasser in unserer Umwelt in zwei verschiedene Bereiche getrennt, die ganz unbescheiden “Welten” genannt werden. Das Wasser aus der ersten Welt befände sich danach im Boden, nahe an der Pflanzenwurzel, und in Pflanzen – das aus der anderen in Wolken, Regen, großen Poren im Boden, Bächen und Flüssen. Die Unterschiede liegen in der Zusammensetzung und eine Bestätigung dieser Hypothese brächte ein neues Verständnis der Trinkgewohnheiten von Waldbäumen, Ackerpflanzen und auch des Gummibaumes am Wohnzimmerkästchen mit sich.
Während eines spannenden Arbeitstages, den ich wie die meisten mit der Frage verbrachte, wohin, warum und wie schnell sich denn nun das Wasser im Boden bewegt, stieß ich auf die plakative „Two Water Worlds Hypothesis“. Kanadische Hydrologen um Jeffrey J. McDonnell von der Universität Saskatchewan haben beschrieben (“Ecohydrologic separation of water between trees and streams in a Mediterranean climate“), dass Wasser, das von Pflanzen aufgenommen und verdunstet wird, schon viel länger im Boden verweilt hatte, als der letzte ausgiebige Regen zurücklag. Dieses Wasser hatte sich am Ende des Winters (Schneeschmelze) oder im Herbst (Einstellung des Pflanzenwachstums) im Boden eingelagert und danach nicht mehr wesentlich mit dem Niederschlagswasser vermischt. Auch nach Regenfällen, die auf längeren Trockenperioden folgten, blieb das aufgenommene Wasser in seiner Zusammensetzung unterschiedlich zum Niederschlagswasser. Es wird hier also nicht, wie man vermuten könnte, das neue, leicht verfügbare Regenwasser von der gierigen, austrocknenden Pflanze mit Hochdruck aufgesogen, sondern nur durch den Nachschub die Aufnahme des bereits vorhandenen Bodenwassers erleichtert. Das Niederschlagswasser hingegen fließt recht rasant durch den Boden und findet sich bald im Grundwasser oder in Flüssen wieder. Bis jetzt wurde meist davon ausgegangen, dass sich das Wasser im Boden recht schnell mischt und in dessen von Pflanzen aufnehmbaren Anteil keine wesentlichen Unterschiede in der Zusammensetzung bestehen.
Ich finde es dann interessant, wie man zu Daten und Messwerten kommt, die solche Thesen begründen können. In den hier angeführten Publikationen stößt man da auch gleich auf eine besonders interessante und vielfältige Technik. Die Möglichkeit, das “Alter” des Wassers im Boden zu messen, ergibt sich aus der Bestimmung seiner Isotopenzusammensetzung. Wasser besteht bekannterweise aus Sauerstoff und Wasserstoff – in der Natur treten diese beiden Stoffe ganz gehorsam in ihrer im Periodensystem vorgeschriebenen Konfiguration von Elementarteilchen (Elektronen, Protonen, Neutronen) auf, aber auch in davon leicht abweichenden Formen, als sogenannte stabile Isotope. Ist in einem Wassermolekül ein solches Isotop eingebaut, ist es schwerer, verdunstet weniger leicht und kondensiert eher (in Wolken) als das Norm-Molekül. Aus den Gehalten an solchen schweren Wassermolekülen kann recht genau nachvollzogen werden, aus welcher Wolke ein untersuchter Wassertropfen stammt, wann er auf die Erde niederfiel und welche Wege er schon im Boden oder in Pflanzen ging.
Was bedeutet das nun für Deinen Gummibaum? Zugegebenermaßen wenig. Viel wichtiger ist eine mögliche Anwendung dieses Prinzips zum Beispiel bei der Planung von Düngereinsatz in der Landwirtschaft – wie bekomme ich den Dünger dazu, von der Pflanze aufgenommen zu werden und nicht im Grundwasser Unheil anzurichten? Wie lange braucht ein Wassertropfen bis er in einem Fluss angekommen ist? Viele Wassertropfen zusammen ergeben ein Hochwasser – die Abschätzung des Ausmaßes einer Überschwemmung kann ebenfalls durch die tiefgehende Kenntnis der ablaufenden Fließprozesse verbessert werden. Um solche Fragestellungen konkret zu beantworten, bedarf es jedoch noch ausgiebiger Untersuchung der vorgestellten Hypothese. Die zwei Wasserwelten sind zur Zeit noch nur als solche zu verstehen, werden laufend kritisch diskutiert und in verschiedensten Ökosystemen weltweit geprüft.
Weiterführende Information:
Quellen
- Brooks R, Barnard R, Coulombe R, McDonnell JJ. Ecohydrologic separation of water between trees and streams in a Mediterranean climate. Nat Geosci 2010, 3:100–104. doi: 10.1038/NGEO722.
- McDonnell, JJ. The two water worlds hypothesis: ecohydrological separation of water between streams and trees? WIREs Water 2014. doi: 10.1002/wat2.1027
- Carter Berry, Z., et al. The two water worlds hypothesis: Addressing multiple working hypotheses and proposing a way forward: The two water worlds hypothesis. Ecohydrology. 2017;e1843. doi.org/10.1002/eco.1843
Weitere einführende Infos zu Wasser im Boden gibt’s auf Wikipedia, z.B. unter Bodenwasser, Hydrologie und Ecohydrology.
Youtube-Videos
- https://www.youtube.com/watch?v=vmo0FRAVgkM
- https://www.youtube.com/watch?v=N7FvPDNDTOA
- https://www.youtube.com/watch?v=Ph-7tQuIbz4
- https://www.youtube.com/watch?v=GWyXzCT9fJM
Öffentlichen Stellen
Und wenn man`s gern etwas fortgeschrittener hat:
Oder gern auch beim Autor 😉
Thomas Weninger
BOKU Wien
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