Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 244: Arktur
Wer diese Folge der Sternengeschichten zufällig irgendwo in der Antarktis in der Nähe des Südpols hört, hat Pech gehabt. Denn das ist die einzige Landfläche der Erde von der man aus den Stern um den es heute geht nicht sehen kann! Überall sonst ist der helle Arktur wunderbar zu sehen. Es ist ja immerhin auch der dritthellste Stern am Nachthimmel; wenn man nur den nördlichen Himmel der Erde betrachtet dann sogar der hellste. Von Europa aus muss man nur den großen Wagen suchen und dann die gebogene Deichsel ein wenig verlängern. Schon landet man im Sternbild Bärenhüter dessen hellster Stern unübersehbar Arktur ist.
Da der Stern überall auf der Erde mit freiem Auge sichtbar ist, gibt es natürlich in allen Völkern jede Menge Mythen und Geschichten über ihn. Und eine Vielzahl an Namen. In der chinesischen Astronomie heißt er “Da Jiao”, das “große Horn” – weil er Teil des alten Sternbilds des Horns ist. Bei den arabischen Astronomen wurde er unter anderem als Haris-el-sema bezeichnet, der “Hüter des Himmels”. Die australischen Ureinwohner haben den Stern als Anzeiger für die Jahreszeiten verwendet: Wenn Arktur gemeinsam mit der Sonne im Westen unterging, dann hat der Sommer begonnen. Die Mi’kmaq in Kanada haben den Arktur als Kookoogwéss bezeichnet, was “Eule” bedeutet. Mein Lieblingsname ist allerdings “Ana-tahua-taata-metua-te-tupu-mavae”. Das stammt aus der Sprache der Ureinwohner der polynesischen Gesellschaftsinseln und bedeutet so viel wie “eine unterstützende Säule”. Arktur war dort eine der zehn “Säulen des Himmels”.
Aber auch von all diesen mythologischen Geschichten abgesehen hat Arktur einiges zu bieten. Der Stern ist unter anderem deswegen so hell, weil er sich in der vergleichsweise geringen Entfernung von 36,7 Lichtjahren befindet. Seine Masse ist nur geringfügig größer als die der Sonne, sein Radius allerdings gleich 25 Mal größer! Denn Arktur ist mit einem Alter von mehr als 7 Milliarden Jahren deutlich älter als die Sonne mit ihren 4,5 Milliarden Jahren. Er ist schon weiter entwickelt; hat vermutlich schon den Großteil des Wasserstoffs in seinem Zentrum durch Kernfusion verbraucht. Dort hat sich das bei dieser Fusion erzeugte Helium angesammelt, das derzeit noch nicht fusioniert werden kann. Der Rückgang der Fusionsrate hat dazu geführt das der Stern unter seinem eigenen Gewicht ein wenig kollabiert ist, wodurch sich die Temperatur in seinem Inneren erhöht hat. Deswegen kann Arktur jetzt auch schon Wasserstoff in den um den Kern herum gelegenen äußeren Schichten fusionieren. Dadurch hat er sich wieder ausgedehnt und ist viel größer geworden als zuvor. Er ist auf dem Weg, ein roter Riese zu werden und irgendwann wird die Temperatur so hoch sein, dass auch das ganze Helium in seinem Inneren fusioniert werden kann. Dann wird er so richtig groß werden…
Aber schon jetzt ist Arktur 110 Mal heller als die Sonne – und das betrifft nur den sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Einen Großteil seiner Strahlung gibt Arktur im Infrarotbereich ab und wenn man das berücksichtigt ist seine Leuchtkraft fast 200 Mal so groß wie die der Sonne. Arktur hat außerdem eine geringe Metallizität – und mit “Metalle” meinen die Astronomen alles was kein Wasserstoff und kein Helium ist. Das weist darauf hin, dass er nicht der gleichen Sternengeneration angehört wie die Sonne. Die allerersten Sterne des Universums konnten nur aus Wasserstoff und Helium bestehen; mehr gab es nach dem Urknall nicht. Sie mussten die weiteren chemischen Elemente erst durch Kernfusion in ihrem Inneren erzeugen. Nachdem diese ersten Sterne die neuen Elemente per Supernova im Kosmos verteilt hatten, standen sie der nächsten Sternengeneration zur Verfügung. Sie enthielten also schon von Anfang an Metalle und fügten dem Universum durch ihre eigene Kernfusion noch ein paar hinzu. Die dritte Generation der Sterne, zu der auch unsere Sonne gehört hat daher schon eine vergleichsweise große Metallizität. Arktur allerdings gehört eher zur zweiten Sternengeneration.
Vermutlich hat Arktur auch einen ungewöhnlichen Entstehungsort. Er könnte aus der sogenannten “dicken Scheibe” der Milchstraße stammen. Unsere Galaxie ist ja in erster Näherung eine große Scheibe. Denkt man sich die Scheibe durch eine Art Äquator in zwei Hälfte getrennt, dann findet in der Nähe dieser Mittellinie jede Menge junge Sterne wie unsere Sonne. Weiter außen dagegen alte Sterne die die “dicke Scheibe” bilden. Da sie älter sind gab es bei ihrer Entstehung noch nicht so viele Metalle. Es könnte sogar sein das Arktur überhaupt nicht in der Milchstraße entstanden ist sondern in einer Zwerggalaxie aus ihrer Nachbarschaft die irgendwann mit der Milchstraße verschmolzen ist. Darauf weist die Existenz des “Arkturus-Stroms” hin, eine Gruppe aus über 50 bekannten Sternen die sich alle mit annähernd der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche Richtung bewegen. Solche Sternströme können entstehen, wenn die Gezeitenkräfte einer großen Galaxie wie der Milchstraße eine sich annähernde kleine Galaxie auseinander reißt.
Und Arktur ist wirklich schnell unterwegs. In Bezug auf das Sonnensystem bewegt er sich mit 122 Kilometer pro Sekunde und zwar auf uns zu. Aber nicht mehr lange – er hat schon fast den sonnennächsten Punkt seiner Bahn erreicht. In 4000 Jahren wird er uns am nächsten sein, aber seine Helligkeit wird sich dann nicht mehr groß geändert haben. In ungefähr einer halben Million Jahren wird er dann aber mit freiem Auge nicht mehr sichtbar sein (sofern dann noch etwas auf der Erde lebt das Augen hat und Interesse den Himmel zu beobachten).
Als Arktur vom Vermessungssatelliten Hipparcos beobachtet wurde gab es auch Hinweise, dass er eventuell von einem weiteren Himmelskörper umkreist wird. Der Begleiter sollte ungefähr zwanzig Mal schwächer leuchten als Arktur; es muss sich also um einen kleinen Stern handeln – wenn er denn wirklich da ist denn bis jetzt konnte diese Beobachtung nicht bestätigt werden. Ebenso wenig wie die Hinweise dass der Stern eventuell von einem Planeten umkreist wird. Es ist viel wahrscheinlicher dass die Veränderungen im Sternenlicht die man beobachtet und der Existenz eines Planeten zugeschrieben hatte vom Stern selbst stammen. Denn die Oberfläche von Arktur schwingt wie eine Glocke; er gehört zu den veränderlichen Sternen die ich in Folgen 64 und 65 der Sternengeschichten vorgestellt habe. Die dadurch ausgelösten Helligkeitsänderungen sind aber minimal und mit freiem Auge nicht sichtbar.
Vielleicht hatte Arktur ja auch mal Planeten die nicht mehr da sind. Hätte sich ein erdähnlicher Planet im gleichen Abstand von Arktur befunden wie die Erde von der Sonne, dann wäre er bei der Ausdehnung des Sterns zerstört worden.
Irgendwann wird der Stern sich noch weiter ausdehnen als jetzt. Er wird durch die Heliumfusion so viel Strahlung in seinem Inneren erzeugen das seine äußeren Schichten regelrecht ins All hinaus geblasen werden. Nur der Kern wird übrig bleiben, ungefähr so groß wie die Erde. Anfangs wird er noch enorm heiß sein, aber weil dort keine Kernfusion mehr stattfindet, wird er langsam auskühlen. Dieser “weiße Zwerg” wird aber von einer bunten, sich immer weiter ausdehnenden Wolke umgeben sein, die genau aus dem Material besteht das er zuvor abgestoßen hat. Dieser “Planetare Nebel” würde einen wunderbaren Anblick im Teleskop bieten.
Aber bis dahin dauert es noch… Momentan können wir Arktur noch als echten Stern am Himmel sehen. Und ansehen sollte man ihn sich auf jeden Fall. Er leuchtet hell und rötlich und wenn man dann noch dazu die Sterne Spica im Sternbild Jungfrau und Regulus im Sternbild Löwe sucht hat man auch das bekannte “Frühlingsdreieck” gefunden das ab Mitte März am höchsten am Himmel steht. Bis Juli kann man es beobachten, da dann schon kurz nach Sonnenuntergang am westlichen Himmel. Wenn bei euch also gerade Frühling herrscht (oder Herbst falls ihr auf der Südhalbkugel seid), dann geht nachts hinaus und sucht nach dem großen Dreieck am Himmel. Ist gerade Sommer, dann nutzt die schönen warmen Stunden nach dem Sonnenuntergang um einen Blick auf Arktur zu werfen. Und denkt dabei daran, was für ein faszinierender Stern das ist…
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